NSA-Affäre: Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Juli Zeh

Juli Zeh

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

seit Edward Snowden die Existenz des PRISM-Programms öffentlich gemacht hat, beschäftigen sich die Medien mit dem größten Abhörskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Wir Bürger erfahren aus der Berichterstattung, dass ausländische Nachrichtendienste ohne konkrete Verdachtsmomente unsere Telefonate und elektronische Kommunikation abschöpfen. Über die Speicherung und Auswertung von Meta-Daten werden unsere Kontakte, Freundschaften und Beziehungen erfasst. Unsere politischen Einstellungen, unsere Bewegungsprofile, ja, selbst unsere alltäglichen Stimmungslagen sind für die Sicherheitsbehörden transparent. Damit ist der „gläserne Mensch“ endgültig Wirklichkeit geworden.
Wir können uns nicht wehren. Es gibt keine Klagemöglichkeiten, keine Akteneinsicht. Während unser Privatleben transparent gemacht wird, behaupten die Geheimdienste ein Recht auf maximale Intransparenz ihrer Methoden. Mit anderen Worten: Wir erleben einen historischen Angriff auf unseren demokratischen Rechtsstaat, nämlich die Umkehrung des Prinzips der Unschuldsvermutung hin zu einem millionenfachen Generalverdacht.
Frau Bundeskanzlerin, in Ihrer Sommer-Pressekonferenz sagten Sie, Deutschland sei „kein Überwachungsstaat“. Seit den Enthüllungen von Snowden müssen wir sagen: Leider doch. Im gleichen Zusammenhang fassten Sie Ihr Vorgehen bei Aufklärung der PRISM-Affäre in einem treffenden Satz zusammen: „Ich warte da lieber.“
Aber wir wollen nicht warten. Der Eindruck wächst, dass das Vorgehen der amerikanischen und britischen Behörden von der deutschen Regierung billigend in Kauf genommen wird. Deshalb fragen wir Sie: Ist es politisch gewollt, dass die NSA deutsche Bundesbürger in einer Weise überwacht, die den deutschen Behörden durch Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht verboten sind? Profitieren die deutschen Dienste von den Informationen der US-Behörden und liegt darin der Grund für Ihre zögerliche Reaktion? Wie kommt es, dass BND und Verfassungsschutz das NSA-Spähprogramm XKeyScore zur Überwachung von Suchmaschinen einsetzen, wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt? Ist die Bundesregierung dabei, den Rechtsstaat zu umgehen, statt ihn zu verteidigen?
Wir fordern Sie auf, den Menschen im Land die volle Wahrheit über die Spähangriffe zu sagen. Und wir wollen wissen, was die Bundesregierung dagegen zu unternehmen gedenkt. Das Grundgesetz verpflichtet Sie, Schaden von deutschen Bundesbürgern abzuwenden. Frau Bundeskanzlerin, wie sieht Ihre Strategie aus?

Zur Petition

UnterzeichnerInnen:

Juli Zeh, Ilija Trojanow, Carolin Emcke, Friedrich von Borries, Moritz Rinke, Eva Menasse, Tanja Dückers, Norbert Niemann, Sherko Fatah, Angelina Maccarone, Michael Kumpfmüller, Tilman Spengler, Steffen Kopetzky, Sten Nadolny, Markus Orths, Sasa Stanisic, Micha Brumlik, Josef Haslinger, Simon Urban, Kristof Magnusson, Andres Veiel, Feridun Zaimoglu, Ingo Schulze, Falk Richter, Hilal Sezgin, Georg M. Oswald, Ulrike Draesner, Clemens J. Setz, Ulrich Beck, Katja Lange-Müller, Ulrich Peltzer, Thomas von Steinaecker, Peter Kurzeck, Jo Lendle

Endlich! Die sogenannten einfachen BürgerInnen konnten ja schon meinen, er/ sie ist gänzlich allein und verlassen mit dem NSA-ÜBerwachungs-Desaster. Nein, wir sind doch nicht allein –

Die Intellektuellen des Landes wachen auf und gehen an die Öffentlichkeit!

Eine mutige Frau, Juristin und Schriftstellerin Juli Zeh, machte am 25.Juli 2013 im

Heute Magazin /ZDF einen Zwischenruf.

Einen Zwischenruf, der alle, die in diesem Land leben und ernst genommen werden wollen, aufrütteln muss! Ein Zwischenruf, dem jetzt ein offener Brief folgt, der von hoffentlich vielen Menschen unterzeichnet wird, die den aufrechten Gang noch nicht aufgegeben haben.

http://youtu.be/q_0_1_Qz2gY?t=1s

Die Schriftstellerin Juli Zeh kommentierte die Datenüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA : „Was mich wirklich fassungslos macht, ist, dass unsere Bundesregierung, die durch Nichtstun glänzt, auch noch durch grandiose Umfragewerte belohnt wird“, kritisiert Zeh. 

„Wenn ich an die NSA-Affäre denke, sehe ich ein Haus, das gerade von einer Einbrecherbande ausgeräumt wird. Die Bewohner stehen daneben und gucken zu. Die Hausverwaltung steht auch daneben und guckt zu. Sie ruft den Einbrechern vielleicht noch hinterher: ‚Wir verlangen schonungslose Aufklärung. Wir wollen wissen, was hier gespielt wird.‘ Und die Einbrecher rufen zurück: ‚Geht in Ordnung.‘, steigen ins Auto und fahren davon. Die Bewohner dieses Hauses, das sind wir Bürger, die ja bekanntlich niemals etwas zu verbergen haben. Die Hausverwaltung ist unsere Bundesregierung, die alles nur aus der Presse erfahren hat. Und das Haus, das ist unser Rechtsstaat. Er wird gerade von ausgerechnet den Leuten geplündert, die eigentlich dafür zuständig wären, ihn zu schützen. Was wir hier erleben, ist nicht irgendein abstraktes Technik-Schnick-Schnack. Bei einer Überwachung in diesem Ausmaß geht es auch nicht mehr um die komplizierte Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit. Es geht nicht einmal um den Kampf gegen Terrorismus. Denn dann wäre jeder Internetbenutzer, also wir alle, Terroristen. Was wir hier erleben, ist ein Angriff auf unsere Verfassung von historischem Ausmaß.

Das heißt doch eigentlich, dass man sich in diesem Land alles erlauben kann, solange nur die Wirtschaftsdaten stimmen. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde: die Dreistigkeit dieser Einbrecher oder die Mischung aus Resignation und Hilfslosigkeit, mit der darauf reagiert wird.“

Vielen Dank an Juli Zeh für die Initiative!

Netzfrau Fee Strieffler

Weitere Informationen:

Online Orientierungs-Seminar für den ‪BND und die Bundesregierung

Prism: SAP UND PALANTIR UNTERSTÜTZEN SICHERHEITSBEHÖRDEN

Asylangebot für Snowden – Venezuela

“Ehemaliger ‎NSA-Agent wirft ‎Merkel Heuchelei vor” hier erfahren Sie nun die ganze Wahrheit!

4 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.