Ausbeuterische Geschäftsmodelle, untätige Behörden, mangelnder Brandschutz, die Korruption lokaler Eliten, die Praktiken internationaler Textildiscounter, Beteuerungen – für verbesserte Arbeitsbedingungen zu sorgen und dann von den Zulieferern weitere Rabatte verlangen.
Bangladesch ist nach China weltweit zweitgrößter Produzent von Textilien. Das Zentrum der Produktion befindet sich in Dhaka. Zu Tiefstlöhnen werden Textilien für den Weltmarkt hergestellt. Nach all den Unglücksfällen mit tausenden Toten scheint sich nichts geändert zu haben.
Am Wochenende kamen Zehntausende bengalischer Textil- und Bekleidungsarbeiter in der Hauptstadt Dhaka zusammen, um ihre Rechte einzufordern. Eine Hauptforderung: den aktuellen Monatslohn von 3000 Taka (28,50 Euro) auf 8000 Taka (76 Euro) zu erhöhen.
Mehr als hundert Fabriken, die Kleidung für westliche Konzerne produzieren, mussten für den Tag schließen. Sie produzieren vornehmlich für westliche Auftraggeber. Um möglichst billig produzieren zu können, pferchen die Betreiber Arbeiterinnen und Arbeiter oft auf engstem Raum zu Hunderten zusammen.
Arbeitsbedingungen haben sich nicht geändert
Trotz der jüngsten Unglücksfälle und Versprechen der Auftraggeber und Hersteller, die derzeitige Situation zu verbessern, scheint sich nicht viel verändert zu haben. Wie die neueste Panorama-Reportage der BBC “Dying for a Bargain” sind die Arbeitsbedingungen genauso schlecht wie vor Tazreen Fashions, Rana Plaza & Co.: Ausgänge sind immer noch abgeschlossen und 19-Stunden-Schichten sind eher die Regel als eine Ausnahme.
Was sich verändert hat, ist vielleicht die Sorgfalt, mit der diese Tatsachen vor den internationalen Auftraggebern verborgen werden. Einem Panorama-Reporter, der erst verdeckt vor den Werktoren recherchierte und dann als Einkäufer die Fabrik besuchte, fand heraus, dass gerade 150 000 Paar Jeanshosen und Latzhosen für Lidl gefertigt wurden. Die Arbeitszeitnachweise zeigten, dass die Schicht eines Arbeiters erst nach zehn Stunden endet.
Während Lidl sagte, über die Situation ‘beunruhigt’ zu sein, fanden die BBC-Reporter auch Beweise in anderen Fabriken, die für Gap und H&M Bekleidung herstellen, dass Arbeiter 15-Stunden-Schichten arbeiten. Offiziell müssen sich alle Zulieferer an die Verhaltenskodizes der Auftraggeber halten, aber wie H&M zugab, bleibt gerade das Thema Überstunden “eine große Herausforderung”. Laut Aussagen der Arbeiter sieht die Realität aber ganz anders aus: Sie arbeiten 19-Stunden-Schichten von 7 Uhr morgens bis 2:30 Uhr nachts, die sich negativ auf Stimmung und Gesundheit auswirken. Zudem verdienen sie pro Schicht nur etwa 250 Taka (2,37 Euro).
Unglücksfälle: „Nähen, bis es brennt“
November 2012: Produktion für KiK und C&A – Etwa 1000 Menschen befanden sich in einer Textilfabrik in Bangladesch, als dort ein Großbrand ausbrach. Mindestens 115 Menschen starben.
.Wir erinnern uns, am 24. April war in Savar ein achtstöckiges Gebäude, in dem sich mehrere Textilfabriken befanden, in sich zusammengestürzt – über 1100 Tote waren zu beklagen.
Im Mai gab es erneut Tote bei einem Brand in Dhaka und über viele Unglücksfälle werden wir nie etwas erfahren, da es lieber unter den Teppich gekehrt wird.
Sie verdienen kaum 20 Euro pro Monat und stellen Kleidung für den Westen her. In Bangladesch arbeiten vier Millionen Textil- und Bekleidungsarbeiter in Textilfabriken.
Bangladesch ist nach China weltweit zweitgrößter Produzent von Textilien. Das Zentrum der Produktion befindet sich in Dhaka. Zu Tiefstlöhnen werden Textilien für den Weltmarkt hergestellt.
Viele westliche Markenfirmen lassen billig in Bangladesch produzieren, ohne wirklich die Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitsbedingungen zu überprüfen. Sie stellen sich mit Sicherheitszertifikaten zufrieden, die von den Fabrikbesitzern gekauft wurden, um die Auftraggeber zufriedenzustellen.
Firmen wie: C&A, H&M, KiK , NKD, Hugo Biss, Cesil, Esprit und viele andere, egal ob Edelmarken oder „Billigware“ – Produziert wird oft in den gleichen Gebäuden unter menschenunwürdigen Zuständen.
Das „Welthemd“ ?
Das „Welthemd“ ist ein unscheinbares Kleidungsstück: Es ist weiß, hat einen kleinen Rundkragen und liegt ziemlich sicher bei ziemlich vielen Menschen im Kleiderschrank: das Standard-T-Shirt von der schwedischen Textilkette H&M. Das gute Stück ist außerdem ein Kosmopolit. Die Baumwolle dafür wird in den Vereinigten Staaten angebaut, genäht wird es in Bangladesch und am Ende liegt es in Hamburg ebenso in den Regalen wie in Wien und Stockholm. Der Preis in Deutschland und Österreich: 5 Euro. Ziemlich billig also. Aber nicht nur das. H&M heftet sich auch auf die Fahnen, dass es dem Konzern nicht egal ist, unter welchen Bedingungen „das Fähnchen“ hergestellt wird. Über 80 Seiten umfasst der Nachhaltigkeitsbericht, und auf der Homepage gibt es vielversprechende Häppchen dessen, worauf man Wert legt:
Gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung – wir sind die Guten, lautet die Botschaft. Doch auch hier wurde man fündig. Wie die Nachrichtenagentur TT berichtete, heißt es darin, dass kambodschanische Fabrikarbeiter, die Kleidung für den Konzern fertigten, monatlich umgerechnet lediglich etwa 58 Euro erhalten – bei einer 70-Stunden-Woche. Die Arbeiter erhielten so wenig Lohn, dass sie sich selbst für den Kauf von Lebensmitteln Geld leihen müssten.
Erstmals in der Kritik stand der Konzern 2007, weil Baumwolle aus Usbekistan verwendet wurde, die nachweislich auch von Kindern gepflückt wird. Ausbeutung bei einem Jahresumsatz in Milliardenhöhe?
- Jahresumsatz 2012: 16,19 Milliarden Euro
- Mitarbeiter: rund 104 000
- Filialen: 2800
- Tätig in: 49 Ländern
Aber auch bei C&A sieht es nicht anders aus:
C&A: Die C&A Mode GmbH ist ein Bekleidungsunternehmen mit Sitz in Brüssel und Düsseldorf und wurde 1841 von der Familie Brenninkmeijer gegründet. Im 2001 publizierten Schwarzbuch Markenfirmen wird C&A „Ausbeutung, sexuelle Belästigung und andere Missstände in Zulieferbetrieben“ vorgeworfen. Im November 2010 erscheint ein Fernsehbericht darüber, dass der Konzern in „Sweatshops“ in Großbritannien produzieren lässt.
Beim Brand der Tazreenfabrik, die für C&A produziert hat, kamen im November 2012 mehr als hundert Menschen ums Leben, weil Notausgänge und Fenster zum Teil vergittert waren. Der Konzern erklärte, zusammen mit KiK und El Corte Inglés, ein Entschädigungspaket zu unterstützen.
- Jahresumsatz 2011/2012: 6,8 Milliarden Euro
- Mitarbeiter: rund 36 000
- Filialen: 1500
- Tätig in: 20 Ländern
Und dann ist da noch KIK – wir erinnern uns an Die KiK-Story – die miesen Methoden des Textildiscounters. KiK klagte gegen die Ausstrahlung – und verlor.
Kik ist Deutschlands größte Textildiscounter-Kette, gehört zur Unternehmensgruppe Tengelmann und wurde 1994 gegründet. Die Initiative „Clean Clothing“ wirft dem Unternehmen vor, keine Daten zu den Lieferanten in Billiglohnländern zu veröffentlichen, und konnte bisher bei drei Zulieferern massive Arbeitsrechtsverletzungen nachweisen. Im September 2012 kam es in einer Fabrik in Pakistan, die für KIK produzierte, zu einem Brand mit mehr als 250 Toten
- Jahresumsatz 2011: 1,69 Milliarden Euro
- Mitarbeiter: rund 21 000
- Filialen: 3200
- Tätig in: 8 Ländern
Die internationale Textilbranche hat sich zu mehr Sicherheit in den Fabriken Bangladeschs verpflichtet. Die Realtiät sieht anders aus:
Die aktuellen Katastrophen in den Bekleidungsfabriken in Bangladesch haben bei westlichen Einzelhändlern nun ein schlechtes Gewissen ausgelöst. Ein richtungsweisendes Abkommen sollte für mehr Sicherheit in den Sweatshops des Landes sorgen. Angesichts der Fabrikeinstürze und der Tatsache, dass mehr als 2000 Menschen in Bangladesch ihr Leben verloren haben und in diesem Sektor 4 Millionen Menschen in 4000 Fabriken beschäftigt sind, verpuffen die Versprechungen und auf die versprochenen Entschädigungen wartet man vergebens.
Entschädigung der Opfer von Bangladeschs Textilfabriken
Adler Modemärkte, Benetton, Mango, Inditex (Zara), NKD, Kids Fashion Group, Güldenpfennig und viele andere Unternehmen zeigen den Opfern der Unfälle bei Tazreen Fashions und Rana Plaza die kalte Schulter. C&A und KiK kamen jeweils nur einen Tag, obwohl sie in beiden Gebäuden haben produzieren lassen.
Die Kampagne für Saubere Kleidung wird den öffentlichen Druck nun erhöhen, sodass den Opfern endlich Gerechtigkeit widerfährt.
Schlussendlich verhandelten elf Unternehmen am 11. und 12. September in Genf über Entschädigungszahlungen. Viele Firmen zogen sich aus der Verantwortung und verweigerten die Teilnahme an den Verhandlungen. Sie zeigten den Familien der über 1200 Toten und den rund 1900 Verletzten, die für diese Unternehmen die Waren fertigten, die kalte Schulter.
Zu den Verhandlungen um Rana Plaza waren 29 Unternehmen eingeladen. Nur neun Firmen kamen: Bon Marché, Camaieu, El Corte Ingles, KiK, Loblaw, Mascot, Matalan, Primark, Store Twenty One.
Diese 19 anderen Unternehmen blieben dem Verhandlungstisch fern: Adler Modemärkte, Auchan, Benetton, C&A, Carrefour, Cato Corp, The Children’s Place, Dressbarn, Essenza, Gueldenpfennig, Iconix Brand, Inditex, JC Penney, Kids Fashion Group, LPP, Mango, Manifattura Corona, NKD, Premier Clothing, PWT Group, Texman and Walmart.
Die Betroffenen des Brandes bei Tazreen Fashions im November 2012 und des Einsturzes des Rana Plaza-Gebäudes stehen immer noch im Regen. Vielerorts tatsächlich, denn da in vielen Familien die Ernährer ausfallen, haben sie nicht einmal genug Geld für eine Unterkunft.
Kampagne für Saubere Kleidung fordert volle Entschädigung für die Überlebenden und Hinterbliebenen der Todesopfer von Ali Enterprises! Das Warten muss ein Ende haben!
Die Karavane zieht weiter: Mode Made in Afrika
Afrika will das neue Textil-Zentrum werden!
Die meisten Textil- und Modewaren, die von den Deutschen getragen werden, stammen heutzutage überwiegend aus der Türkei, Kambodscha, Vietnam und Bangladesch. Vielleicht ist das nicht mehr lange so. Der weltweit größte Textil- und Modehersteller Inditex hat Afrika bereits entdeckt. Ein Trend?
Überall entlang Afrikas Atlantikküste schwenken Kleidungsproduzenten von traditioneller afrikanischer Kleidung auf OP-Kittel, Schürzen und Laborkittel um. Grund für den Wandel: Globale Unternehmen schätzen die billigen, englischsprechenden Arbeiter ebenso wie Häfen, die per Schiff von der US-Ostküste zehn Tage schneller zu erreichen sind als die asiatischen Fabriken. Gründe: Kürzere Transportwege, und Billiglöhne.
Textilerkunder fahren nach Westafrika, nachdem Staaten wie Indien, Malaysia, Thailand und China die Mindestlöhne erhöht haben. Die Löhne in China sind allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres um 10 Prozent gestiegen, was die Margen der Großhändler sinken lässt, so die Investmentbank Standard Chartered.
Ein Näher verdient 100 Dollar im Monat. Das ist ein Drittel dessen, was Näherinnen in einigen Teilen Chinas erwarten, so die Weltbank. Doch Afrikas Kleidungsindustrie wird durch Stromausfälle belastet, welche die Nähmaschinen immer wieder in Zwangspausen schicken.
T-Shirts von Calvin Klein, Jeans von Levi’s oder Unterhosen von Walmart: Seit Jahren schon produzieren Afrikas Textilfabriken für große amerikanische Mode-Labels oder Kaufhäuser. Den US-Textil-Markt beherrschen zwar nach wie vor die Asiaten, doch preislich können die Afrikaner inzwischen mit den Billig-Lieferanten Schritt halten – dank einer Klausel im US-Handelsgesetz AGOA („African Growth and Opportunity Act“). Sie erlaubt es den Afrikanern, günstige Stoffe und Garne aus Drittstaaten wie China oder Indien einzuführen und sie für den amerikanischen Markt weiterzuverarbeiten – zu Jeans etwa, Bettwäsche oder T-Shirts.
Wal-Mart kaufte in diesem Jahr mehr als eine halbe Millionen OP-Kittel von Lucky 1888 Mills Liberty & Justice, einer nachhaltig wirtschaftenden Entwicklungsgesellschaft aus Ghana, die rund 350 000 Hosen pro Monat für den US-Markt herstellt. Im benachbarten Liberia stellt Liberty & Justice Stofftaschen für den Schokoladenhersteller Godiva Chocolatier her.
Itochu Prominents USA, eine Sparte der japanischen Firma Itochu, will in den kommenden drei Jahren bis zu 50 Millionen US-Dollar (ca. 38,4 Millionen Euro) in Anzughemden und Hosen aus Ghana investieren. Der größte Teil davon soll bei der US-Supermarktkette Wal-Mart verkauft werden.
Es ist notwendig, einzelne Akteure zur Rechenschaft zu ziehen: profitgierige Geschäftsleute, korrupte Beamten, skrupellose Discounter. Sie alle aber sind letztlich nur Ausdruck dafür, was für alle Akteure ganz selbstverständlich zu sein scheint – so billig wie möglich – das ist das eigentliche Problem. Auch die derzeitige deutsche Entwicklungspolitik gehört dazu. Zwar rühmte sich Minister Niebel stets, bei der Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards zu helfen, doch macht er dann ausgerechnet jene zu Hoffnungsträgern auf einen verbesserten Arbeitsschutz, die das Elend zwangsläufig vorantreiben werden: das private Business.
Und dieses produziert, ohne sich auch nur ansatzweise um die Arbeitsbedingungen zu kümmern, trotz Gewinnspannen von 700 bis 1000 Prozent, auf Kosten der NäherInnen in z. B. Bangladesh.
Laut Panorama – Entwicklungshilfe für Billigproduzenten in Bangladesch – Textildiscounter sollten damit Qualitäts- und Sozialstandards verbessern. Der Textildiscounter NKD, der auch in dem kürzlich in Bangladesch eingestürzten Fabrikgebäude Kleidung produzieren ließ, ist von der Bundesregierung mit Steuermitteln bezuschusst worden. Mit dem Geld sollte NKD nach Recherchen des ARD-Magazins „Panorama“ in dem asiatischen Land Schulungen durchführen, um die Qualitäts- und Sozialstandards in den Zulieferfirmen zu verbessern. Das Unternehmen erhielt 175 000 Euro vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) im Rahmen des Programms develoPPP.de, das die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft organisiert. Aber auch Tchibo und die GIZ arbeiten in einem Pilotprojekt von 2007 bis 2012 zusammen. Die GIZ unterstützt im Auftrag des BMZ die Firmen unter anderem als Berater, „Türöffner“, Ko-Finanzier und Projektmanager. Dieses Konzept trifft auf hohes Interesse in der Privatwirtschaft.
Afrika will das neue Textil-Zentrum werden – Irgendwann gibt’s dann Brandkatastrophe wie in Bangladesch? Fortsetzung folgt.
Netzfrau Doro Schreier