Was kann der Mensch tun, um mit der Lärmbelastung fertig zu werden?

 

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Amsel, Drossel Fink und Star…ist vielen noch als Kinderlied in Erinnerung.

Tiere haben vielfältige Strategien entwickelt, um mit zunehmender Lärmbelastung in ihren Lebensräumen zurechtzukommen. So ist bekannt, dass viele Stadtvögel in einer höheren Tonlage singen, um sich vom eher tieftonigen Straßenverkehr abzuheben. Dies ist jedoch nur ein willkommener Nebeneffekt, fanden Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in einer vergleichenden Studie an wildlebenden und in Volièren gehaltenen Amseln heraus. Der wahre Grund für dieses Verhalten liegt darin, dass die von den Männchen in hoher Tonlage gesungenen Elemente auch automatisch lauter sind. Durch die größere Lautstärke können sich die Vögel im Stadtlärm weitaus besser Gehör verschaffen als durch die Anhebung der Tonlage.

Amseln finden auch in der Stadt ein reichhaltiges Nahrungsangebot.

Viele wildlebende Tiere haben sich die Stadt als neuen Lebensraum erobert, obwohl sie dort auf zahlreiche ungünstige Umweltbedingungen treffen. Sie müssen mit einer größeren Anzahl von Menschen und anderen Tieren sowie einer höheren Licht- und Lärmintensität als auf dem Land zurechtkommen. Dennoch profitieren sie auch vom Habitat Stadt, z. B. auf Grund des höheren Nahrungsangebots oder neuen Brutmöglichkeiten, und viele Tiere haben sich erstaunlich gut an das Stadtleben angepasst.

Um Paarungspartner anzulocken und ihr Revier zu verteidigen, singen Rotkehlchen bis in die Nacht hinein, wenn der Straßenlärm nach dem Feierabendverkehr abgeflaut ist. Viele andere Vogelarten, darunter die Amsel, singen in Städten in einer höheren Tonlage. Damit heben sie sich vom tiefer frequenten Straßenlärm besser ab.

Nun fand eine Gruppe von Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Radolfzell, dass letzteres nur die halbe Wahrheit ist. Sie untersuchten Stadtamseln in Wien und Landamseln im angrenzenden Wienerwald.
Zudem zogen sie weitere Vögel im Max-Planck-Institut per Hand auf und untersuchten die Zusammenhänge von Tonhöhe und Lautstärke ihres Gesanges unter kontrollierten Bedingungen. Dabei zeigte sich, dass die Tiere höhere Töne lauter produzieren konnten. In der Stadt benutzen Amseln bevorzugt eben jene hohen Tonlagen, in denen sie besonders laut singen können.

In einem nächsten Schritt untersuchten die Forscher, welcher Effekt besser geeignet ist der akustische Überlagerung durch den Straßenlärm zu entkommen: die erhöhte Frequenz oder die daraus folgende erhöhte Lautstärke. „Die größere Lautstärke der höheren Gesänge ist um ein Vielfaches effektiver als die Anhebung der Tonhöhe“, sagt Erwin Nemeth, Erstautor der Studie. „Wir vermuten deshalb, dass die erhöhte Lautstärke die wichtigste Ursache für die höheren Frequenzen im Stadtgesang der Vögel ist.“ Der Leiter des Forschungsprojekts, Henrik Brumm, fügt hinzu: „Indem die Stadtvögel aktiv hochfrequente Töne wählen, können sie also ihre Fähigkeit steigern, laut zu singen und so die akustische Überlagerung des umgebenden Lärms abschwächen.“

Was aber kann der Mensch tun, um mit der Lärmbelastung fertig zu werden?

Ob wir etwas als Lärm empfinden, hängt stark von der individuellen Bewertung ab. Die gleichen Töne sind für den einen wohltuend, zum Beispiel ein Klavierspiel, während dem anderen das Geklimper auf die Nerven geht. Die Beurteilung hängt ab von akustischen Merkmalen wie Lautstärke, Tonhöhe, Dauer und Art des Geräusches. Tritt dieser Ton nur einmal auf oder hat er einen wiederkehrenden Rhythmus? Der tropfende Wasserhahn ist zwar nicht laut, kann einen aber zur Weißglut treiben – vor allem nachts. In der allgemeinen Stille empfinden wir Geräusche viel schneller als Lärm.

Ein sehr kurzes Geräusch wie einen Schuss empfinden wir gar nicht so laut. Der Knall ist einfach zu kurz. Unser Gehör braucht eine gewisse Zeit, bis es Lautstärke erleben kann. Die Gefahr dabei ist, dass wir das Geräusch unterschätzen. Denn unser Gehör kann auf Grund der Lautstärke sehr wohl Schaden nehmen. Man spricht dann von einem sogenannten Knalltrauma.

Lautstärke, genauer gesagt der Schalldruck, wird in Dezibel (dB) gemessen. Da bekommen wir Tag für Tag ganz schön was auf die Ohren. Verkehrslärm, Musik, Kindergeschrei und vieles mehr. Auf Dauer wird unser Hörvermögen bei Belastungen ab 90 dB beeinträchtigt. Dieser Wert ist schnell erreicht. Ab 120 dB kann schon ein einmalig auftretendes Geräusch (Knalltrauma) zu einer dauerhaften Schädigung der Hörzellen im Innenohr führen.

Je höher die Lautstärke ist, umso größer ist der Druck der Schallwellen, die in unser Ohr eindringen. Dadurch werden die Haarzellen im Innenohr so stark gepresst, dass sie abbrechen und schließlich absterben. Bei den Hörnerven kommen dann keine Signale mehr an. Der Krach kann uns schwerhörig und sogar taub machen.

Was unsere Ohren tagtäglich aushalten müssen:

• Hörschwelle: 0 dB

• Tropfender Wasserhahn: 20 dB

• Laufgeräusch eines Videorecorders: 33 dB

• Streichholz fällt auf den Tisch: 37 dB

• Flüstern: 37 dB

• Menschliche Stimme: 50 – 60 dB

• Angeregtes Gespräch: 65 dB

• Staubsauger: 70 dB

• PKW in der Stadt: 80 dB

• Föhn/vielbefahrene Straße: 83 dB

• Quietsch-Entchen am Ohr: 90 dB

• Kreissäge: 100 dB

• Startendes Flugzeug: 110 – 140 dB

• Laute Disco: 110 dB

• Spielzeugpistole: 150 dB

• Gewehrschuss in Mündungsnähe: 160 dB

Das Ohr des Menschen ist in der Lage, Schall mit Frequenzen zwischen ungefähr 15

Hertz und 20 000 Hertz wahrzunehmen. Die Einheit der Frequenz ist das Hertz (Hz),

wobei ein Hertz einer Schwingung pro Sekunde entspricht. Niedrige Frequenzen

(kleiner Zahlenwert) entsprechen tiefen Tönen; je größer die Frequenz, desto höher

der Ton.

Auswirkungen von Lärm

Ob Geräusche als Störung empfunden werden, ist subjektiv und von einer Reihe von Faktoren abhängig. So wird Meeresrauschen meist als angenehm empfunden, Verkehrsgeräusche in gleicher Lautstärke in der Regel nicht. Allgemein gilt jedoch, dass das Empfinden der Störung mit der Lautstärke zunimmt.

Lärm kann eine Reihe gesundheitlicher Beeinträchtigungen verursachen. Nur bei sehr hohen Lautstärken ist das Gehör selbst betroffen und Hörschäden wie beispielsweise ein Tinnitus können auftreten. Auch schon bei geringer, aber lang andauernder bzw. ständiger Exposition muss mit Folgen gerechnet werden. Dazu zählen:

• Beeinträchtigung der Sprache und Kommunikation

• Schlafstörungen mit allen kurz- und langfristigen Konsequenzen

• Kreislaufbedingte Erkrankungen

• Hormonelle Reaktionen (z. B. Stresshormone) und ihre möglichen Konsequenzen für den menschlichen Stoffwechsel und das Immunsystem

• Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in der Schule und am Arbeitsplatz

• Beeinträchtigung im sozialen Verhalten (z. B. Aggressivität, Hilflosigkeit, etc.)

• Belästigung

Die WHO hat daher Richtwerte für den vorbeugenden Gesundheitsschutz abgeleitet und als „Guidelines for community noise“ veröffentlicht.

Krankheitslast durch Umweltlärm – WHO-Studie

Das Regionalbüro für Europa von der Weltgesundheitsorganisation WHO hat den Bericht „Burden of disease from environmental noise“ veröffentlicht. In der Studie wird der Verlust an gesunden Lebensjahren durch Umgebungslärm in Europa quantifiziert.

Der Untersuchung nach ist Verkehrslärm nach der Luftverschmutzung das Umweltproblem mit den zweitstärksten Auswirkungen auf die Gesundheit. Die Europäer verlieren jedes Jahr – konservativ geschätzt – mindestens 1 Million gesunde Lebensjahre durch die gesundheitlichen Auswirkungen von Umgebungslärm.

Im Bericht wird der aktuelle Wissensstand hinsichtlich der Zusammenhänge von Lärm und dem Auftreten von ischämischen Herzkrankheiten, Schlafstörungen, kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen, Tinnitus und Belästigung zusammengefasst. Für jede dieser möglichen Krankheitsendpunkte wurden auf Basis von Dosis-Wirkungsrelationen, der Lärmbelastung der Bevölkerung sowie Gewichtungsfaktoren für das Ausmaß der Beeinträchtigung die in Europa durch die Lärmbelastung verlorenen gesunden Lebensjahre (DALYs – disability adjusted life years) ermittelt.

Es wird geschätzt, dass in der europäischen Union und weiteren westeuropäischen Ländern 61 000 gesunde Lebensjahre auf Grund von ischämischen Herzkrankheiten verloren gehen, 903 000 Jahre auf Grund von Schlafstörungen, 45 000 Jahre auf Grund von kognitiven Beeinträchtigungen bei Kindern, 22 000 Jahre auf Grund von Tinnitus und 587 000 Jahre auf Grund von erheblicher Belästigung. Insgesamt gehen somit jährlich mindestens eine Million gesunde Lebensjahre in West-Europa durch Umgebungslärm verloren.

Wenn Spielzeuge Kinderohren krank machen

Was hat das Quietsch-Entchen mit einem Rockkonzert gemeinsam? Es kann den gleichen Lärmpegel erzeugen, auch wenn wir das so gar nicht wahrnehmen. Bei Kleinkindern kann dadurch das Gehör nachhaltig gestört werden. Und im Kinderzimmer lauern noch mehr Krachmacher. Das hat die Arbeitsgemeinschaft Hörforschung der Universität Ulm in einer Studie herausgefunden. Nicht immer sind nämlich hörgeschädigte Jugendliche selbst schuld an der Misere, weil sie zum Beispiel zu oft zu laute Musik hören. Oft ist die Schwerhörigkeit auf ein Knalltrauma in früher Kindheit zurückzuführen, meinen die Forscher.

Diese These belegen Messungen von Kinderspielzeugen. Viele erreichen gesundheitsgefährdende Schallpegel, wenn sie nah ans Ohr gehalten werden. So ist der Lärmpegel einer Rassel lauter als ein vorbeifahrender Zug. Die Trillerpfeife am Ohr entwickelt eine Lautstärke, die vergleichbar ist mit dem Lärm eines vorbeifliegenden Düsenjets. Der Schuss aus einer Spielzeugpistole misst über 150 Dezibel und ist damit lauter als ein Gewehrschuss. Eine Tausendstel Sekunde reicht schon aus, um das Gehör zu schädigen.

Abhilfe schaffen

Dem Umgebungslärm können wir oft nicht ausweichen. Lärmbelästigungen beginnen beim lärmenden Nachbarn, kommen vom Straßenlärm vor den Fenstern, von Bahntrassen vor der Nase und immer ist der Weg des ‚Abstellens’ ein mühsamer, oft vergeblicher.

Es gibt Lärm-Messgeräte, die man entleihen kann – am besten lässt man aber einen Fachmann kommen, weil so auch eher gewährleistet ist, dass das entsprechende Messprotokoll von den Ämtern, Behörden, wo man Beschwerde führen muss, Anerkennung findet.

Lärm bzw. Lärmschutz ist und wird immer mehr ein allgemeines Thema. Übersichtskarten gibt es hier:

http://noise.eionet.europa.eu/index.html

© Copyright 2013 Lisa Natterer, Netzfrauen

Noch mehr Infos (auch zu den neuen EU-Richtlinien)hier:

http://www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/ulr.html

http://www.planet-wissen.de/natur_technik/tier_und_mensch/tiere_der_stadt/av_biotope_voegel.jsp

http://www.orn.mpg.de/307020/news_publication_6798930

http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=11185042/ewft1e/index.html

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