Finanziell und seelisch am Ende – Die neue Armut in Griechenland hat ein weibliches Gesicht. Die neuen Obdachlosen sind vor allem Frauen aus der ehemaligen Mittelschicht. Die Sparpolitik trifft sie besonders hart und die Prostitution stieg um 1500 Prozent.
50 Milliarden Euro in Griechenland, 70 Milliarden Euro in Irland, 40 Milliarden Euro in Spanien – ein Eurostaat nach dem anderen sieht sich gezwungen, seine Banken mit gigantischen Summen zu stützen, um damit die Verluste auszugleichen, die den Geldhäusern aus faulen Krediten entstanden sind. Aber wohin gehen die Milliarden eigentlich?
26 Millionen Menschen in den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union sind arbeitslos. Der immer noch reichste Kontinent dieser Welt lässt mehr als zehn Prozent seiner Bewohner ins soziale Abseits rutschen.
Beispiel Griechenland
Die Finanzkrise hat Griechenland nachhaltig verändert. Die Industrie liegt brach, Millionen Menschen wurden in die Arbeitslosigkeit getrieben. Die Armut drängt die Menschen ins soziale Aus. Hoffnung auf bessere Zeiten haben nur Wenige. Betroffen sind nicht nur Arme, sondern längst auch Angehörige der Mittelschicht. Sie tragen nun den Familienschmuck zum Pfandleiher – auch wenn es schwerfällt.
„Neo Astegos“ nennt man in Griechenland die neuen Obdachlosen. Menschen, die vor wenigen Jahren in der sogenannten Mittelschicht lebten, durch die Krise zuerst ihre Arbeit und dann ihre Existenz verloren haben. Jüngeren Berechnungen zufolge werden in Griechenland pro Tag 1000 Erwerbstätige gekündigt. War im Jahr 2008 jede elfte Frau arbeitslos, ist es jetzt jede dritte. Schnell verlieren sie dann ihr Dach über dem Kopf. Denn das Arbeitslosengeld wird in Griechenland unabhängig vom bisherigen Einkommen in einer Höhe von 360 Euro für maximal ein Jahr ausbezahlt. Dann ist Schluss. Der Staat zahlt keinen Notstand, keine Mindestsicherung, nichts.
Inzwischen sind allein in Athen zwischen 250 000 und 280 000 Menschen von Suppenküchen abhängig. Die Zahl der Obdachlosen stieg in Griechenland seit Beginn der Krise um 30 Prozent, gab die Regierung bekannt. In Athen dürfte es sich um ein Vielfaches handeln: Mehr als 20 000 AthenerInnen leben unter freiem Himmel. Neu daran sind der drastische Anstieg und der hohe Frauenanteil. 65 Prozent der jungen Griechinnen haben keine Arbeit. Viele Frauen sehen nur noch einen Ausweg – Prostitution, mit gravierenden Folgen. Die unkontrollierte Zunahme der Prostitution, die laut dem Bürgermeister von Athen 1500% überstiegen hat, trug zu einem ungeheuren Anstieg der sexuell übertragenen Krankheiten bei. Seit den Kriegszeiten fast in Vergessenheit geratene Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhoe (“Tripper”) und Condylomata acuminata (“Feigwarzen”) sind wieder aktuell geworden.
50 Milliarden Euro für die Rettung nach Griechenland
Doch wer sind die Begünstigten? Die Geretteten sitzen – anders als häufig vermittelt und von vielen angenommen wird – nicht in den ärmeren Eurostaaten, sondern hauptsächlich in Deutschland und Frankreich. Ein großer Teil des Geldes landet nämlich bei den Gläubigern der Banken, die gerettet werden wollen oder müssen. Die griechische Finanzaufsicht genehmigte sich kürzlich Top-Gehälter aus Hilfsgeldern. Die Manager des griechischen Finanzstabilisierungsfonds „retten“ im Auftrag der Troika die Banken des Landes. Für ihre jährlichen Gehälter von durchschnittlich 100 000 Euro muss allerdings der griechische Steuerzahler aufkommen. Die Entscheidung über die traumhaften Managergehälter trägt die Unterschrift des griechischen Finanzministers Yiannis Stournaras, der in Griechenland sonst für harte Kürzungen bekannt ist. Die Manager des FSF sind für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 30. Juni 2017 engagiert und kosten den griechischen Steuerzahler somit mehr als 3 Millionen Euro.
Finanziell und seelisch am Ende – Die neue Armut in Griechenland hat ein weibliches Gesicht und Rettung ist nicht in Sicht.
Text und Foto © Doro Schreier
Quellen: Standard, Deutsche Wirtschafts Nachrichten, Arte
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