Offener Brief an die Firma Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG
aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem
Staudammprojekt Agua Zarca in Honduras
11. Juli 2013
Sehr geehrter Herr Dr. Lienhard,
sehr geehrter Herr Dr. Münch,
hiermit teilen wir Ihnen als Vorsitzendem der Geschäftsführung der Voith GmbH bzw.
der Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG unsere große Besorgnis über die jüngsten
Vorfälle und Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem
Staudammprojekt Agua Zarca im Department Intibucá, Honduras, mit. Die Firma
Voith Hydro GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen von Voith und Siemens, baut
und liefert nach unserer Kenntnis für besagtes Projekt drei Turbinen mit jeweils 7,52
MW. Wir weisen Sie darauf hin, dass das Wasserkraftwerk Agua Zarca gegen den
Willen der Mehrheit der lokalen indigenen Bevölkerung gebaut wird.
Die umliegenden Gemeinden sind die rechtmäßigen Eigentümer der betroffenen
Landflächen. Laut der Konvention 169 zu indigenen Rechten der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO), die Honduras 1995 ratifizierte, muss die betroffene
indigene Bevölkerung vor Beginn derartiger Projekte informiert werden und diesen
zustimmen. Die Bewohner_innen der betroffenen Region Río Blanco haben sich
jedoch in mehreren indigenen und kommunalen Versammlungen (unter anderem am
10. Okt. 2011) gegen das Staudammprojekt Agua Zarca ausgesprochen.
Trotz der Ablehnung durch die lokale Bevölkerung erteilte der Bürgermeister von
Intibucá, Martiniano Dominguez Meza, die Erlaubnis zum Bau des Projektes.
Auf Grund der Landrechte der indigenen Dörfer und der Nichteinhaltung der
indigenen Rechte ist diese Bewilligung jedoch rechtswidrig. Gegen das Projekt Agua
Zarca wurden mehrere Anzeigen erstattet, unter anderem bei der honduranischen
Sonderstaatsanwaltschaft für Ethnien. Zudem wurde der Fall laut der indigenen
Organisation COPINH beim UN-Sonderbeauftragten für indigene Völker angezeigt.
Eine Umweltverträglichkeitsstudie des Projektes, die von der staatlichen
Umweltbehörde SERNA durchgeführt wurde, ist trotz mehrerer Anfragen nicht
öffentlich gemacht worden, was ebenfalls gegen honduranisches Recht verstößt.
Ungeachtet der Ablehnung des Projektes durch die lokale Bevölkerung und trotz der
laufenden Anzeigen hat Ihr Vertragspartner, das honduranische Unternehmen
Desarrollos Energéticos S.A. de C.V. (DESA), mit dem Bau des Staudammes
begonnen. An dem Bau ist ebenfalls das chinesische Unternehmen SINOHYDRO
beteiligt, welches vor kurzem in Ecuador auf Grund von Unregelmäßigkeiten im
Umgang mit Mitarbeiter_innen verurteilt wurde 1.
Auf Grund des unrechtmäßigen Baubeginns, der damit verbundenen
Umweltzerstörung und der fehlenden Bereitschaft des honduranischen Staates, für
den Schutz und die Rechte der indigenen Bevölkerung einzutreten und den
eingegangen Anzeigen nachzugehen, besetzen Bewohner_innen mehrerer Dörfer der
Region seit dem 1. April 2013 die Zufahrtsstraße zu der Baustelle des Projektes. Seit
Beginn dieser friedlichen Protestaktion gehen die Unternehmen DESA und
SINOHYDRO eskalierend und aggressiv gegen den legitimen und friedlichen Protest
vor. So berichten Bewohner_innen der Region von Einschüchterungen, Drohungen
und körperlichen Aggressionen durch Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen.
Durch Bestechung und Korruption versuchen die Unternehmen überdies die
Bevölkerung zu spalten und einen gewalttätigen Konflikt innerhalb der Gemeinden
zu erzeugen. Besonders besorgniserregend ist unter anderem das Abfeuern von
Schusswaffen auf dem Gelände der Unternehmen, die Anwesenheit von zivilen
bewaffneten Personen im Auftrag der Unternehmen in den umliegenden Gemeinden
und die Verfolgung von Dorfbewohner_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen
durch Mitarbeiter von DESA und SINOHYDRO.
Am 29. Juni griffen vier Personen Dorfbewohner Roque Domínguez, Aktivist des COPINH und Gegner des Projektes Agua Zarca, mit Macheten an und verletzten diesen schwer.
Die honduranische Regierung antwortet auf den Protest ebenfalls mit Eskalation und
Repression. So wurde die friedliche Straßenblockade bereits mehrfach gewaltsam
von Polizei- und Militäreinheiten geräumt, die gesamte Region wurde stark
militarisiert und der Protest wird kriminalisiert. Am 24. Mai 2013 nahmen Soldaten
und Polizisten die indigenen Menschenrechtsverteidiger_innen Bertha Cáceres Flores
und Tomás Gómez Membreño fest. Gegen Cáceres, die auf Grund ihres Engagements
für Menschenrechte im vergangenen Jahr den Shalompreis der Katholischen
Universität Eichstätt erhalten hat, wurde auf der Grundlage von falschen
Anschuldigungen ein Gerichtsverfahren eingeleitet, welches am 13. Juni auf Grund
mangelnder Beweise vorerst wieder eingestellt wurde. Die Beteiligung der Firmen
DESA und SINOHYDRO an diesem Versuch der Kriminalisierung zeigt sich u. a.
daran, dass Polizeikräfte bei der Verhaftung von Cáceres und Gómez in Fahrzeugen
der Unternehmen vorfuhren. Die aktuelle Situation in der Region Río Blanco, das
eskalierende Verhalten Ihres Vertragspartners DESA und die Rolle der
honduranischen Sicherheitskräfte wird unter anderem ausführlich in dem vor wenigen
Tagen erschienenen Bericht der US-Organisation „La Voz de los de Abajo“
dokumentiert.2
Wie aus zahlreichen Berichten nationaler und internationaler
Menschenrechtsorganisationen hervorgeht, ist die Menschenrechtslage in Honduras
seit mehreren Jahren äußerst besorgniserregend. Menschenrechtsverletzungen werden
sowohl vom honduranischen Staat als auch von privaten Sicherheitskräften in
Honduras tätiger Unternehmen begangen. Im Zusammenhang mit Großprojekten, wie
z. B. Wasserkraftwerken, werden vor allem die Rechte der indigenen Bevölkerung
kontinuierlich verletzt. Darauf weist auch der jüngste Report der Internationalen
Arbeitsorganisation ILO (Report of the Committee of Experts on the Application of
Conventions and Recommendations) hin.3
Auch wenn die Firma Voith Hydro GmbH bei dem Projekt Agua Zarca „nur“
Zulieferer ist, wird sie dadurch nicht von ihrer ethischen Verantwortung entbunden.
Im Gegenteil: Ihr Unternehmen trägt ein hohes Maß an Verantwortung für Umwelt
und Gesellschaft im In- und Ausland. Corporate Social Responsibility beschreibt das
gesellschaftliche Engagement über gesetzliche Regulierung hinaus! Das Projekt Agua
Zarca zerstört fruchtbares und seit Jahrhunderten den indigenen Gemeinden
angestammtes Land, das der lokalen Bevölkerung und deren nachfolgenden
Generationen als Lebensgrundlage dient. Ihre eigenen ethischen Grundsätze werden
durch die Beteiligung an einem Projekt, welches mit Gewalt gegen den Willen der
lokalen Bevölkerung durchgesetzt wird und auf der Grundlage von Rechtsbrüchen
und Menschenrechtsverletzungen basiert, ad absurdum geführt.
Auf Grund der oben beschriebenen Vorfälle fordern wir die Firma Voith Hydro GmbH
auf, sich aus dem Projekt Agua Zarca zurückzuziehen und den Vertrag mit ihrem
Partner DESA, welcher klar in Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist, zu
annullieren.
Wir bitten die Firma Voith Hydro GmbH um eine öffentliche Stellungnahme über das
weitere Vorgehen in Bezug auf das Projekt Agua Zarca. Welche Kenntnisse besitzt
das Unternehmen über das Vorgehen seiner Vertragspartner in Honduras? Welche
Schritte leiten Sie ein, um bei zukünftigen Projekten Menschenrechtsverletzungen
durch Ihre Vertragspartner zu unterbinden und die Rechte der lokalen Bevölkerung zu
garantieren?
Kopien dieses Briefes gehen auch an Abgeordnete des deutschen Bundestages und
Pressevertreter_innen.
Mit freundlichen Grüßen,
Hondurasdelegation, Deutschland und Österreich
Menschenrechtskette Honduras – CADEHO, Berlin
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit, München
Rettet den Regenwald e.V., Hamburg
RiverWatch
Biofuelwatch, GB
Zapapres e.V. Mexiko-Nachrichten-Import, Hamburg
Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden, Eichstätt
Informationsgruppe Lateinamerika – IGLA, Wien
Guatemala Solidarität Österreich
Via Campesina Österreich
Attac Österreich
Frauensolidarität Österreich
Offener Brief an Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG
Doro Schreier, Netzfrauen