Viele Innenräume, darunter Schulen, Kindergärten und öffentliche Gebäude haben eines gemeinsam: die Belastung mit PCB (Polychlorierte Biphenyle).
Das wird auch weiterhin erfolgreich abgestritten, Sanierungen sind aufwändig und kostspielig und Menschen, die mit diesem Giftstoff belastet sind, stehen auf verlorenem Posten gegenüber öffentlichen Arbeitgebern.
Mit Grenzwerten wird herumgeschoben nach dem Motto „unterschiedliche Grenzwerte – unterschiedliche Interessen“, sie werden nach Bedarf „angepasst“. Die Verantwortlichen samt ihrer „Experten“ betreiben weiterhin ihre Verdummungspolitik, die mit Erfolg schamlos auf Kosten der Betroffenen ausgetragen wird.
Einsatzbereich von PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind der Familie der chlorierten Kohlenwasserstoffe zuzuordnen. Sie leiten sich ab vom Biphenyl, indem Wasserstoffatome durch Chlor ersetzt werden.
PCB zählen zu den stabilsten organischen Verbindungen und hatten bis in die 1970er-Jahre eine große Anwendung auf Grund ihrer umfangreichen günstigen Eigenschaften, dazu gehören die preisgünstige Herstellung, Wasserunlöslichkeit, Hitze- und Lichtstabilität, Schwerentflammbarkeit und Feuerfestigkeit, die guten elektrischen Isoliereigenschaften mit hoher Dielektrizitätskonstante, Altersbeständigkeit und chemische Stabilität gegenüber Säuren, Basen und Oxidation, etc.
PCB wurden überwiegend am Bau für das Verfugen von Dehnungsfugen, z. B. im Betonbau und für Fensterfugen eingesetzt, ebenso für geschlossene Systeme wie Kühlmittel, Leuchtstofflampen, als Weichmacher für Kunststoffe, Papierbeschichtungsmittel, in Kitten und PVC-Fußbodenbelägen, (die als Weichmacher PCB enthalten), in Klebstoffen und technischen Ölen, etc. Farben und Lacke werden mit PCB feuersicher und beständiger. Wegen der guten Isoliereigenschaften wurden PCB in der Elektroindustrie in Kondensatoren und Hochspannungs-Transformatoren verwandt.
Bei Hochhäusern aus Betonfertigteilen entstehen zwischen den großen Wandplatten und den tragenden Pfeilern Fugen, die mit einem dauerelastischen Material gefüllt werden müssen. Dieses Fugenmittel enthielt in großen Mengen PCB.
«Für besonders viel Wirbel sorgten die Mengen, die unter dem Markennahmen Thiokol in die Fugen öffentlicher Gebäude gefüllt wurden, was teure Sanierungsmaßnahmen nötig macht».(1)
Verbraucherverhalten, der Giftkrieg und offizielle Grenzwerte
In Deutschland wurde 1983 die PCB-Produktion eingestellt, nachdem bis dahin 23 000 t PCB alleine in offenen Systemen eingesetzt worden waren.(2)
Die Stockholmer Konvention verbot im Mai 2011 den organischen Giftstoff, der längst in Gewässern, im Boden und der Atmosphäre nachweisbar ist, weltweit.
Seit vielen Jahren wird über Grenzwerte diskutiert. Dabei wird herumgeschoben mit einem toxikologisch begründeten Gefahrenwert von 200 ng/m³ für einen Aufenthalt von weniger als sieben Stunden und 70 ng/m³ für einen Aufenthalt von mehr als sieben Stunden in Innenräumen.
Es gibt auch gültige Raumluft-Interventionswerte für Innenräume. Diese sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Beispielsweise wurde 1995 die PCB-Richtlinie in Rheinland-Pfalz eingeführt. Dabei lag der Grenzwert bei 3000 ng/m³ umgerechnet auf die Aufenthaltsdauer. Bei acht Stunden statt 24 Std. wird der Wert um 1/3 reduziert, d. h. der Grenzwert lag bei 9000 ng/m³ für Schulen und Arbeitsplätze.
Laut IFA-Report 1/2013 – Grenzwerteliste 2013 – zur „Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz 2013“ (Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ) gilt für polychlorierte Biphenyle, dass oberhalb des Wertes von 3000 ng/ m³ baldmöglichst saniert werden sollte. Konzentrationen unterhalb von 300 ng/ m³ sind als unbedenklich anzusehen.
Auch andere offizielle Quellen empfehlen, PCB-Konzentrationen über 300 ng/m³ – 3000 Nanogramm pro Kubikmeter Luft zu überprüfen und zu sanieren. Bis die Sanierung erfolgt, sollte durch regelmäßiges Lüften, Entstauben und Reinigen die Raumluftkonzentration von PCB verringert werden.
Sofortiges Handeln ist bei Überschreiten von 3000 Nanogramm/m³ der PCB-Konzentration erforderlich. Allerdings kann das Gebäude, bis es zur Sanierung kommt, weiterhin für acht Stunden am Tag genutzt werden. Die Nutzung eines Gebäudes ab einer PCB-Belastung von über 9000 ng/m³ ist ab sofort zu untersagen.
Übrigens wurde bereits 2002 vom LASI (Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik) für schwangere Arbeitnehmerinnen ein „Vorsorgewert“ – bezogen auf 24 Stunden – von 300 ng/m³ empfohlen.
Was geschieht mit schwachen, durch Krankheiten vorbelasteten und alten Menschen oder Kindern? Wo liegt da die Messlatte der „Experten“?
Der Kieler Toxikologe H. Kruse hält in der Zeitschrift «Öko-Test» von April 1995 (!) eine Luftbelastung mit maximal 10 ng/m³ gerade noch für «annehmbar». Bei höheren Werten würden Babys mit der Muttermilch zuviel PCB aufnehmen und Nervenschäden könnten verursacht werden.
Vom B.A.U.C.H.-Institut wurden Untersuchungen in Hochhaus-Vierteln vorgenommen. Die Analytiker fanden Werte bis über 500 ng/m³, unter anderem in Schulen, Kindergärten und öffentlichen Gebäuden (vier von den untersuchten Schulen sogar mit mehr als 3000 ng/m³!).
In einer Kölner Schule wurden infolge einer Sanierung alle PCB-haltigen Kondensatoren entfernt. Eine anschließende Raumluftmessung in einem Raum zeigte jedoch immer noch eine PCB-Konzentration von 1140 ng/m³. Ursache dieses hohen Wertes waren PCB-haltige Fugenmassen aus einem Zweikomponentengemisch mit dem Weichmacher Clophen 50 (Thiokol).(3) Einige aktuelle Artikel zum Thema PCB-Belastungen im Quellennachweis (s.u.).
Gesundheitsrisiken
PCB sind schwer abbaubar und reichern sich im menschlichen Körper im Fettgewebe an. 1968 sorgte die Reisölkrankheit in Japan von 1000 Menschen für Aufsehen: Das Öl war stark mit PCB verseucht. Die Symptome waren u. a. Sehschwächen, Leberveränderungen, Schwächung des Immunsystems, Erbrechen, allgemeines Schwächegefühl, Haarausfall und Chlorakne. PCB schädigen die Milz und Leber, machen unfruchtbar und stehen unter dem Verdacht, Krebs zu erzeugen.(4)
Nach diesem Vorfall wurde 1972 in Japan ein PCB-Verbot erlassen und 1977 folgte die Einstellung der PCB-Produktion in den USA und in Großbritanien.
Sanierung der Fugendichtungsmasse
Um effektive Sanierungserfolge zu erreichen, müssen sowohl die Primär- als auch die Sekundärquellen beseitigt werden. Die entsprechenden Maßnahmen sollten nur von Fachpersonal vorgenommen werden (Hochgiftigkeit von PCB, hohe Staubentwicklung …).
In jedem Fall müssen die Fugendichtungsmassen komplett entfernt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Betonschichten bis zu 1 cm auch mit PCB belastet sind. Die Fugensanierung erfolgt in drei Schritten: Erst wird die Fugenmasse entfernt, dann werden die angrenzenden Fugenflanken beschichtet bzw. entfernt und anschließend erfolgt die Neuverfugung.(5)
Sanierung von Kleinkondensatoren
Kleinkondensatoren, die PCB enthalten, müssen durch PCB-freie ersetzt werden. Die PCB-Belastung ist durch Stichproben vorher festzustellen und das Austauschen durch Fachpersonal vorzunehmen.
Entfernung von kontaminierten Einrichtungsgegenständen
Die komplette Entfernung aller Primärquellen und Sekundärquellen ist ideal, jedoch mit einem hohen Kostenaufwand verbunden. Die Entfernung von Sekundärquellen innerhalb von Arbeits- und Wohnräumen (Einrichtungsgegenstände, Textilien, Fußbodenbeläge etc.) ist möglich, vorher sollte jedoch sichergestellt sein, dass eine Kontaminierung vorliegt. Im Einzelfall kann entschieden werden, ob die Materialien gegebenenfalls gereinigt werden können. Dabei ist zu beachten, dass Materialien unterschiedlich reagieren und häufig auch nach der ersten Reinigung noch eine erhöhte PCB-Belastung aufweisen können. Auf alle Fälle sollte auch nach solchen Maßnahmen der PCB-Gehalt kontrolliert werden.
Beschichtung von Sekundärquellen
In erster Linie können Mauerwerk-, Beton-, Putz- und Farboberflächen mit absperrenden und adsorbierenden Beschichtungen versehen werden. Bei allen absperrenden Beschichtungen sollte beachtet werden, dass die Rückhaltekapazität produktabhängig variieren kann. Daher sollte vom Hersteller einer Beschichtung auf jeden Fall ein Gutachten eines unabhängigen Institutes gefordert werden, das die Rückhaltekapazität bescheinigt ».
Wird sich in Zukunft etwas ändern?
Solange wir uns diesen Giftkrieg gefallen lassen und durch den Konsum von fragwürdigen Produkten unterstützen, wird sich seitens der Verantwortlichen (Wirtschaft, Wissenschaft, Politik …) nichts ändern.
© 2013 Netzfrau Birgitt Becker
Die nachstehenden Quellenangaben bestätigen, wie „alt“ das PCB-Problem schon ist:
Der Artikel enthält teilweise Textausschnitte aus dem Buch „Bauen-Wohnen-Leben“, Verlag Ecokreis, 1996, ergänzt 2001
Birgitt Becker: Die Fragwürdigkeit von Grenzwerten
(1) PCB im Wohnbereich in «Öko-Test» n.4, 1995.
(2) Schneider, A.: PCB-Chronik in «Wohnung + Gesundheit», n. 68, 1993.
(3) Burkhardt, U. et al.: Innenraumbelastung durch PCB in dauerelastischen Dichtungsmassen, in «Öff.Gesundh.-Wes.», n. 52, 1990.
(4) Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in Publikation Luftverunreinigung in Innenräumen, 1990.
(5) Katalyse e.V.: PCB-Belastung in Gebäuden, Bauverlag, Wiesbaden, Berlin, 1995.
Weitere Artikel zum Thema:
PCB-Belastung in Schulen. Erledigt?
Die Welt, 26.6.2013: „PCB-Belastung in Schulen weiterhin ein Problem“
Giftmüll-Skandal:Envio-Prozess droht zu platzen
Marienschule: Auffallend hohe Rate an Erkrankten
Gießener Anzeiger, 10.8.2013: „Herderschule: Gath sieht Verantwortung bei der Stadt/ Elternbeiratsvorsitzende fordert Untersuchung aller Schüler“