„Krokodil“ heißt die Droge der Armen und Verwahrlosten in Russland. Der Stoff wird aus Hustentabletten gewonnen und sorgt für kurze Euphorieschübe, doch die Schäden sind enorm. Die Junkies verwesen regelrecht, ihre Lebenserwartung sinkt drastisch, doch die Pharmalobby wehrt sich gegen Verbote.
Die synthetische Droge, die sich durch Russlands Regionen frisst und Drogenfahndern und Regierung Sorgen bereitet. „Krokodil“, das wissenschaftlich als Desomorphin bezeichnet wird, ist billig, einfach herzustellen und zerstörerisch. Der Stoff wirkt ähnlich euphorisierend wie Heroin, ist aber viel günstiger. Die Junkies gewinnen ihn aus Hustentabletten. 100 Rubel, umgerechnet 2,50 Euro,kosten die Zutaten eines Schusses.
Die primitive Zubereitung birgt Gesundheitsgefahren. Analysen der russischen Antidrogen-Behörde FSKN zeigen, dass die braune Suppe Schadstoffe enthält: Knochenzerstörendes Phosphor etwa und Schwermetalle wie Blei, Zink und Antimon-Oxid. Der Dreck in der Droge lässt die Junkies langsam verfaulen.
Laut russischen Ärzten beträgt die Lebenserwartung von „Krokodil“-Abhängigen ein bis drei Jahre. Bei fortdauerndem Konsum werden Finger und Zehen nekrotisch, sagen sie, und an den Einstichstellen bilden sich Geschwüre, die kaum heilen. Um potentielle „Krokodil“-Konsumenten abzuschrecken, verbreiten Russlands Drogenbekämpfer Schockfotos von Junkies, denen Eiter aus klaffenden Wunden fließt und deren Fleisch in Fetzen hängt.
In den Apotheken gibt es Präparate wie Kodelak, Pentalgin oder Terpinkod noch immer rezeptfrei, obwohl bekannt ist, dass Abhängige im ganzen Land daraus „Krokodil“ kochen. Für ihre Hersteller sind die Medikamente zu sogenannten Cash Cows avanciert, zu Verkaufsschlagern, die den Gewinn in die Höhe treiben. So schwärmte etwa das russische Pharmaunternehmen Farmstandart ganz offen, dass es vor allem seine billigen Kodein-Präparate sind, die maßgeblich zu dem 37-prozentigen Plus bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten beigetragen hätten.
Der Höhepunkt von Krokodil war 2010; 2011 erreichte es auch Deutschland, danach immer wieder neue Drogen bzw. Drogenvarianten wie z. B. Oxi oder CK neben Krokodil
Nun suchen immer mehr Menschen, die mit ihrer Situation nicht mehr zurecht kommen, Vergessen in Drogen. In Griechenland etwa mit „Sisa“ oder „Shisha“, wobei es sich um eine Variante des Methamphetamins handelt, das mit Substanzen wie Batteriesäure, Shampoo oder Motoröl versetzt sei.
Da die Droge zu einem extrem günstigen Preis von 2 Euro pro Konsumeinheit angeboten werde, sei sie besonders bei den von der Wirtschaftskrise Betroffenen beliebt, die sich klassische Betäubungsmittel wie Heroin, Kokain oder auch ALKOHOL nicht mehr leisten könnten.
Die billigen Straßenpreise kommen dadurch zustande, dass Methamphetamin ohne chemische Vorkenntnisse aus legalen Mitteln aus dem Pharmagroßhandel gekocht werden.
Wie lange es dauert, bis Sisa aus dem beliebten Urlaubsland Griechenland auch in den Norden verbracht wird, wird die nahe Zukunft zeigen.
Im September 2013 kam „Krokodil“ in Amerika an, wo es als „Alligator“ bezeichnet wird. Es ruft nicht Hautirritationen hervor, es zerfrisst die Muskelmasse in Form von böse Wunden.
Der Grundstoff ist Desomorphin, ein stark potentes Opioid. Durch die illegale Herstellung über Codein, Iod und roten Phosphor in einem ähnlichen Prozess wie zur Herstellung von Methamphetamin auf Basis von Pseudoephedrin wird das Endprodukt unrein und reich an stark toxischen Nebenprodukten. Bei Injektion führen diese Nebenprodukte zu schweren Gewebeschäden, Venenentzündungen und Nekrose bis zur Gangrän oder Organversagen. Irreversible Schädigungen (neurologische Veränderungen, Nierenschäden, Gefäßschäden) können bereits bei der ersten Verwendung entstehen. Laut Aussage der Anti-Drogen-Initiative „Stadt ohne Drogen“ in Jekaterinburg ist „Krok“ so aggressiv toxisch, dass die durchschnittliche Überlebensdauer von Konsumenten nach Beginn des regelmäßigen intravenösen Konsums gerade noch ein Jahr betrage. Die Droge wird in Russland „Krokodil“ genannt, da an der Injektionsstelle oft eine grünliche Verfärbung der Haut auftritt und diese um die Injektionsstelle an eine Krokodilhaut erinnert.
In Deutschland ist offenbar die russische Elendsdroge „Krokodil“ nun ebenfalls aufgetaucht. Den Mitarbeitern der Krisenhilfe Bochum seien bei einigen Besuchern des Drogencafés „richtig große Abszesse“ in Armen und Beinen aufgefallen, sagt Heinrich Elsner, der Leitende Arzt der Krisenhilfe, im Gespräch mit n-tv.de. Er spricht von Weichteildefekten, von heruntergefallener Haut, aufgelöster Muskulatur, von Unterarmen, die zur Hälfte nicht mehr mit Haut bedeckt sind.
An sich seien Abszesse bei Drogenkonsumenten nicht ungewöhnlich. Vor allem wer sich Kokain oder Desinfektionsmittel spritze, riskiere solche Geschwüre. Jedoch seien die Mitarbeiter der Krisenhilfe bei vier Fällen sicher, dass die Betroffenen mit Krokodil gestrecktes Heroin gekauft und konsumiert hätten. Beides zusammen – das Abfaulen von Haut und Muskeln sowie die Annahme, reines Heroin gekauft zu haben – sei ein starker Hinweis auf Krokodil, sagt Elsner, der zugleich betont, dass es bislang keinen endgültigen Beweis für diese Annahme gebe.
Laut Bochumer Polizei wäre es bereits das zweite Mal, dass Krokodil in Deutschland auftaucht. Demnach wurde die Droge bereits in Frankfurt am Main angeboten. Die Frankfurter Polizei teilte dagegen mit, es habe dort „bislang keinen einzigen Fall“ gegeben.
„Sie verrotten einfach“
Krokodil enthält das Betäubungsmittel Desomorphin und verursacht einen ähnlichen Rausch wie Heroin – laut Elsner hatten die vier Bochumer Abhängigen keinen Unterschied bemerkt. Das US-amerikanische Magazin „Time“ beschreibt Krokodil als „dreckigen Cousin“ von Morphin, der sich in der russischen Jugend wie ein Virus ausbreite. Die in Bochum beobachteten Defekte sind nur der Anfang eines drastischen körperlichen Verfalls.
Laut „Time“ nahmen im vergangenen Jahr zwischen einigen hunderttausend und einer Million Menschen in Russland Krokodil. Es ist im doppelten Sinne eine Elendsdroge: Die Nutzer weichen auf Krokodil aus, weil es deutlich billiger ist als Heroin und sogar von Süchtigen selbst hergestellt werden kann. Und weil sie daran verrecken: Wer Krokodil nimmt, muss damit rechnen, in zwei, spätestens in drei Jahren tot zu sein.
Praktisch alle der etwa zwölf Krokodil-Süchtigen aus ihrem Bekanntenkreis seien mittlerweile tot, sagte Irina Pavlova, eine Krokodil-Überlebende, der Zeitschrift. Ihre Freunde seien an Lungenentzündung, Blutvergiftungen, an geplatzten Arterien oder an Meningitis gestorben, „andere verrotten einfach“. An der Einstichstelle wird die Haut grünlich und schuppig wie der Panzer eines Krokodils – daher der Name der Droge -, die Haut öffnet sich, das Fleisch fällt ab, der Knochen liegt blank.
Ohne Rezept
Die Grundlage von Krokodil ist Codein, ein Schmerzmittel und Hustenstiller, der in Deutschland verschreibungspflichtig, in Russland frei erhältlich ist. Außerdem braucht man noch Jod, roten Phosphor, der von den Reibeflächen von Streichholzschachteln abgekratzt werden kann, dann Benzin, Verdünnungsmittel und Salzsäure. In Internetforen wird behauptet, die Einnahme von Desomorphin sei an sich risikolos. Lediglich wegen der unprofessionellen Herstellung sei das erhältliche Produkt unsauber und damit so gefährlich. „Desomorphin verursacht den höchsten Grad an Abhängigkeit und ist am schwersten zu heilen“, zitiert dagegen der britische „Independent“ den russischen Arzt Artjom Jegorow. Bei Heroin dauere der körperliche Entzug fünf bis zehn Tage. Bei Krokodil sei es bis zu einem Monat. Die Schmerzen seien so stark, dass die Patienten starke Beruhigungsmittel bekämen, um nicht permanent in Ohnmacht zu fallen.
Desomorphin wurde bereits Anfang der 1930er Jahren in den USA hergestellt und patentiert. Der Schweizer Pharma-Konzern Hoffmann-La Roche vertrieb die Substanz einige Jahre unter dem Namen Permonid als Schmerzmittel. Wegen des hohen Abhängigkeitspotenzials wurde das Mittel jedoch vom Markt genommen. Industriell wird Desomorphin heute nicht mehr produziert.
Die Gier der Händler
Das Comeback von Desomorphin als Krokodil ist auch eine Folge der russischen Anti-Drogen-Politik, die allein auf Repression und dichte Grenzen setzt und Heroin so teurer macht. In jüngster Zeit scheint jedoch ein neuer Trend einzusetzen: „Früher waren es Heroinabhängige, die auf Desomorphin umstiegen“, schreibt die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti. „In der letzten Zeit gibt es immer mehr Abhängige, die sofort mit Desomorphin anfangen.“
Diese Gefahr kann sich der Bochumer Drogenarzt Elsner für Deutschland nicht vorstellen. Im Einzelfall sei es vielleicht möglich, dass Drogensüchtige auf einen anderen Stoff auswichen, wenn kein Heroin verfügbar sei. Dies sei jedoch nur selten der Fall. Elsner nimmt an, dass es Drogenhändler waren, die Krokodil unter Heroin mischten, um einen höheren Gewinn zu erzielen. Gefährdet seien daher vor allem Süchtige, die auf „Straßenheroin“ angewiesen seien.
Auch ohne Krokodil hat Russland ein enormes Drogen-Problem: Hier gibt es mehr Heroin-Abhängige als in irgendeinem anderem Land. Nach inoffiziellen Schätzungen sollen es bis zu zwei Millionen sein, ein knappes Drittel der weltweit 100 000 Heroin-Toten pro Jahr entfallen auf Russland.
Selbst auf dem Krönungsparteitag der russischen Regierungspartei „Geeintes Russland“ war Krokodil Thema. Dmitri Medwedew forderte dort einen „vernünftigen legalen Mechanismus“, um die grassierende Desomorphin-Sucht zu bekämpfen. Doch auch hier sorgt die Gier der Händler für eine Verbreitung der Todesdroge: Bislang hat die russische Pharma-Lobby verhindert, dass der vernünftigste Mechanismus durchgesetzt wurde: eine Rezeptpflicht für Kodein. Denn Krokodil lässt die Kassen der Pillendreher klingeln: Laut „Spiegel“ freute sich das Unternehmen Farmstandart im Sommer ganz offen, dass vor allem seine billigen Kodein-Präparate zum 37-prozentigen Plus bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten beigetragen hatten.
Günstiger, giftiger, gefährlicher
Der hausgemachte Heroinersatz ist aber nicht nur schädlicher als das Original. Ein Krokodil-Rausch hält nur etwa zwei Stunden an, die Droge muss also viel öfter injiziert werden als Heroin. Außerdem macht sie noch stärker abhängig, das Aufhören ist entsprechend hart. Die körperlichen Entzugserscheinungen quälen Betroffene bis zu einen Monat lang. Im Falle von Heroin sind es „nur“ fünf bis zehn Tage. Abgesehen davon gibt es aber ohnehin kaum geeignete Entzugseinrichtungen.
Die Abhängigen in Bochum seien der Meinung gewesen, Heroin genommen zu haben. Sie erlitten dabei aber „katastrophale Haut- und Weichteilschäden“, die sonst bei Heroin kaum aufträten, sagte der Drogenarzt Elsner. Offenbar sei der Stoff Abhängigen in der Bochumer Szene ohne ihr Wissen als Heroin verkauft worden, sagte ein Polizeisprecher. In der Bochumer Szene herrsche ein „Riesenaufruhr“, erläuterte die Polizei. Auch das Landeskriminalamt sei eingeschaltet.
Bernhard Amann, Obmann der Drogenberatungsstelle „Ex und Hopp“ in Vorarlberg, ist„Krok“ seit einem nun schon ein Begriff. Vorfälle gab es aber wohl noch nicht: „Mir ist kein einziger Konsument in Österreich bekannt. Weder in Wien noch hier in Vorarlberg.“ Auf die Frage, ob das Gemisch den Weg ins Ländle dennoch finden könnte, antwortet Amann trocken: „Alles ist möglich.“ Und folglich auch, dass Heroin mit „Krok“ gestreckt oder das „Krokodil“ sogar fälschlicherweise als Heroin verkauft werden könnte. Vor allem Neueinsteiger seien gefährdet, da sie sich in der Szene noch nicht so gut auskennen und Drogen von anonymen Dealern kaufen würden. „Außerdem achten sie nicht so sehr auf ihre Gesundheit“, weiß Bernhard Amann aus Erfahrung. Er fordert eine verbesserte Präventionsarbeit und die Einführung der Heroinausgabe, wie sie in Holland, Deutschland und der Schweiz bereits erfolgreich umgesetzt würde. „Es ist wichtig, dass der Konsum unter Kontrolle stattfindet“, meint Amann.
Sucht in allen Facetten
Insgesamt 16 Millionen Menschen rauchen. 1,3 Millionen sind abhängig von Alkohol, 1,4 Millionen von Medikamenten, so die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans bei der Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung 2011 in Berlin. „Circa 200 000 Menschen weisen einen problematischen Cannabiskonsum auf“, sagte die FDP-Politikerin weiter.
200.000 Menschen nähmen andere illegale Drogen. Bis zu 600 000 gelten als glücksspielsüchtig, besonders in Gaststätten mit Spielautomaten werde der Jugendschutz zu wenig beachtet. 560 000 Menschen seien abhängige Internetnutzer. „Die Internetsucht beginnt dann, wenn man sich überhaupt nicht mehr aus dem Netz zurückzieht und die sozialen Kontakte völlig abbricht.“
Quoten bei Minderjährigen gehen zurück
Weniger Minderjährige greifen zu den Suchtstoffen. 2010 tranken 13 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen regelmäßig Alkohol, nach 21 Prozent sechs Jahre zuvor. 13 Prozent der Jugendlichen rauchen. 2001 taten dies noch 23 Prozent. Fünf Prozent nehmen ab und an Cannabis, fünf Punkte weniger als vor sechs Jahren.
„Suchtmittelmissbrauch und Suchtmittelerkrankung verursachen große gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme“, sagte Dyckmans gleichwohl. Sie kündigte eine neue Anti-Sucht-Strategie mit mehr direkt auf die einzelnen Konsumentengruppen gerichteten Präventionsangeboten an, ohne Details zu nennen.
Österreich, die Drogenhochburg Europas? Zumindest nach offiziellen Zahlen des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) gilt Österreich als EU-Land mit der höchsten Rate an Drogentoten.
Sehr augenscheinlich ist diese für Österreich alarmierende Drogen-Statistik in der im März 2013 online gestellten, interaktiven Europakarte der Süddeutschen Zeitung nachvollziehbar. In der Rubrik Drogentote je 100 000 Einwohner rangierte Österreich demnach von 2007 bis 2010 – bis zu diesem Zeitpunkt liegt Datenmaterial vor – mit 2,3 Toten an der Spitze. Deutschland weist im Vergleich 0,8, Italien 0,7, Slowenien 0,2 Tote aus.
Dramatische Spitzenreiterfunktion
Die der Grafik zugrunde gelegten Daten sind laut Auskunft der Süddeutschen Zeitung dem offiziellen Zahlenmaterial des Statistischen Amtes der EU entnommen. Eine Standard-Überprüfung in den diesbezüglichen statistischen Jahrbüchern der Eurostat bestätigt das veröffentlichte Zahlenmaterial und die dramatische Spitzenreiterfunktion Österreichs in der europäischen Drogentoten-Statistik.
Und darauf brauchen wir ja nun wirklich gar nicht stolz sein!
Netzfrau Lisa Natterer
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