Immer wieder gibt es Berichte über Spieler, die ihr gesamtes Leben für das Daddeln aufgeben und dabei sogar sterben, wie jüngst ein Spieler aus Taiwan. Kinder treten sogar in Hungerstreik, um ihren Willen nach mehr Spielzeit mit den Computerspielen zu erzwingen oder die Schulausflüge absagen, weil die ihnen „zu real“ sind. Eltern fühlen sich oft hilflos oder erfahren von der Spielsucht ihres Kindes, wenn es schon fast zu spät ist. Dieses Suchtverhalten werde von Spielefirmen ganz bewusst gefördert, sagte ein betroffener Vater in den dafür eigens geschafften Hilfsforen. Dazu später mehr.
Wir alle kennen wohl die Geschichte von Momo und den grauen Herren, Michael Endes Roman über die Zeiträuber.
Die reiben sich seit Tagen die Hände. Enormer Zulauf der Zeitsparer wird erwartet.
Noch bis morgen haben bis zu 300 000 erwartete Besucher der Gamescom in Köln Zeit, sich ein Bild von der neuen Spielkonsolengeneration zu machen. Sonys Playstation 4 und Microsofts Xbox One sind vor Ort spielbar und locken mit technisch opulenteren Games sowie neuen Controllern und Eingabemöglichkeiten – Ein Renner, denn Tickets für die gamescom 2013 sind schon im Vorkauf restlos ausverkauft.
Neben den im November erscheinenden Next-Gen-Systemen finden die Massen auch zahlreiche PC-Games, Cosplayer mit aufwendigen Kostümen und vor allem eines: nicht enden wollende Warteschlangen. Schlussendlich gibt es viel zu sehen: Mehr als 635 Unternehmen stellen auf 140 000 Quadratmetern aus und präsentieren über 400 Neuheiten aus der Gamesbranche. Gut 24 000 Fachbesucher sind angemeldet.
Der Bitkom will in einer repräsentativen Studie herausgefunden haben, dass inzwischen acht von zehn Deutschen zwischen 14 und 29 Jahren zu den Computerspielern zu zählen sind. Bei den 30- bis 49-Jährigen soll es fast jeder zweite (44 Prozent) sein, insgesamt soll mehr als jeder dritte Bundesbürger (36 Prozent) über 14 Jahren spielen. Das entspricht mehr als 25 Millionen Menschen – 2012 war es rund eine Million weniger. Zwar spielen laut Bitkom noch immer mehr Männer (42 Prozent) als Frauen, allerdings ist der Anteil der spielenden Frauen von 22 Prozent im Jahr 2008 auf jetzt 30 Prozent gestiegen.
Das Leitthema der Gamescom 2013 heißt „next generation of gaming” und neben der nächsten Konsolengeneration gehören zu dieser natürlich auch neue Action-Blockbuster-Spiele wie Battlefield 4 oder Call of Duty: Ghosts. An solchen Spiele-Highlights arbeiten inzwischen bis zu 100 Personen über einen Zeitraum von drei Jahren. Die Entwicklungskosten belaufen sich zum Teil auf 20 Millionen Euro und mehr. Das Ziel: Die Videospiele sollen realistischer werden, die Spielerfahrung noch intensiver.
Aber der Aufwand lohnt sich!
Mit dem Verkauf von Computer- und Videospielen wurde 2012 in Deutschland ein Umsatz von 1,5 Milliarden Euro erzielt. Insgesamt wurden mehr als 73 Millionen Computer- und Videospiele in diesem Zeitraum verkauft. Der meiste Umsatz in Deutschland wird mit Konsolenspielen erwirtschaftet. Die Durchschnittspreise von Spielen für Computer oder mobilen Endgeräten fallen im Vergleich zu den Konsolenspielen deutlich niedriger aus. Die meist verkauften Konsolenspiele weltweit im Jahr 2011 waren Call of Duty: Modern Warfare 3, Pokemon Black/White und Kinect Adventures.
Dem BIU zufolge verzeichnen Spiele für Smartphones und Tablets mit 20 Prozent denn auch das stärkste Wachstum der Branche. Mit den Titeln wurden 24 Mio. Euro umgesetzt. Allerdings sei auch hier der Absatz gesunken, und zwar um sieben Prozent auf 10,2 Millionen Stück. „Das erste Halbjahr 2013 war durchwachsen, aber grundsätzlich wurde schon immer in der zweiten Jahreshälfte mehr Umsatz und Absatz als in den ersten sechs Monaten erzielt“, meldet BIU.
Weltweit wurde 2012 ein Umsatz von 63 Milliarden $ erzielt, davon hat Österreich einen Anteil von 185 Mio €, Deutschland 1,5 Milliarden €, d.h. Österreich hat (grob geschätzt) die Nase vorne.
Was bedeutet das?
Und damit meine ich nicht, dass so viele Menschen für elektronische Spiele so viel Geld ausgeben, wenn gleichzeitig über stets steigende Nahrungsmittelpreise gejammert bzw. geschimpft wird.
Nein, ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass viele der Spieler sich aus dem richtigen Leben zurückziehen, ihre Freunde im Spiel suchen und finden und fast andere Identitäten annehmen.
Man könnte auch sagen, sie verfallen einer Sucht, der Computerspielsucht, auch Videospielsucht genannt, wird als Sucht der Unterform der Verhaltenssüchte zugeordnet, die aus der zwanghaften Nutzung von Computer- und Videospielen besteht. Computerspielsucht kann als Krankheit angesehen werden, weil sie die Freiheitsgrade des Betroffenen einengt und dadurch ein Freiheitsverzicht sowie –verlust resultiert. Besonders beachtenswert sind hierbei Online-Rollenspiele, in denen sich sehr viele Spieler zur gleichen Zeit aufhalten (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game, MMORPG). Ungeklärt ist, ob exzessives Nutzen von Computerspielen als Krankheit im Sinne von Missbrauch und Abhängigkeit gelten kann.
Offenbar gibt es eine gewisse Uneinigkeit, Unsicherheit, wann genau man von Internetsucht spricht. Besuche in sozialen Netzwerken und Chatforen, Computerspiele und Online-Einkäufe sind ja keineswegs per se gefährlich, sondern können den Alltag entlasten. Aber was ist, wenn das Ausmaß dieser Besuche exzessiv ansteigt?
Aus der Studie über das Internetsuchtverhalten von europäischen Jugendlichen
Definition Internetsuchtverhalten ist ein dysfunktionales Verhaltensmuster,
welches sich durch wiederholten Kontrollverlust in Bezug auf die Internetnutzung charakterisieren lässt. Dieses Verhalten kann zur Vernachlässigung verschiedener Lebensbereiche (z. B. sozialer Kontakte, ausbildungsbezogener Belange, Freizeitaktivitäten), zu sozialer Isolation sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.
Klare Aussagen zum Internetsuchtverhalten (IAB) in Europa lassen sich anhand der Projektergebnisse schlagwortartig wie folgt zusammenführen:
- Internetsucht unter Jugendlichen in Europa ist kein seltenes Phänomen (1,2% Betroffene, gefährdet: 12,7%).
- Internetsucht kommt insbesondere unter intensiven Nutzern von sozialen Netzwerken und Online-Computerspielen vor.
- Ein klarer Zusammenhang mit dem Bildungsgrad oder der beruflichen Situation der Eltern und dem Auftreten von Computerspielsucht konnte nicht nachgewiesen werden.
- Selbstregulation und eine Motivation zur Nutzungsmusteränderung sind protektiver Faktoren für den Schutz vor problematischem bis abhängigem Internetnutzungsverhalten bei Jugendlichen.
- Kinder mit Computerspielsucht kommen häufiger aus Scheidungsfamilien 23.0% (Broken-Home-Kontext) verglichen mit 14.7% der unauffäl-ligen Spielnutzer.
- Internetsüchtige Jugendliche weisen in sozialer Kompetenz, akademischer Leistung und Freizeitgestaltung/ Freizeitaktivitäten ausgeprägte Defizite auf.
- Internetsüchtige Jugendliche weisen eine hohe psychische Symptombelastung, z. B. bei Ängstlichkeit / Depressivität, aggressivem Verhalten, sozialen Problemen, Aufmerksamkeitsproblemen, dissozialem Verhalten, sozialem Rückzug und körperlichen Beschwerden auf.
- Mit dem empirisch abgeleiteten „Modell der Vier“ können Nutzer mit problematischem bis abhängigem Internetnutzungsverhalten erkannt werden. Diese Anhaltspunkte stehen für die Beurteilung einen möglichen (problematischen) Verlauf des individuellen Nutzungsmusters zur Verfügung. Das „Modell der Vier“ unterscheidet hier die Typen „Stuck Online“, „Juggling it all“, „Coming full cycle“ und „Killing boredom“.
- In Spanien, Rumänien und Polen sind höhere Prävalenzen von dysfunktionalem Internetverhalten (DIB), d. h. Internetsuchtverhalten bzw. Risiko für Internetsuchtverhalten, festzustellen, während sich in Deutschland und Island die geringsten Raten finden.
- Das psychologische Wohlbefinden ist bei DIB geringer. Generell ist festzustellen, dass die Nutzung von Glücksspielen, sozialen Netzwerken und Computerspielen eng mit einem dysfunktionalen Internetverhalten (DIB) verbunden ist, während das Ansehen von Videos und Filmen weniger mit einem DIB zusammenhängt. Hausaufgaben machen und Recherchieren sind keinesfalls mit einem problematischen Internetverhalten verbunden. Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen nutzt das Internet zu Recherchezwecken für Hausaufgaben, was klar als funktionales Verhalten verstanden werden kann.
Drei Beispiele von Aussagen der befragten Jugendlichen::
„Nun, ich sollte mehr rausgehen. Draußen sein, schwimmen gehen oder Ähnliches. Ich war seit zwei Jahren nicht mehr schwimmen.
Ich war seit über vier Monaten nicht mehr abends mit meinem Freund weg, solche Dinge vernachlässigt man.“ (Junge, 16 Jahre)
„Weil ich so beschäftigt bin und viel Zeit im Internet verbringe. Dadurch ist es schwierig, alles auf die Reihe zu bekommen, aber ich bekomme es schon hin.“ (Mädchen, 15 Jahre)
„Nun, es kümmert mich wirklich nicht. Ich schlage nur die Zeit tot. Mir ist so langweilig…“ (Junge, 17 Jahre)
– Offlineleben wird als „langweilig“ wahrgenommen
– fehlende alternative Interessen
– Onlineengagement liefert einen komfortablen Zeitfüller
– eine automatisierte Reaktion auf Langeweile
Das Problem bei allen Computersüchtigen: Die Betroffenen verdrängen und vergessen das reale Leben und flüchten in eine alternative virtuelle Welt. Glücklich und zufrieden werden sie nur während des Spiels. „Dabei aber brauchen sie eine immer höhere Dosis an Computerspielen, um die gleiche Wirkung zu erzielen“, erklärt Dipl.-Psych. Kai Müller von der Ambulanz für Spielsucht an der Uni Mainz. „Und bei einer Unterbrechung werden die Betroffenen unruhig, nervös, unzufrieden, gereizt und aggressiv.“
Für betroffene Eltern wurde ein Hilfsportal ins Leben gerufen: http://www.rollenspielsucht.de/ – W A R U M D I E S E I N T E R N E T S E I T E ? Sie hatten ihren Sohn ans Internet, an World of Warcraft verloren.
Du denkst, du hast schon alles gesehen? Dann erlebe das weltweit größte Messe- und Eventhighlight für interaktive Spiele in Köln. Entdecke die neuesten und besten Games, probiere alles aus und feiere das Highlight des Jahres der Games-Community – so wirbt die weltweit größte Messer auf ihrer Homepage, die Folgeschäden tragen die Eltern.
Und wie viele Eltern haben ihre Kinder im World Wide Web verloren? Die Dunkelziffer dürfte erschreckend sein.
Netzfrau Lisa Natterer
Gulag – Straflager – oder einfach durch die Kinder- und Jugendfürsorge „betreut“ und verwahrt?