Täglich werden Journalisten und Blogger angegriffen und eingeschüchtert, um sie zu begrenzen und Medien gleichzuschalten.
Das Recht auf Meinungsfreiheit und auf Information ist ein universeller Bestandteil in der Erklärung der Menschenrechte.
Alle Journalisten, in allen Bereichen der Medien, müssen ihre Arbeit machen können. Wenn es nicht gefährlich ist, seine Stimme zu erheben, profitiert die ganze Welt.
Vergangene Woche sprach Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger mit EU-Abgeordneten über das US-Spionageprogramm Prism. „Bitte findet Wege, um den Journalismus zu schützen“, forderte er gegenüber den EU-Parlamentariern des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres per Videolink.
Die britische Zeitung hatte mehrere Berichte über elektronische Überwachungsmaßnahmen der Regierung veröffentlicht. Zur Verfügung gestellt wurden die Informationen von Edward Snowden, einem ehemaligen Mitarbeiter beim US-Sicherheitsdienst NSA.
Der britische Geheimdienst hatte zwischenzeitlich beim Guardian Festplatten mit Informationen von Snowden zerstört. Zudem war vor Kurzem David Miranda auf dem Flughafen Heathrow in Gewahrsam genommen und waren seine elektronischen Geräte beschlagnahmt worden. Er ist der Partner von Guardian-Journalist Glenn Greenwald, der die Affäre an die Öffentlichkeit gebracht hatte.
Und Deutschland?
„Die müssen raus aus Bayern“, soll CSU-Chef Horst Seehofer über ein Journalistenteam des WDR gesagt habe. Was war passiert: Der Herr Seehofer hatte sich wiedermal abfällig gegen Journalisten geäußert und wollte am liebsten alle kritischen Journalisten des Landes verweisen. Dazu unser Beitrag Seehofer und die Pressefreiheit – kritische Journalisten sollen raus aus Bayern
Pressefreiheit wird in Deutschland groß geschrieben. Dann frage ich mich, warum stehen wir im Ranking der Pressefreiheit 2013 auf Platz 17 ?
Am 21. September, also einen Tag vor den Bundestagswahlen, verschickt Axel Springer AG erneut eine Gratisausgabe seiner BILD-Zeitung an 40 Millionen deutsche Haushalte zu. Wer die politische Ausrichtung der BILD kennt, ahnt bereits, dass Springer kurz vor der Wahl massiv Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen will. Schützenhilfe für Angela Merkel ? Dazu unser Beitrag: Welch eine Verschwendung! Am 21.September erhalten 40 Millionen Haushalte kostenlos “Bild zur Wahl” – Bilden Sie sich lieber selber eine Meinung
Und Umfragen? Die werden in den Medien einfach in schier unerträglicher Weise noch weiter “passend gemacht”.
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 sind die Freiheit der Meinung, der Meinungsäußerung und der Presse als grundlegende Menschenrechte festgelegt. Dazu heißt es in Artikel 19: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; Dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
Pressefreiheit in Deutschland:
Das international renommierte Netzwerk Reporter ohne Grenzen (ROG) hat Deutschland um einen Platz auf Rang 17 herabgestuft. Problematisch sei vor allem die „abnehmende Vielfalt der Presse“ in Deutschland. Aus Geldmangel würden immer weniger Zeitungen mit eigener Vollredaktion arbeiten, mehrere Redaktionen seien 2012 komplett geschlossen worden. Mit Sorge beobachte ROG außerdem „die Diskussionen um ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und Drohungen radikaler Gruppen gegen kritische Berichterstatter“.
Aber auch um Österreich ist es nicht besser gestellt:
Grund für das schlechtere Abscheiden Österreichs ist laut ROG die „zunehmend schwierige ökonomische Lage von Qualitätsmedien sowie der wirtschaftliche Druck, dem Redaktionen und Journalisten ausgesetzt sind.“ Hinzu komme eine „Presseförderung und Anzeigenpolitik, die vornehmlich marktorientiert ist“ sowie „Versuche seitens der Politik, durch gezielte Postenbesetzung im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF ihren Einfluss geltend zu machen“, so Reporter ohne Grenzen in ihrem Bericht.
Pressefreiheit – Berichterstattung ökonomisch abhängig?!?
Das ist ja, als ginge ich zu einem Arzt meines Vertrauens und er mir ein Medikament gäbe und sich entschuldigte mit den Worten
„Sorry, aber ich verschreibe dir diese Tabletten, da dieser Pharmakonzern uns mehr Geld dafür gibt!“
Vielleicht hinkt der Vergleich, aber so muss man es doch schon sehen. Bestimmen andere Faktoren, wie Geld für Werbung jetzt die Berichterstattung beeinflusst, oder haben sogar Politiker eine Einflussnahme darauf, was uns über Ereignisse mitgeteilt werden darf?
Auch im Mai wurde uns im Fall „March against Monsanto“ deutlich, dass es eine objektive Berichterstattung nicht mehr gibt. Entweder werden solche großen Ereignisse verschwiegen oder einfach die Zahlen der Demonstranten weit untertrieben. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, in der Schweiz, in den USA und in vielen anderen Ländern.
Wenn man sich die damalige Stellungnahme der Tagesschau genau durchliest, dann hat man die Antwort gleich gefunden. So teilte Thomas Hinrichs, zweiter Chefredakteur von ARD, nach heftiger Kritik wegen Nicht-Berichterstattung mit:
„Es ist legitim und auch verständlich, dass sich Personenkreise bestimmten Themen besonders verbunden fühlen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind so ein Thema, das polarisiert. Auch bei uns in der Redaktion gibt es naturgemäß Gegner und Befürworter einer Vorgehensweise, die Gentechnik forcieren bzw. einschränken will. Auf die redaktionelle Arbeit darf das keinen unmittelbaren Einfluss haben. Es hängt nicht davon ab, wer gerade Dienst hat, wenn es um die Einschätzung der Nachrichtenlage eines Tages geht. Wir legen unsere, d.h. Tagesschau-Kriterien an, die sich über Jahrzehnte bewährt haben und von größtmöglicher Objektivität und Seriosität gekennzeichnet sind.“
Frage: Warum schrieb Herr Hinrichs eine Stellungnahme, mit dem Wortlaut: „Auf die redaktionelle Arbeit darf das keinen unmittelbaren Einfluss haben.“ In unserer Kritik ging es nicht darum, ob die Tagesschau Mitarbeiter hat, die Pro- oder Contra der Gentechnik gegenüberstehen, geschweige denn, dass wir vermuten könnten, dass gerade nun zu dem Zeitpunkt ein Mitarbeiter aus den Gründen auf eine Berichterstattung verzichtet hätte, weil er Pro-Gentechnik sei.
Aber interessant, das zu erfahren, und dass es keinerlei Einfluss haben darf, aber vielleicht könnte, nun ja, das sei jedem dahingestellt, wie es interpretiert wird.
Zur Erinnerung: Weil am 28. 09. 2012 weder in der Tagesschau noch in den Tagesthemen über die heftigen Proteste in Spanien berichtet worden war, erging über die Facebook-Seite der Tagesschau ein Shitstorm der Entrüstung.
„Kein Wort zu Spanien. Die Tagesschau verschweigt die Realität und verfälscht die Geschichte“, schrieb ein User. „Hört auf, uns zu belügen und für dumm zu verkaufen, werdet eurem Auftrag gerecht und berichtet“, schrieb ein anderer. Nach 1500 Kommentaren versuchte die Tagesschau, Ruhe hineinzubekommen.
Stellungnahme von der ARD-aktuell-Chefredaktion 26. September 2012
„…Unsere Arbeit am gestrigen Abend aber entsprach unserem täglichen, tausendfach wiederholten Muster. Anders als viele Mitbewerber haben wir ein Studio in Madrid. Unser Studio war vor Ort und hat gedreht. Das Thema stand daher auf der Agenda und wurde folglich in unser bewährtes Relevanzraster eingefügt. Wir müssen dabei die ganze Welt im Blick haben und abwägen und haben uns nach Abwägung aller nachrichtlichen Kriterien in den verkürzten Tagesthemen am Dienstag für die Wasserschlacht zwischen taiwanesischen und japanischen Schiffen entschieden. Das Relevanzraster wird permanent überprüft mit Blick auf eine veränderte Lage an den Schauplätzen der Geschehnisse. Am sehr späten Abend eskalierten die Ausschreitungen in Madrid großflächiger. Im Nachtmagazin sah man folglich erste Bilder, in der Tagesschau um zwölf hatten wir einen Korrespondentenbericht.“
Damals hatte man sich für das Thema: „Wasserschlacht zwischen taiwanesischen und japanischen Schiffen entschieden“, das dürfte die Wenigsten überhaupt interessiert haben. Wichtiger wäre es doch für uns GEZ-Gebührenzahler gewesen zu erfahren, was in Europa, speziell an dem Tag in Spanien passierte.
Die Themen der Tagesschau am 25. 05. 2013 20 Uhr
Hinweise auf Anschlagspläne in Deutschland, Champions-League-Finale in London, Fußball-Fans feiern in Deutschland, Bundestagung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, 50 Jahre Afrikanische Union, Weiter Ausschreitungen in Schweden, Kein Verfahren gegen Lagarde, 20 Jahre Brandanschläge von Solingen, Gotthard Graubner gestorben, das Wetter
Aus der Stellungnahme von Thomas Hinrichs: „Der Aktionstag der Anti-Monsanto-Initiative hatte durchaus Chancen, in die Sendung zu kommen. Wir müssen aber jeden Tag für sich beurteilen und verschiedene Themen gegeneinander abwägen. Ein paar hundert Demonstranten in ein paar deutschen Städten reichten am Ende nicht, um in der Relevanzabwägung zu den wichtigsten Themen des Tages zu gehören. Zu mehr haben wir leider keinen Platz.“
An diesem 25. 05. 2013 haben weltweit Menschen gezeigt, dass NUR(!) über das Internet eine weltweite Bewegung stattfinden kann, und ich möchte betonen: Hätten die Presse und ebenso die Medien, denen wir ja angeblich als Gebührenzahler so wichtig sind, schon im Vorfeld über diese weltweit stattfinde Demonstration gegen genmanipulierte Lebensmitteln berichtet, so wären mehr Menschen auf die Straße gegangen.
Herr Hinrichs erwähnte den geschätzten und leider verstorbenen Hanns Joachim Friedrichs. Zur Info:
Denn was viele, die Friedrichs berühmten Satz heute gerne zitieren, nicht wissen: Herr Friedrichs drehte zahlreiche Naturfilme, mit denen er die Menschen für ihre Umwelt sensibilisieren wollte. So sagte er in seinem letzten Interview im
SPIEGEL vom 27. März 1995 zu seinen Naturfilmen “Wunderbare Welt” : „Die Sendung hat eine grüne Botschaft: Wenn der Mensch sich weiter so bemüht, dann kriegt er das auch noch kaputt. Zum Beispiel der letzte Film, der über Biber. Das war kein reiner Tierfilm. Der Biber ist der Architekt unter den Tieren. Der plant, der baut und sorgt dafür, dass er über den Winter kommt. Das wird gezeigt, ganz klein, ganz genau. Ein wunderbarer Film. Nicht diese Elefanten und Löwen und Tiger sind die Stars, sondern so ein kleines Puscheltierchen, der Biber.”
Der gute alte Hajo Friedrichs wollte also selber mit seinen Berichten etwas bewegen. Er vertrat, wenn man so will, seine eigene Agenda.
Muss man sich nicht inzwischen fragen, ob es nicht mehr denn je Journalisten braucht, die eine Haltung zu bestimmten Themen einnehmen und diese auch verteidigen? Die also durchaus eine eigene Agenda haben? Ganz ehrlich: Mir persönlich reicht die Einordnung eines Themas alleine schon lange nicht mehr aus.
Glaubwürdigkeit definiert sich nicht länger nur über (Schein)-Objektivität, sondern vor allem über Transparenz. Und wem es nicht passt, kann im Notfall immer noch umblättern (weiterklicken, wegzappen, ausschalten).
Hanns Joachim Friedrichs wollte wie wir etwas bewegen, er sagte: „Nicht diese Elefanten und Löwen und Tiger sind die Stars, sondern so ein kleines Puscheltierchen, der Biber.”
In diesem Fall waren wir die Biber.
Journalismus als einziger Weg
„Journalismus ist der einzige Weg, diese Debatte zu führen. Eine Debatte, von der jeder sagt, dass sie jetzt notwendig ist. Die Regierungen selbst werden diese jedoch niemals fördern, genauso wenig wie die Geheimdienste“, sagte Rusbridger. Die Abgeordneten bereiten bis zum Ende des Jahres einen Bericht zum Thema vor.
Zu der aktuellen Situation in den USA: Watergate lässt grüßen:
US-Journalisten der Nachrichtenagentur Associated Press waren entsetzt über das Justizministerium. Zwei Monate lang bespitzelten die Behörde im vergangenen Jahr rund 100 Mitarbeiter der Agentur. Anfang 2012 soll das US-Justizministerium zwei Monate lang 20 Telefone mehrerer Büros und Journalisten abgehört haben, darunter auch Handys und Privatanschlüsse.
Also, nicht nur ”The Guardian” wird unter Druck gesetzt, nein, auch in den USA werden Journalisten bespitzelt. Vor Jahren wäre so ein Skandal die Chance für die Journalisten gewesen, aktuell lassen sie es einfach vorbei huschen.
Demokratie = Pressefreiheit
Wo nicht unabhängig berichtet werden darf und wo Menschen ihre Meinung nicht frei äußern können, werden auch andere Menschenrechte verletzt. Daher ist die Freiheit zu informieren und informiert zu werden stets auch ein zuverlässiger Gradmesser für die Achtung der universell gültigen Menschenrechte in einem Land.
Pressefreiheit – Berichterstattung ökonomisch abhängig?!?
Liebe Kollegen Journalisten, ich wünsche mir von Ihnen für die Zukunft eine anders gewichtete und ausgewogenere Berichterstattung.
Weiterhin erlaube ich mir, konstruktive Kritik auszuüben.
Und ich halte es wie Hanns Joachim Friedrichs:
„Mit Qualität hat man immer Erfolg; Leider funktioniert es manchmal auch ohne Qualität.“
..aber dann doch lieber mit Qualität.
Und ich schließe mit den Worten von Alfred Polgar:
„Die Presse hat auch die Aufgabe, das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.“
Netzfrau Doro Schreier
Rangliste der Pressefreiheit 2013 http://www.reporter-ohne-grenzen.de/ranglisten/rangliste-2013/
1 Finnland 0 (1)
2 Niederlande +1 (3)
3 Norwegen -2 (1)
…
12 Österreich ( 7 Plätze gegenüber 2012 verloren!)
14 Schweiz (-6 Plätze gegenüber 2012 verloren!)
17 Deutschland (-1 verharrt schon länger auf diesen Plätzen)
28 Portugal +5 (33)
36 Spanien +3 (39)
37 Frankreich +1 (38)
57 Italien +4 (61)
84 Griechenland (-14 Plätze gegenüber 2012 verloren!)
32 Vereinigte Staaten von Amerika +15 (47)
148 Russland -6 (142)
Pingback: Leistungsschutzrecht und Medienmacht – Inselines