Einige Fakten über Fukushima, die ihr kennen solltet – A Letter to All Young Athletes Who Dream of Coming to Tokyo in 2020
Der japanische Atomkraftgegner und Buchautor Takishi Hirose warnt in einem offenen Brief an alle jungen Athleten vor der wachsenden radioaktiven Belastung Japans und der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio.
Am 7. September 2013 sagte Shinzo Abe, der Premierminister Japans, auf der 125. Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees Folgendes: „Einige könnten sich Sorgen wegen Fukushima machen. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass dort alles unter Kontrolle ist. Von dort ist bisher keine Gefahr für Tokio ausgegangen, und das wird auch so bleiben.“
Diese Aussage wird man sicher als eine der großen Lügen unserer Zeit in Erinnerung behalten. In Japan sprechen viele Menschen jetzt schon von der „größten Lüge“. Das IOC hat sie jedenfalls geglaubt und die olympischen Spiele 2020 an Tokio vergeben. (s. dazu auch http://www.ippnw.ch/aktuell/akw/akiomatsumura-hilferufausjapan )
Sprecher der japanischen Regierung verteidigen Abes Behauptung mit der Begründung, die Strahlenbelastung im Pazifischen Ozean habe den Sicherheitsgrenzwert noch nicht überschritten. (Inzwischen hat Abe selbst um internationale Hilfe gebeten, s. http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/fukushima-shinzo-abe-bittet-erstmals-um-internationale-hilfe-a-926316.html )
Das erinnert mich an den Witz von dem Mann, der von einem zehnstöckigen Gebäude springt, und sich bei jeden Stockwerk, das er passiert, sagt: „So weit, so gut!“
Ihr bedenkt, dass wir über den Pazifik reden, über die größte Wassermasse auf der Erde und – soweit wir wissen – sogar im gesamten Weltall. Die Tokyo Electric Power Company / TEPCO begießt ihre geschmolzenen Reaktoren in Fukushima seit zweieinhalb Jahren ständig mit Wasser, und bis jetzt ist der Pazifische Ozean groß genug gewesen, gewesen, um das verstrahlte Kühlwasser so zu verdünnen, dass die Strahlenbelastung unter dem Sicherheitsgrenzwert geblieben ist. So weit, so gut! Es zeichnet sich aber kein Ende des Bedarfs an Kühlwasser ab.
Es folgen Hinweise auf acht Gefahren, die Ihr kennen solltet:
1. Im Park eines Wohngebietes in Tokio, das 230 km von Fukushima entfernt liegt, war der Boden mit einer Strahlung von 92 335 Becquerel pro Quadratmeter belastet. Das ist ein gefährliches Niveau, vergleichbar mit dem in der Zone 4 bei der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl im Jahr 1986. Der hohe Kontaminierungsgrad in der japanischen Hauptstadt, ist darauf zurückzuführen, dass zwischen Tokio und Fukushima keine Berge liegen, die hoch genug sind, um radioaktive Wolken zurückzuhalten. Die Bewohner der Hauptstadt, denen die Gefahr bewusst ist, versuchen es strikt zu vermeiden, im östlichen Japan erzeugte Nahrungsmittel zu konsumieren.
2. Die Leitungen in den Kernreaktoren 1 – 3 in Fukushima Daiichi (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Fukushima_Daiichi), in denen das Kühlwasser zirkulierte, sind (bei der Tsunami-Katastrophe) gebrochen, was zur Kernschmelze (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Kernschmelze ) führte. Erst überhitzten sich die Kernbrennstäbe und schmolzen und anschließend schmolz alles, was mit dem geschmolzenen Metall in Berührung kam. Das Schmelzgut fraß sich zunächst durch den Boden des Reaktors, dann durch den Betonfußboden des Reaktorgebäudes und sank in den Erdboden ein. Wie oben bereits erwähnt, versuchen TEPCO-Arbeiter seit zweieinhalb Jahren verzweifelt, die Reaktorruinen mit fließendem Wasser zu kühlen; es ist aber nicht bekannt, ob das Wasser den geschmolzenen Kernbrennstoff auch tatsächlich erreicht. Schon ein Erdbeben mittlerer Stärke könnte die stark beschädigten Reaktorgebäude zum Einsturz bringen und total zerstören. Auch in den zweieinhalb Jahren (seit der Katastrophe) wurden in Fukushima immer wieder kleinere Erdbeben registriert. Während ich diesen Brief geschrieben habe, wurde Fukushima wieder von einem Beben mittlerer Stärke heimgesucht, das die Gebäude gerade noch aushielten. So weit, so gut! Besonders gefährlich ist Reaktor 4, bei dem sich ein Abklingbecken mit einer großen Menge (abgebrannter) Brennstäbe befindet, die ein weiteres Desaster hervorrufen könnten. (s. dazu auch http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP14313_250913.pdf und ein aktuelles Interview mit Harvey Wasserman, das aufzurufen ist über http://www.globalresearch.ca/ongoing-nuclear-disaster-at-fukushima-time-for-accountability/5353586 )
3. Das durch die Reaktorruinen geleitete Kühlwasser wird in Japan jetzt als das größte Problem betrachtet. Zeitungen und TV-Sender, die bisher versucht haben, die mit der Kernkraft verbundenen Gefahren herunterzuspielen, berichten jetzt täglich über die (von dem kontaminierten Kühlwasser ausgehende) Bedrohung und kritisieren Shinzo Abe, weil er das IOC angelogen hat. Das Problem besteht vor allem darin, dass das stark verstrahlte Wasser sich auch mit dem Grundwasser vermischt, was nicht verhindert werden kann. So gelangt es auch ins Meer, und es entsteht eine Situation, die unmöglich zu kontrollieren ist. Im August 2013, einen Monat bevor Abe seine Rede vor dem IOC hielt, wurde in der Nähe der Reaktoren in Fukushima Daiichi eine Strahlung von 8500 Mikrosievert pro Stunde (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Sievert_%28Einheit%29 ) gemessen. Das ist genug, um jeden zu töten, der sich dort einen Monat lang aufhält. Das macht es den Arbeitern sehr schwer, es dort länger auszuhalten. In Ohkuma-machi, der Stadt, auf deren Gebiet sich die Kernreaktoren in Daiichi befinden, lag die Strahlung im Juli, zwei Monate vor Abes Rede, bei 320 Mikrosievert pro Stunde. Eine Strahlung dieses Levels würde eine Person in zweieinhalb Jahren töten. Deshalb nimmt die Zahl der (von ihren Einwohnern verlassenen) Geisterorte im Umkreis von mehreren Kilometern ständig zu.
4. Weil die Olympischen Spiele 2020 in Tokio stattfinden sollen, wird in den Meldungen für das Ausland eine wichtige Tatsache verschwiegen. Es wird nur über das kontaminierte Wasser berichtet (das aus lecken Auffangtanks) in der Nähe den Reaktoren im Boden versickert. Das Grundwasser tief im Boden wird aber auch verseucht, fließt über die Grundwasserströme zum Meer, sprudelt dort aus Unterwasserquellen und vermischt sich mit dem Meerwasser. Dagegen kann man jetzt nichts mehr tun.
5. Auf dem großen zentralen Fischmarkt bei Tokio liegt die Strahlenbelastung der Luft mit 0,05 Mikrosievert etwas höher als der Normalwert. Wenn man in diesem Jahr die Strahlung in der Nähe Stelle prüft, wo die Strahlenbelastung der Fische gemessen wird, ist sie aber zwei- bis dreimal so hoch. Gemüse und Fische aus der Region Tokio werden nicht weggeworfen, selbst wenn sie verstrahlt sind. Die japanische Regierung hat den Verstrahlungsgrenzwert für Nahrungsmittel, bei dessen Überschreitung sie nicht mehr verkauft werden dürfen, auf den Grenzwert für schwach radioaktive Abfälle heraufgesetzt. Weil bereits ganz Japan verstrahlt ist, bleibt uns keine andere Wahl, als verstrahlten Müll auf den Esstisch zu bringen. Auch die Verbreitung kontaminierter Nahrungsmittel ist ein Problem. In der Nähe von Fukushima produzierte Nahrungsmittel werden in andere Präfekturen gebracht und dort umetikettiert, um die Käufer zu täuschen. Die von großen Konzernen verbreiteten Lebensmittel werden genau so wenig auf Strahlenbelastung überprüft wie das Essen in teuren Luxusrestaurants.
6. Bei den Strahlungsmessungen seit der Zerstörung der Kernreaktoren in Fukushima Daiichi wird nur radioaktives Cäsium erfasst. Gleichzeitig haben sich aber auch große Mengen von Strontium 90 und Tritium auf ganz Japan verteilt. Von Strontium und Tritium gehen Beta-Strahlen aus, die sehr schwierig zu messen, aber sehr gefährlich sind: Strontium kann Leukämie verursachen, und Tritium kann das Erbgut schädigen.
7. Eine weitere Gefahr wird völlig verdrängt. Um den radioaktiven Fallout zu beseitigen, der auf große Gebiet im Osten Japans niedergegangen ist, wurde die oberste Schicht des Bodens abgekratzt und in Müllsäcke aus Plastik gefüllt. Bereits stark verwitterte Berge dieser Müllsäcke sitzen neben den Feldern und sind starken Regenfällen und Taifunen ausgesetzt. Wenn die Plastiksäcke aufplatzen und das verseuchte Erdreich herausquillt, sind sie nicht mehr zu entfernen.
8. Am 21. September 2013 , als ich gerade dabei war, diesen Brief zu schreiben, zitierte die Zeitung Tokyo Shimbun Naoki Inose, den Gouverneur von Tokio. Der hat auf einer Pressekonferenz gesagt, Abe habe in seiner Rede vor dem IOC nur versprochen, dass man die Situation unter Kontrolle bekommen wolle. Inose fügte hinzu: „Bis jetzt ist sie aber noch nicht unter Kontrolle.“
Das ist eine traurige Botschaft, aber sie beschreibt die gegenwärtige Situation in Japan und in Tokio. Vor der Katastrophe von Fukushima habe ich das japanische Essen und dieses Land geliebt. Aber jetzt …
Ich wünsche euch Gesundheit und ein langes Leben.
Takashi Hirose ist der Autor des Buches „Fukushima Meltdown: The World’s First Earthquake-Tsunami-Nuclear Disaster“ (Die Kernschmelze in Fukushima: Das erste von einem Erdbeben und einem Tsunami ausgelöste nukleare Desaster), das 2011 erschienen ist und über amazon.de bezogen werden kann.
(Wir haben den offenen Brief, der nicht nur potenzielle Olympiateilnehmer alarmieren sollte, komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in Klammern versehen. Infos über den Autor sind nachzulesen unter http://www.textinitiative-fukushima.de/pages/projekte/japanologie-leipzig/akw–gegner-und-befuerworter/hirose-takashi-zum-vorfall-im-akw-fukushima-vom-23.03.2011-in-der-scott-hallewaseda-hoshien.php . Anschließend drucken wir den Originaltext ab.)
September 26, 2013 ( http://www.counterpunch.org/2013/09/26/a-letter-to-all-young-athletes-who-dream-of-coming-to-tokyo-in-2020/ )
A Letter to All Young Athletes Who Dream of Coming to Tokyo in 2020
Some Facts You Should Know About Fukushima
by TAKASHI HIROSE
On September 7, 2013 Japan’s Prime Minister Shinzo Abe said to the 125th session of the International Olympic Committee, the following: Some may have concerns about Fukushima. Let me assure you, the situation is under control. It has never done and will never do any damage to Tokyo.
This will surely be remembered as one of the great lies of modern times. In Japan some people call it the “Abesolute Lie”. Believing it, the IOC decided to bring the 2020 Olympics to Tokyo.
Japanese government spokespersons defend Abe’s statement by saying that radiation levels in the Pacific Ocean have not yet exceeded safety standards.
This recalls the old story of the man who jumped off a ten-storey building and, as he passed each storey, could be heard saying, “So far, so good”.
We are talking, remember, about the Pacific Ocean – the greatest body of water on earth, and for all we know, in the universe. Tokyo Electric Power Company – TEPCO – has been pouring water through its melted-down reactor at Fukushima and into the ocean for two and a half years, and so far the Pacific Ocean has been able to dilute that down to below the safety standard. So far so good. But there is no prospect in sight of turning off the water.
Here are eight things you need to know.A letter to All Young Athletes ENGLISH (1)_html_7c908f6a
1. In a residential area park in Tokyo, 230 km from Fukushima, the soil was found to have a radiation level of 92,335 Becquerels per square meter. This is a dangerous level, comparable to what is found around Chernobyl ④ zone (the site of a nuclear catastrophe in 1986). One reason this level of pollution is found in the capital is that between Tokyo and Fukushima there are no mountains high enough to block radioactive clouds. In the capital people who understand the danger absolutely avoid eating food produced in eastern Japan.A letter to All Young Athletes ENGLISH (1)_html_2ccd6755
2. Inside Fukushima Daiichi Nuclear Reactors #1 – #3 the pipes (which had circulated cooling water) are broken, which caused a meltdown. This means the nuclear fuel overheated, melted, and continued to melt anything it touched. Thus it melted through the bottom of the reactor, and then through the concrete floor of the building, and sank into the ground. As mentioned above, for two and a half years TEPCO workers have been desperately pouring water into the reactor, but it is not known whether the water is actually reaching the melted fuel. If a middle-strength earthquake comes, it is likely to destroy totally the already damaged building. And as a matter of fact, in the last two and a half years earthquakes have continued to hit Fukushima. (And as an additional matter of fact, just as this letter was being written Fukushima was hit by another middle-strength earthquake, but it seems that the building held up one more time. So far so good.) Especially dangerous is Reactor #4, where a large amount of nuclear fuel is being held in a pool, like another disaster waiting for its moment.
3. The cooling water being poured into the reactor is now considered the big problem in Japan. Newspapers and TV stations that previously strove to conceal the danger of nuclear power, are now reporting on this danger every day, and criticizing Shinzo Abe for the lie he told the IOC. The issue is that the highly irradiated water is entering and mixing with the ground water, and this leakage can’t be stopped, so it is spilling into the outer ocean. It is a situation impossible to control. In August, 2013 (the month prior to Abe’s IOC speech) within the site of Fukushima Daiichi Reactor, radiation was measured at 8500 micro Sieverts per hour. That is enough to kill anyone who stayed there for a month. This makes it a very hard place for the workers to get anything done. In Ohkuma-machi, the town where the Daiichi Nuclear Reactor is located, the radiation was measured in July, 2013 (two months before Abe’s talk) at 320 micro Sieverts per hour. This level of radiation would kill a person in two and a half years. Thus, over an area many kilometers wide, ghost towns are increasing.
4. For the sake of the 2020 Tokyo Olympics, an important fact has been left out from reports that go abroad. Only the fact that irradiated water is leaking onto the surface of the ground around the reactor is reported. But deep under the surface the ground water is also being irradiated, and the ground water flows out to sea and mixes with the seawater through sea-bottom springs. It is too late to do anything about this.
5. If you go to the big central fish market near Tokyo and measure the radiation in the air, it registers at about 0.05 micro Sieverts – a little higher than normal level. But if you measure the radiation near the place where the instrument that measures the radiation of the fish is located, the level is two or three times greater (2013 measurement). Vegetables and fish from around the Tokyo area, even if they are irradiated, are not thrown away. This is because the level established by the Japanese Government for permissible radiation in food – which if exceeded the food must not be sold – is the same as the permissible level of radiation in low-level radioactive wastes. Which is to say, in Japan today, as the entire country has been contaminated, we have no choice but to put irradiated garbage on the dinner table. The distribution of irradiated food is also a problem. Food from near Fukushima will be sent to another prefecture, and then sent on, relabeled as produced in the second prefecture. In particular, food distributed by the major food companies, and food served in expensive restaurants, is almost never tested for radiation.
6. In Japan, the only radiation from Fukushima Daiichi Nuclear Reactors that is being measured is the radioactive cesium. However large amounts of strontium 90 and tritium are spreading all over Japan. Strontium and tritium’s radiation consists of beta rays, and are very difficult to measure. However both are extremely dangerous: strontium can cause leukemia, and tritium can cause chromosome disorder.
7. More dangerous still: in order, they say, to get rid of the pollution that has fallen over the wide area of Eastern Japan, they are scraping off the top layer of the soil, and putting it in plastic bags as garbage. Great mountains of these plastic bags, all weather-beaten, are sitting in fields in Eastern Japan subject of course to attack by heavy rain and typhoons. Eventually the plastic will split open and the contents will come spilling out. When that happens, there will be no place left to take them.
8. On 21 September, 2013 (again, as this letter was being composed) the newspaper Tokyo Shimbun reported that Tokyo Governor Naoki Inose said at a press conference that what Abe expressed to the IOC was his intention to get the situation under control. “It is not,” Inose said, “under control now.”
It’s a sad story, but this is the present situation of Japan and of Tokyo. I had loved the Japanese food and this land until the Fukushima accident occurred. But now…
My best wishes for your health and long life.
Takashi Hirose is the author of Fukushima Meltdown: The World’s First Earthquake-Tsunami-Nuclear Disaster (2011) available on Amazon both as a Kindle e-book and a Createspace on-demand book.
Wir bedanken uns bei Wolfgang Jung für die Übersetzung – und alle die diese Informationen benutzen möchten- bitte erst sich die Genehmigung einholen.
Netzfrau Fee Strieffler
Fukushima “ausser Kontrolle” – Neue Opfer auf der „Baustelle“ des AKW in Fukushima
Der gefährlichste Moment in der Geschichte der Menschheit:
VISDP: Wolfgang Jung, Assenmacherstr. 28, 67659 Kaiserslautern