Derzeit werden Ananas für weniger als einen Euro verkauft. Der größte Teil kommt aus Costa Rica. Wie kann ein Land so billig produzieren?
Eine vergiftete Umwelt – keine seltene Folge in der Agrarindustrie. Aber selten ist sie so gut dokumentiert wie im Fall der Ananas.
Im mittelamerikanischen Costa Rica können Tausende Menschen seit Jahren kein Leitungswasser trinken, weil darin Pestizide aus dem Ananas-Anbau gefunden wurden. Seit 2007 warnen die Behörden und versorgen El Cairo und die anderen drei betroffenen Dörfer per Tankwagen mit sauberem Wasser.
Das Ananas-Kartell: Chiquita, Dole und Del Monte.
Wie schon bei anderen Südfrüchten wie Orangen und Bananen, aber auch sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in großen Mengen billig nach Deutschland geschafft werden müssen, ist es den Konzernen ziemlich egal, wie der Anbau vonstatten geht.
Del Monte tomatisiert die Ananas
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat in den letzten Jahren die Gentechnik auch bei der Forschung und Züchtung neuer Obstsorten Einzug gehalten.
Der Fruchthandelsriese Del Monte hat im November 2011 ein Patent auf eine transgene Ananas mit modifiziertem Carotinoidgehalt bekommen (EP1589807). Das Carotinoid Lycopin stammt aus Tomaten, zählt zu den Antioxidantien und gilt als Radikalfänger. Die Ananas würde eine rötliche Färbung aufweisen und könnte als „Health Food“ vermarktet werden.
Rosa Ananas sind beliebte Zierpflanzen, vor allem in Nordamerika. Der US-amerikanische Fruchtkonzern Del Monte hat gentechnisch veränderte Ananas mit rosa Fruchtfleisch entwickelt. Dazu wurden Gene aus Zierananas und Tangerine eingeführt, die zur Bildung von natürlichen rosa Farbstoffen (Lycopene) führen. Diese Rosé-Ananas sollen in Costa Rica angebaut werden. Die Zulassungen als Lebensmittel in den USA und für den Anbau in Costa Rica stehen noch aus.
Im Visier: Ananas
Das Wort Ananas entstammt der Bezeichnung naná für den Begriff Frucht in der Guaraní-Sprache. Sie ist ursprünglich in Amerika heimisch und wird heute weltweit in den tropischen Gebieten als Obstpflanze angebaut.
Die Ananas wurde bereits in präkolumbischer Zeit kultiviert und über weite Teile Südamerikas und im Norden bis nach Mexiko verbreitet. Sie wurde als Nahrungsmittel, Heilmittel und zur Weinherstellung genutzt. Für Europa entdeckt wurde sie von Christoph Kolumbus am 4. November 1493 bei seiner zweiten Reise auf Guadeloupe. Ananasfrüchte waren ein Willkommensgeschenk der indigenen Bevölkerung für ihn. Früher wurde die Ananas fast nur als Zwischenkultur zusammen mit Pflanzen mit kurzem Wachstumszyklus angebaut, wie Erdnuss, Reis, Bohnen und Gemüse. Als Unterkultur wird die Ananas unter Ölpalmen, Dattelpalmen, Zitrus-Arten, Avocado und Mango angepflanzt.
Heute hingegen ist der Anbau weitgehend als Monokultur angelegt.
Die Beliebtheit der Ananas schlägt sich in den Importzahlen nieder: Laut Agrarinformationsgesellschaft (AMI) hat Deutschland allein im vergangenen Jahr 192 000 Tonnen Ananas importiert. Der Durchschnittspreis in deutschen Supermärkten betrug dabei im September 2012 nur 1,59 Euro. Aber es geht noch günstiger: Bei Rewe in Köln finden sich Ananas für nur einen Euro, Herkunftsland: Costa Rica.
Von dort kommen fast drei Viertel der in Deutschland verkauften Ananas. Dabei ist das Land nicht einmal so groß wie Bayern. Und im Zuge der gestiegenen Nachfrage in den vergangenen Jahren hat man noch mehr Platz für Plantagen geschaffen – auf Kosten des Regenwaldes. Heute wird in Costa Rica auf etwa 40 000 Hektar Ananas angebaut, 1999 waren es noch 9900 Hektar. Inzwischen exportiert Costa Rica mehr Ananas als Bananen. Das Geschäft teilen sich zu 90 Prozent die drei US-Fruchtkonzerne Chiquita, Dole und Del Monte.
Massiver Einsatz von Pestiziden
Costa Rica ist mit geschätzten 52 Kilogramm pro Hektar das Land mit dem weltweit höchsten Pestizideinsatz, zeigen Studien des Instituto Regional de Estudios en Sustancias Tóxicas (IRET) der Nationaluniversität Costa Ricas.
Die Monokulturen stellen die Farmer vor ein Problem: Die Pflanzen sind anfällig für Schädlinge und Pflanzenkrankheiten. Natürliche Feinde fehlen. Stattdessen werden intensiv Chemikalien wie Pestizide gesprüht. Und wenn die im Boden versickern, ist auch das Grundwasser gefährdet. Außerdem wäscht sie der subtropische Regen auch in umliegende Bäche und Flüsse.
Die Orte Milano, Cairo, Francia und Lousiana sind umgeben von Ananasplantagen. Erst kürzlich warnte das Gesundheitsministerium die Bewohner auf Flugblättern erneut, „kein Wasser aus der Wasserleitung zu trinken, da es kontaminiert ist. Es darf nur zum Waschen der Kleidung und für die Sanitäranlagen genutzt werden“.
Für Trinkwasser sorgt schon seit 2007 ein Tankwagen, der die Menschen zweimal pro Woche mit Trinkwasser beliefert. Das Problem des verunreinigten Trinkwassers ist aber schon seit 2003 bekannt.
Hohe Konzentrationen
Clemens Ruepert vom Toxikologischen Institut der Nationaluniversität Costa Ricas in Heredia nahm bereits 2003 Wasserproben in der Region um Milano und wies unter anderem das von der Environmental Protection Agency (EPA) als „möglicherweise krebserregend“ eingestufte Pestizid Bromacil in einer Konzentration von bis zu 5,25 Mikrogramm nach. Zum Vergleich: In der Europäischen Union sind maximal 0,1 Mikrogramm zugelassen. In Deutschland ist das Pestizid bereits seit 1990 nicht mehr zugelassen und seit 1993 ausdrücklich verboten, „weil der Wirkstoff zur Versickerung neigt und damit das Grundwasser gefährdet“, so das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Xinia Briceno lebt seit sechs Jahren in Milano. Seitdem kämpft sie für ihr Recht auf sauberes Trinkwasser und suchte immer wieder das Gespräch mit Del Monte, einem der Betreiber der benachbarten Plantagen. Doch Del Monte gab ihr in all den Jahren keine Antwort. Auch gegenüber dem WDR war Del Monte zu keiner Stellungnahme bereit.
Bei den Dreharbeiten erhielt der WDR auch Einblick in eine Studie, die ein renommiertes europäisches Institut Ende 2011 erstellt hat. Sie wollten mit den Wissenschaftlern darüber reden, doch das wurde abgelehnt. Auch den Auftraggeber der Studie darf man ihnen nicht nennen. Fakt ist allerdings: Im Wasser in und um Milano ist Bromacil auch 2011 noch nachgewiesen worden – mit Konzentrationen von bis zu 6,5 Mikrogramm!
Ananas – bittere Frucht – Del Monte und die Umweltzerstörung in Costa Rica
Die Zustände auf den Plantagen sind hart, erzählen viele Arbeiter vor Ort. Einer von ihnen, der jahrelang Vorarbeiter bei Del Monte war, behauptet sogar, dass sie ohne Schutzkleidung arbeiten und im ständigen Kontakt mit Pestiziden seien. Auch gab es keine Stellungnahme von Del Monte.
Auch in dem Beitrag Ananas: Südfrucht mit Nebenwirkung? vom WDR – Markt wurde auf die Missstände um die Frucht Ananas hingewiesen und Rewe damit konfrontiert. Dort wurde schließlich eine Ananas von Del Monte gefunden. Der Konzern antwortete: „Die Rewe bezieht bereits 90 Prozent ihrer Ananas von Lieferanten, die nach entsprechenden Sozialstandards zertifiziert werden.“
Der Preis der Ananas
Helge Fischer von der Organisation makefruitfair kritisiert, dass eine Ananas zum Preis von einem Euro auf der Seite der Arbeiter keinen Gewinn bringen könne und verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Stellung der deutschen Supermärkte. In Deutschland mit seinen traditionell billigen Lebensmitteln würden diese quasi die Rolle eines Türstehers übernehmen, der bestimme, was und zu welchen Preisen in den Handel komme und was nicht.
Der WDR wollte von den sechs wichtigsten deutschen Handelsunternehmen wissen, welche Rolle die Produktionsumstände beim Einkauf von Ananas spielen. Alle verweisen darauf, keine eigenen Plantagen zu haben, auf denen sie Ananas anbauen. Bezüglich der Arbeitsbedingungen und dem Umgang mit Chemikalien beim Anbau der Früchte würden sie von ihren Zulieferern die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards fordern.
Rewe schreibt dem WDR: „Der Einsatz von Pestiziden und deren Zulassung erfolgt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Landes.“ Und weiter heißt es: „Die Belastung von Gewässern ist nicht zwangsweise Folge des Einsatzes von bestimmten Pestiziden, sondern deren unsachgemäßer Anwendung.“
Im mittelamerikanischen Costa Rica sollen Tausende Menschen seit Jahren kein Leitungswasser trinken, weil darin Pestizide aus dem Ananas-Anbau gefunden wurden. Seit 2007 warnen die Behörden und versorgen El Cairo und die anderen drei betroffenen Dörfer per Tankwagen mit sauberem Wasser.
Chemiker Clemens Ruepert von der Nationaluniversität Costa Ricas fand schon 2003 in den Wasserquellen der Orte den Pestizidwirkstoff Bromacil, der besonders leicht versickert. Bis zu seiner vorläufig letzten Untersuchung im Mai 2011 maß er im Quellwasser der Gemeinde Milano regelmäßig 2,5 bis 6,7 Mikrogramm pro Liter – 25 bis 67 Mal so viel wie der europäische Grenzwert. Untersuchungen im Auftrag des staatlichen Wasserwerks AYA haben die Überschreitungen des Grenzwerts bestätigt. Costa Rica selbst hat keine Limits festgelegt.
Die Region im Osten des Landes ist nicht die einzige, in denen Ananasfarmen die Umwelt schädigen. Verantwortlich sind auch Fincas, die für internationale Konzerne wie Fresh Del Monte Produce produzieren. Sie bringen die Früchte auch in deutsche Supermärkte. Rund 70 Prozent der Importe kommen dem Statistischen Bundesamt zufolge aus Costa Rica, dem kleinen Land zwischen Nicaragua und Panama: etwa 136 000 Tonnen pro Jahr. Auch weltweit ist es der größte Ananasexporteur.
Ananas werden – wie viele Südfrüchte – meist in Monokulturen angebaut, weil sich die Fincas so auf eine Frucht spezialisieren können. Würden sie verschiedene Pflanzen anbauen, würden sie weniger Geld verdienen. Aber in den Monokulturen wachsen über Jahre auch Populationen von Schädlingen und Unkräutern, die auf die Ananas eingestellt sind. „Deshalb halten die Farmer mit großen Mengen teils besonders giftiger Pestizide dagegen“, sagt ein Ingenieur von Costa Ricas Nationaluniversität.
Eine vergiftete Umwelt – keine seltene Folge in der Agrarindustrie. Aber selten ist sie so gut dokumentiert wie im Fall der Ananas.
Del Monte kauft seit Anfang der 90er-Jahre Ananas von der größten Plantage in El Cairo. Der Konzern weist in einer E-Mail an die sonntaz „falsche sensationalistische Behauptungen“ zurück, er sei für Umweltprobleme der Ananasproduktion in Costa Rica verantwortlich. Die Farm habe „2008 aufgehört, Bromacil zu benutzen“. Indirekt räumt Del Monte also ein, dass sein Zulieferer davor das Ackergift benutzt hatte.
Auch wenn die Del Monte-Finca seit 2008 auf Bromacil verzichten sollte, könnte sie daran schuld sein, dass auch lange Zeit später im Grundwasser Pestizide gefunden wurden. „Bromacil ist sehr stabil“, sagt der Chemiker Ruepert. Aus diesem Grund sei es möglich, dass die Substanz Jahre später im Wasser lande. Welchen Pestizidwirkstoff Del Monte heute verwendet, sagt der Konzern nicht. Andere Ananasfarmen benutzen der Nationaluniversität zufolge sowieso weiter Bromacil.
Der Schotterweg, der von San José zum Bauernhaus auf dem Hügel führt, ist von Bäumen gesäumt. Auf der Terrasse liegen Kinderspielzeug, ein Roller und ein Dreirad. Vögel zwitschern. Ein Hund stürmt um die Ecke, er hat Schwierigkeiten, die Balance zu halten. Eines seiner Vorderbeine ist nur zur Hälfte ausgebildet. Gerade so schafft es der dreijährige Mischling, die Kurve zu kriegen.
„Seine Missbildung könnte eine direkte Folge davon sein, dass unser Trinkwasser verunreinigt ist“, sagt Xinia Briceño und zieht die Augenbrauen in die Höhe. Die Frau von Ende dreißig wohnt mit ihren zwei Kindern am Rande des kleinen Dorfes Milano im Nordosten von Costa Rica. In Milano muss genau wie in den benachbarten Dörfern El Cairo, Francia und Luisana seit drei Jahren regelmäßig der Tankwagen vorbeikommen, damit die 6000 Bewohner sauberes Trinkwasser erhalten. „Und das alles, weil die da drüben uns seit Jahren mit ihrer Ananas vergiften“, klagt Xinia Briceño und deutet auf die andere Seite des Hügels. Dort breiten sich zwei Plantagen auf mehreren Hundert Hektar aus.
„Babilonia“ und „Hacienda Ojo de Agua“ heißen die Plantagen, und sie gehören beide zum US-Konzern Del Monte. Die Früchte, die sie produzieren, sind gefragt auf dem Weltmarkt, vor allem in den USA und Europa. Costa Rica bringt das gute Geschäfte, denn das mittelamerikanische Land ist weltweit der Lieferant Nummer eins. Seit 2005 haben sich die Ananas-Ausfuhren glatt verdoppelt. Und in Costa Rica ist die Gegend um Milano das wichtigste Anbaugebiet.
Die Frauen aus Milano wollen genau wissen, welche Folgen eine langjährige Kontaminierung mit Bromacil haben kann. Zudem wollen sie, dass unabhängige Experten die Proben nehmen und analysieren. „Ich leide seit Jahren unter einer Pilzerkrankung. Jedes Mal, wenn ich mich mit dem Wasser aus der Leitung wasche, bekomme ich wieder neue Beschwerden“, klagt Sonia Rodríguez, eine rundliche Frau von Mitte fünfzig. Sie weiß genau, wie einflussreich die Lobby der Früchte-Konzerne im Land ist. Doch einschüchtern lassen will sie sich nicht.
Zu ihrer Wasserverantwortlichen haben die achthundert Dorfbewohner von Milano Xinia Briceño gewählt. „Wir verlangen von der Regierung in San José toxikologische Untersuchungen, um die Ursache für Hautprobleme, Pilzerkrankungen, Magenbeschwerden bei Kindern und Erwachsenen sowie für die steigende Zahl von Missgeburten bei Tieren, vor allem bei Kälbern und Hunden, feststellen zu lassen“, sagt sie. „Zwar haben die Plantagen Auflagen vom Umweltministerium erhalten, doch sie umgehen sie und leiten nachts die Abwässer in die Flüsse“, klagt Briceño. Mit ihren eigenen Augen habe sie es gesehen.
Doch um ihre Vorwürfe zu beweisen, fehlt ihr eine Kamera. Und die beschuldigten Unternehmen und auch der Branchenverband Canapep weisen selbstverständlich alles zurück. „Für die Verunreinigung der Wasserquellen können auch andere Unternehmen verantwortlich sein – die Blumenzüchter oder die Bananenplantagen etwa“, erklärt Abel Chaves, Präsident des nationalen Verbandes der Ananasproduzenten und -exporteure (Canapep).
Experten wie der Agrarwissenschaftler Esteban Ricardo Acosta Pereira von der Universität Earth beobachten nicht nur in Costa Rica, dass die Zahl der Konflikte rund um die Ananas zunehmen. „Bei den bestehenden Anbaumethoden und dem exorbitanten Einsatz von Pestiziden ist es zwangsläufig so, dass es zur Verschmutzung von Grundwasser und Flüssen kommt. Wir brauchen ein unabhängiges Monitoring beim Pestizid-Einsatz und eine Kontrolle bei der Ausdehnung der Anbauflächen“, erklärt der Wissenschaftler.
Peireira hält die Ökobilanz der konventionellen Ananasproduktion für verheerend, auch wenn die Früchte, die schließlich in der EU in die Läden gelangen, bisher alle Grenzwerte einhalten. Die Frauen aus Milano teilen seine Einschätzung. Mehrfach schon haben sie an die Produzenten appelliert, mehr Bio-Ananas anzubauen. Bislang ohne Erfolg.
Auch Darner Mora, Direktor des nationalen Wasserlabors von Costa Rica, bestätigt: „Die Verunreinigung ist auf den intensiven Ananasanbau in der Region zurückzuführen.“ Seine Behörde und das zuständige Ministerium hätten aber Maßnahmen ergriffen, und daraufhin sei die Belastung des Trinkwassers mit Bromacil zurückgegangen. Im Trinkwasser in Milano, das aus einem nahen Fluss stammt und über eine Rohrleitung ins Dorf gelangt, werden allerdings heute noch Werte von 0,5 Mikrogramm Bromacil pro Liter Trinkwasser gemessen. Zum Vergleich: In der Europäischen Union sind maximal 0,1 Mikrogramm zugelassen.
Für El Cairo und weitere Gemeinden der betroffenen Region baut das staatliche Wasserwerk AYA nun ein neues Leitungsnetz mit sauberer Quelle. Es kostet 2,3 Millionen Euro, wie die deutsche Entwicklungsbank KfW mitteilt, die das Projekt mit einem besonders günstigen Kredit in Höhe von 1,3 Millionen Euro unterstützt. Es ist bisher aber nicht abzusehen, dass die für die Verschmutzung verantwortlichen Ananasfarmen für die Kosten aufkommen werden.
Auch in anderen Teilen der Welt: Landgrabbing und Abhängigkeit
In Thailand liegt der Anbau der Ananas vorwiegend in der Hand von Kleinbauern. Ganz anders stellt sich die Situation auf den Philippinen dar. Der Ananasanbau ist hier das Geschäft von Multis – und hier insbesondere der Unternehmen Del Monte und Dole -, die rund 85 % der Anbaufläche bewirtschaften.
Die California Packing Corporation – jetzt Del Monte Corporation (USA) – begann 1926 mit dem Plantagenanbau auf Mindanao. Zwei Jahre später verfügte das Unternehmen schon über eine Anbaufläche von mehr als tausend Hektar. Später kamen Konservenfabriken hinzu. Die Methoden des Landerwerbs und die Arbeitsbedingungen stießen auf Kritik und wurden als „frühkolonialistisch“ charakterisiert. Anwerber wurden und werden von den Agrarkonzernen in die Barrios geschickt, um die Bauern zur „Verpachtung“ ihres Landes an den Betrieb zu überreden. Zur Überzeugungstaktik gehörten große Geschenke, Alkoholgelage und Fahrten mit ausländischen Luxuswagen. Wer nach Monaten der „Freundschaft“ mit diesen Strohmännern und der Anhäufung von soviel „Utang na loob“ dennoch nicht verpachten wollte, wurde bedroht und eingeschüchtert. 300 bis 500 Pesos erhielt ein Landbesitzer pro Jahr für einen Hektar.
Für das Großunternehmen waren das lächerliche Summen. Die Bauern hatten jedoch keine Erfahrung mit soviel Geld. Außerdem wurden fast nie Verträge unterschrieben, und ein Teil der Auszahlung musste als Steuer wieder abgegeben werden. Eine, wenn nicht reiche, so doch relativ zufriedene Landbevölkerung wurde auf diese Weise in eine Schar unterbezahlter Industrie- und Plantagenarbeiter verwandelt.
Die Weltwirtschaftskrise führte zu Produktionseinschränkungen. 1941 wurden einige Ananasfelder in einen Flugplatz umgewandelt, den unter anderem General McArthur 1941 für seinen Flug nach Australien in Anspruch nahm. Nach Kriegsende wurde der Anbau, die Verarbeitung und Vermarktung von Ananasprodukten weiter zielstrebig ausgeweitet. Dies gilt insbesondere für die sechziger Jahre, als auf Hawaii, dem bisherigen Hauptlieferungsland der Ananas, die Arbeitskosten stiegen und Anbauflächen knapp wurden. In den achtziger Jahren erwarb der Nahrungsmittel– und Zigarettengigant JT Reynolds die Del Monte Corporation, trennte sich 1996 jedoch wieder von seinem Besitz. Heute gibt es heute zwei Hauptanteilseigner:
(a) zum einen die philippinische Macondray and Co. Inc., ein Tochterunternehmen der im Agrargeschäft (u.a. Bananen) tätigen philippinischen Lorenzo-Unternehmensgruppe und
(b) zum anderen die in Italien ansässige Cirio Del Monte NV.
Beide Unternehmen sind wiederum Hauptanteilseigner der Holdinggesellschaft Del Monte Pacific Limited, Singapur, die insbesondere die Markenrechte für Del Monte Dosenprodukte und –säfte auf den Philippinen und dem indischen Subkontinent besitzt. Hin und wieder findet man noch den Hinweis, dass die philippinische Del Monte Company sich in amerikanischem Kapitalbesitz befände. Diese Information ist schon seit längerer Zeit unzutreffend.
Del Monte betreibt durchaus Public Relation. Fast nicht zu ermitteln ist jedoch der Landbesitz auf den Philippinen. In älterer Literatur finden sich Angaben von 20 000 bis 25 000 Hektar, wobei nicht spezifiziert wird, inwieweit es sich auch um gepachtetes Land bzw. Land von Vertragsbauern handelt. Vielleicht ist auch die Eigentumsfrage gar nicht mehr so relevant, denn die transnationalen Gesellschaften (TNCs) wie Del Monte und Dolefil praktizieren – auch vor dem Hintergrund einer vielleicht doch noch stärker greifenden Landreform – verstärkt das „Contract Growing“, das ihnen auch ohne Eigentumsrechte eine beachtliche Verfügungsgewalt über die Ananasproduktion und -vermarktung einräumt. Man schließt langfristige Verträge (zehn Jahre und mehr) mit Bauern ab, in denen diese sich verpflichten, unter ganz bestimmten Auflagen (Art der Früchte / Pestizid-Einsatz) Ananas für die Gesellschaft anbauen. Die Bauern werden mit den notwendigen „inputs“ beliefert, verkauft werden kann nur an die Vertragsgesellschaft.
Del Monte wurde 2010 an Kohlberg_Kravis_Roberts verkauft.
Die wiederum haben gemeinsam mit Goldman Sachs z. B. den Geldautomaten- und Kassenhersteller Wincor Nixdorf vom Siemens-Konzern gekauft und nach dem Börsengang sechs Jahre später wieder verkauft und wenn man die Tätigkeiten von KKR im Verbund mit Goldman Sachs studiert, kommt man auf interessante Details.
Und jetzt soll auch Brasilien verstärkt den Ananas-Anbau steigern
Ananas steht in Brasilien an dritter Stelle der am meisten angebauten tropischen Früchte. Als Saft, frische Frucht, Dessert, Torten, Gelees und Trockenfrucht ist die Ananas fester Bestandteil der brasilianischen Küche. Mit zunehmendem Wirtschaftswachstum und steigender Kaufkraft der Unter- und Mittelschicht steigt auch der interne Ananaskonsum in Brasilien. Allein auf dem Früchtegroßmarkt (CEASA) in Natal/RN werden täglich ca. 90 000 Ananas vermarktet.
Der Bundesstaat Rio Grande do Norte hat bedeutende Ananas-Anbaugebiete, da die Früchte aus dieser Region auf Grund der vielen Sonnentage eine exzellente Qualität und hohen Brix (Süße) besitzen. Täglich fahren von hier aus Dutzende beladene Ananas-LKWs in die großen Metropolen von ganz Brasilien, um die Früchtegroßmärkte mit der bekannten Abacaxi aus dem Nordosten zu bedienen.
Die Ananas gehört zu den Bromeliengewächsen. Sie wächst auf jedem Boden, der gut drainagiert ist. Auf viel Bodennässe reagiert sie sehr empfindlich und neigt zu Wurzelfäule. Die Pflanze kann monatelange Trockenperioden überleben, eine zusätzliche Beregnung kann den Ertrag jedoch wesentlich verbessern. Unter Beregnung dauert der Pflanzzyklus von der Pflanzung bis zur Ernte 16 – 18 Monate. Ohne Beregnung entsprechend länger. Ananas wird bevorzugt in Meeresnähe angebaut, weil dort die Tages- und Nachttemperaturen ausgeglichener sind. Denn kühlere Nachttemperaturen unter 20° C bewirken bei der Pflanze das vorzeitige Blühen, was der Produktion schadet. Rio Grande do Norte bietet die idealen Standortsbedingung für den Ananasanbau.
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Und was ist mit der Ökobilanz?
Beim Energieverbrauch geraten die populären Annahmen über die Vorteile regionaler Lebensmittel ins Wanken, sobald man die Ökobilanzen genauer unter die Lupe nimmt.
Ein Team der Manchester Business School hat dies getan und die Umweltbilanz von 150 der am stärksten nachgefragten Produkte britischer Supermärkte erstellt. Sie bezogen alles ein – von motorisierten Erntemaschinen bis zur Einzelhandelsverpackung. Resultat: Man kann nicht generell sagen, dass lokale Lebensmittel die bessere Umweltbilanz haben. Mal ist es so – und manchmal stimmt das Gegenteil. Der größte Teil des Obstes und Gemüses aus Übersee kommt nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Schiff nach Europa. Schiffe verbrauchen im Vergleich mit anderen Transportmitteln sehr wenig Energie. Ein großes Containerschiff kann theoretisch auf einer einzigen Fahrt mehrere hundert Millionen Bananen transportieren. Experten des International Institute for Environment and Development (IIED) betonen, dass der Transport aus Übersee viel geringer zu Buche schlägt als die „food miles“ (Transportwege von Lebensmitteln) im Land der Endverbraucher. Die kurzen Wege mit kleinen Mengen in kleinen Transportfahrzeugen und auch die Wege der Käufer zum Markt und zurück verbrauchen ein Vielfaches an Energie.
Ein ökologisch begründeter Rückzug auf heimische Produkte hätte auch verheerende soziale Folgen. Das IIED errechnete, dass allein die Briten mit ihrem Obst- und Gemüsekonsum zum Lebensunterhalt von mehr als einer Million Afrikanern beitragen. Als im Jahr 2007 in England eine hitzige öffentliche Debatte um so genannte „food miles“ ausbrach, titelte die kenianische Zeitung „The Nation“: „Wie britische Konsumenten Kenia schaden.“ Die kenianischen Farmer argumentierten, dass sie keine Gewächshäuser beheizen müssen und daher umweltfreundlicher produzieren als britische Gemüsebauern.
Auch Professor Elmar Schlich von der Universität Gießen untersuchte die Umweltbilanz von Nahrungsmitteln. Das Spezialgebiet des Wissenschaftlers ist die Prozesstechnik in Lebensmittelbetrieben. Schon vor den britischen Forschungen überprüfte er mit seinem Team, ob regionale Produkte tatsächlich weniger Energie verbrauchen als solche, die aus anderen Weltgegenden importiert werden. Sein Fazit: „Es stimmt einfach nicht, dass regional erzeugte Lebensmittel beim Energieverbrauch generell besser sind.“
Die starke Nachfrage nach Biowaren hat inzwischen dazu geführt, dass auch Bioprodukte zu einem großen Teil importiert werden. Die meisten Bio-Äpfel, die im Jahr 2007 in Deutschland verkauft wurden, stammten aus Plantagen in Argentinien, China oder Südafrika. Da stellt sich die Frage: Gelten die oben beschriebenen Resultate auch, wenn man konventionell erzeugte Äpfel aus Deutschland mit importiertem Bio-Obst vergleicht?
Michael Blanke vom Bonner Institut für Obstbau und Gemüsebau untersuchte den Energieverbrauch. Er recherchierte eigens dafür in Neuseeland und kam zum Ergebnis, dass der Bio-Apfel aus Übersee ein Drittel mehr Energie benötige als ein konventionell angebauter Apfel aus Meckenheim bei Bonn – und das, obwohl die deutsche Frucht fünf Monate lang im Kühlhaus gelagert wurde, bevor sie in den Laden kam. Betrachtet man beide Studien, könnte das Fazit lauten:
Importierte Ware kann umweltfreundlicher sein als heimische – muss sie aber nicht.
„Bio“ bietet in dieser Hinsicht keinen Umweltvorteil. Eine sachgerechte Ermittlung des „ökologischen Rucksacks“ von Agrarprodukten könnte Verbrauchern bei ihren Kaufentscheidungen helfen.
Der Preis eines Guts ist umso niedriger, je weniger Ressourcen für seine Herstellung benötigt werden. Ein Gut kann daher um so preiswerter angeboten werden, je produktiver die Hersteller sind. Ein freies internationales Handelssystem sorgt so dafür, dass die Produktion eines jeden Agrarguts bevorzugt in denjenigen Ländern erfolgt, die dafür am besten geeignet sind – auch unter Berücksichtigung der Transport-, Lager- und anderer umweltrelevanter Kosten.
Die Weltlandwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen. Der Bedarf der Menschheit an Nahrungsgütern wird sich in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts verdoppeln. Die Steigerung der Produktivität der Weltlandwirtschaft ist eine Herkulesaufgabe. Wenn es gelingen soll, Hunger und Mangelernährung auf der Welt zu besiegen und dabei das Klima und unsere natürlichen Ressourcen zu schützen, führt kein Weg daran vorbei. Ein liberales internationales Agrarhandelssystem, das auch den externen Kosten für die Umwelt Rechnung trägt, wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Nicht Bohnen aus Kenia oder Ananas aus Thailand sind das Problem, sondern politische Rahmenbedingungen, die einen fairen Wettbewerb verhindern. Der Slogan „Buy local“ greift hier eindeutig zu kurz, meint Harald von Witzke, der Vorsitzender des „Humboldt Forum for Food and Agriculture“ ist.
Wenn Sie also – so wie ich – die süße, gelbe Ananas lieben, die ja kein Mensch täglich kauft und isst, dann achten Sie beim Einkauf einfach darauf, dass Sie Fairtrade Bio-Ware kaufen.
Obwohl….. es ist nicht alles Gold, was glänzt! Lesen Sie selbst:
Ananas aus Costa Rica ist ein Exportschlager. Doch für die Kleinbauern ist es schwer, sich gegen die Konkurrenz großer Firmen durchzusetzen. Fair Trade ist da eine Nische, doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt.
Die Ananas, die Orlando Rojas auf einem Teil seiner Finca kultiviert, sind fair gehandelt. Auf über sieben Hektar baut der 53-Jährige in Pital de San Carlos im Norden von Costa Rica Ananas an – angelockt vom damals guten Verkaufspreis. Diese Stauden gedeihen ohne Kunstdünger und ohne Pestizide. Mit seinen fairen Bio-Ananas ist er aber noch die Ausnahme. „Wir haben uns für den Anbau von Bio-Ananas entschieden, um unser Land zu schützen. Es ist die Zukunft meiner Kinder, wie könnte ich es vergiften?“, sagt er.
Viele Produzenten sehen das anders als Rojas: Auf den herkömmlichen Plantagen werden 15-mal mehr Pestizide verwendet als bei anderen Agrarprodukten. Die chemischen Substanzen verschmutzen den Boden und das Grundwasser.
Costa Rica exportiert seit 2007 weltweit die meisten Ananas. Die Branche ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen: Waldgebiete und Anbauflächen anderer Agrarprodukte mussten der Ananas weichen. Den größten Absatz findet die costaricanische Ananas auf den europäischen Märkten. 75 Prozent der dort verkauften Früchte kommen aus Costa Rica. Ihr Verkauf brachte im vergangenen Jahr rund 600 Millionen Dollar ein.
Plastikplanen statt Pestizide gegen Unkraut
Rojas gehört der Kooperative AgroNorte an – eine von zwei Vereinigungen in Costa Rica, die das Fair-Trade-Siegel haben. Auf seinen Plantagen decken nicaraguanische Einwanderer die Felder mit Plastikplanen ab, um sie vor Unkraut zu schützen. Rojas darf keine Pestizide benutzen. Nach etwa zwei Jahren hat eine Plantage ausgedient und muss von Pflanzenresten befreit werden. Die Plastikplanen zu entfernen kostet den Bauern rund 600 US-Dollar pro Hektar. Eine Alternative wären biologisch abbaubare Kunststoffe – aber die gibt es in Costa Rica nicht. Der ökologische Anbau von Ananas ist mühsam.
Orlando Rojas lebt von dem Gewinn aus der ersten Ernte. Für den Agrarsektor gibt es keine finanzielle Unterstützung. Wenn er einen Kredit aufnehmen würde, läge die Zinsrate bei 17 Prozent. „Wenn man keine Rückzahlungen leisten kann, nehmen sie einem die Finca weg. Viele Kleinbauern verlieren ihre Ländereien und sehen keinen anderen Ausweg, als in die äußeren Stadtbezirke zu ziehen. Es ist eine schreckliche Situation“, erzählt der Ananasbauer.
Keine Rückzahlung = keine Finca
Jesús Baraona ist in diese Schuldenfalle getappt. Der Bauer hat mit dem Versprechen, dass ihm 60 Cent pro Kilo gezahlt würden, angefangen, Bio-Ananas anzubauen. Der Preis wurde noch vor der ersten Ernte gesenkt. „Ich bin kurz davor meine Finca zu verlieren“, sagt er. Baraona hatte sich Geld von einer Organisation geliehen, die der Vorläufer von AgroNorte war. Er schuldet ihr umgerechnet über 35 000 Euro und zahlt dieses Geld immer noch zurück – bei einem Zinssatz von 16 Prozent.
Diesen verschuldeten Bauern will Yiorely Villalobos, Geschäftsführerin bei AgroNorte, helfen. Die junge Frau kann ihnen einen festen Preis für ihre Ananas zusichern – dank Fair Trade. Und die Bauern brauchen dieses Geld, weiß sie. „Im Moment beschäftigen die Erzeuger vor allem die Kosten für landwirtschaftliche Produktionsmittel wie importierte Düngemittel. Sie sind enorm hoch. Es gibt Preisunterschiede von bis zu 48 Prozent“, sagt Villalobos.
Basilio Rodríguez, Präsident der AgroNorte, macht noch ein anderes Problem Sorgen: Ein großes transnationales Unternehmen, das US-amerikanische Corsicana, wurde mit dem Fair-Trade-Siegel ausgezeichnet. Und damit gebe die Zertifizierungsstelle Fair Labelling Organizations International (FLO) Großplantagen Zutritt zu einem Markt, zu dem bislang nur Kleinbauern und mittelständische Erzeuger Zugang gehabt hätten.
Corsicana ist die größte Bioananasfarm Costa Ricas mit Fair-Trade-Zertifizierung. Gewerkschaften klagen dennoch über miserable Arbeitsbedingungen
„Wir Gewerkschafter werden von den anderen Arbeitern separiert, werden diskriminiert und unsere Arbeitsbedingungen sind schlecht“, erklärt Héctor Giraldo Vásquez ärgerlich. Dann schwenkt er den Arm über das riesige Ananasfeld und sagt: „Schauen Sie sich doch um“. Mit rund vierzig Kollegen, darunter einigen wenigen Frauen, arbeitet er heute auf dem Feld. Die Arbeiter sind damit beschäftigt, die überzähligen Schösslinge der Pflanzen aus dem Boden zu reißen. Das ist notwendig, um eine gute zweite Ernte einzufahren. Dreimal wird in aller Regel pro Pflanze geerntet. „Dann beginnt ein neuer Anbauzyklus“, so Giraldo Vásquez.
Vasquez gehört zu den wenigen costa-ricanischen Arbeitern auf der Plantage und ist sauer, dass die Schösslinge mit rund zwei Kilogramm unerhört schwer sind. „Vor vier Wochen hätte man die Arbeit machen müssen – da haben sie rund ein Drittel gewogen. Nun müssen wir Gewerkschafter als Lückenbüßer wieder ran“, klagt der 36-Jährige. Er gehört zu den 65 gewerkschaftlich organisierten Arbeitern auf der Ananasplantage Corsicana des US-Unternehmens Collins Street Bakery. Die befindet sich im Zentrum Costa Ricas, rund zwei Stunden Fahrtzeit von der Hauptstadt San José und nur ein paar Kilometer von der Provinzstadt Puerto Viejo de Sarapiquí entfernt. Hier bauen rund 400 Arbeiter auf mehr als 1300 Hektar Bio-Ananas in bester Qualität an.
Das Gros der Produktion, die auch Fair-Trade-zertifiziert ist, gehe in die USA, aber auch nach Europa werde geliefert, berichtet Ramón Barrantes. Der 53-Jährige ist der Generalsekretär der Gewerkschaft der Plantagenarbeiter der Region Heredia (Sitagah) und besucht regelmäßig die Plantagen. Oft erst nach dem offiziellen Arbeitsende um 15 Uhr, wenn die Arbeiter die Plantagen verlassen, manchmal aber auch wie heute zur Mittagspause. „Collin Street Bakery ist ein Unternehmen, das wiederholt das gewerkschaftliche Organisationsrecht verletzt hat. Wir haben bereits 2005 geklagt, und die nationalen Institutionen haben bestätigt, dass gewerkschaftliche Aktivitäten vom Unternehmen verfolgt werden“, sagt Barrantes. Der Sachverhalt wurde vom Arbeitsministerium bestätigt.
Doch Grundlegendes scheint sich nicht geändert zu haben, wie die neuerlichen Beschwerden der Arbeiter belegen. „Wir Gewerkschaftler werden übergangen, wenn es zusätzliche Arbeiten zu verteilen gibt, erhalten aber nur den Mindestlohn. Von den Fair-Trade-Zuschlägen kommt bei uns nichts an, und auf dem Feld gibt es weder einen schattigen Unterstand noch sanitäre Anlagen“, kritisiert William Ortega. Der 34-jährige Erntearbeiter aus Nicaragua lebt seit 16 Jahren in Costa Rica, arbeitet seit zehn Jahren auf der Plantage Corsicana und kündigt nur nicht, weil er fürchtet, dann nie wieder Arbeit in der Region zu bekommen. „Es kursieren schwarze Listen“, behauptet er.
Vorwürfe, die von Alejandro Batalla, dem Anwalt der Plantage, entschieden zurückgewiesen werden. „Wir haben mobile Sanitäranlagen, wir halten uns an die Arbeitsgesetze unseres Landes, zahlen den Mindestlohn und weisen die Anschuldigungen entschieden zurück“, so der Firmenvertreter erbost. Laut Website sollen die Fair-Trade-Zuschläge für einen eigenen Kindergarten auf der Plantage verwendet werden.
Dass die Klagen der Arbeiter allerdings alles andere als haltlos sind, weiß auch Theresa Glammert-Kuhr von Flo-Cert. „Wir haben die Farm Corsicana bereits vor einigen Jahren nach den ersten Klagen suspendiert.“ Flo-Cert zertifiziert für Fairtrade International die Plantagen. Theresa Glammert-Kuhr ist für das Beschwerdeverfahren zuständig und hält angesichts der gravierenden Klagen eine unangekündigte Inspektion für durchaus realistisch. „Eine neuerliche Suspendierung der Farm ist nur auf Grund eines eigenen Audits möglich.“
Ein Verfahren, das den Unternehmen die Chance geben soll, sich zu bessern und Missstände zu korrigieren – davon hält Gewerkschaftssekretär Ramón Barrantes nach Jahren der Klagen und Kritik nicht allzu viel. Das Unternehmen habe für den Tag, als die Arbeiter auf dem Feld besuchten, prompt deren Löhne gekürzt. Dies sei „kein positives Signal an die Gewerkschaften“.
„Von den Fair-Trade-Zuschlägen kommt bei uns nichts an“, meint der Erntearbeiter William Ortega.
Wer ist nun Corsicana? Eine Bäckerei aus Texas, finde ich bei der Recherche. Und dann dazu eine passende Geschichte:
Da wird ein Kuchen als Weihnachtgeschenk von Amerikanern nach Deutschland zu Freunden geschickt. Und die wundern sich ein bisschen. Laut Werbezettel stammte der Bäcker nämlich aus Wiesbaden und wurde im Text der Bäckerei, die ihren Sitz in Corsicana in Texas, einer Kleinstadt südlich der Metropole Dallas hat, als „Meisterbäcker aus Wiesbaden“ gepriesen. Es sollte doch ein Einfaches sein, die Ursprünge des Bäckers ausfindig zu machen!
Gus Weidmann, Wiesbadener Bäcker, war in den USA mit seinem Früchtekuchen erfolgreich. Der Name des Backgenies wurde mit dem Kuchen mitgeliefert – Gus Weidmann. Also August. Allerdings tauchte gleich ein Problem auf. 1896 war er nach Amerika ausgewandert und wie viele Deutsche und Hessen in Texas sesshaft geworden. Im Reisegepäck hatte Gus das Rezept für einen Früchtekuchen.
Und Gus setzte in Texas seinen Traum um, mit dem Rezept eine erfolgreiche Bäckerei zu gründen.
Als Partner fand er einen Hotelier. Das ist ganz wichtig für den Erfolg der Kuchen aus der Collin Street Bakery in Corsicana. Denn Gäste in diesem Hotel, in dem der Bäcker aus Wiesbaden im Erdgeschoss seine Backstube hatte, schätzten seine Backwaren. Ein paar Blocks weiter hatte ein Mann namens Hilton ein Hotel in Corsicana, damals eine der Städte, die vom US-Ölboom profitierten.
Gus Weidmann verkaufte sein Gebäck so erfolgreich, dass die Hotelgäste orderten, auch wenn sie nicht mehr in Corsicana weilten. Folgt man der Firmengeschichte, dann war es der Riesencircus Ringling Brothers, der den Boom beförderte und den Einstieg Weidmanns in den Direktversand (mail order) beflügelte. Ringling ließ „Cakes“ aus Corsicana zu Weihnachten an Zirkusfreunde und Artisten über den ganzen Kontinent und weltweit verschicken. Der Direktversand der Backwaren ließ die Bäckerei wachsen. Dass daneben noch Startenor Enrico Caruso und andere Promis Geschmack an den Arbeiten des „Meister-Bäckers“ fanden, schadete dem Umsatz nicht.
So einer wie Gus Weidmann müsste doch auch in Hessen Spuren hinterlassen haben. Sorry, hieß es jedoch im Wiesbadener Stadtarchiv, nachdem man gesucht, den Namen in alten Melderegistern und Straßenverzeichnissen aber nicht gefunden hatte. Auch die Bäckerinnung Wiesbaden hatte keine Unterlagen über einen Meisterbäcker dieses Namens.
Das Unternehmen in Texas, das mittlerweile 300 000 Besucher in seinen Backstuben zählt und 1,5 Millionen Kuchen jährlich um die ganze Welt verschickt, konnte auch keine weiteren Angaben zu Gus Weidmann zur Verfügung stellen. „Er kam aus Wiesbaden“, sagte der Pressesprecher, und das Fruchtkuchenrezept – von Weidmann mit texanischen Pecan-Nüssen angereichert und modifiziert – hatte er im Gepäck. Das ist Firmengeschichte.
Viele Promis als Kunden
Bilder von Gus Weidmann, der vor seinem Auslieferungswagen posierte, kamen per E-Mail. Außerdem schickten die Texaner ein Verzeichnis der prominentesten Kunden mit.
Die Hilton Hotels sind darunter, auch die Cowboys der Kings-Ranch in Texas, die fast so groß ist wie Hessen. Aber Kuchen nach Weidmanns Rezept gehen auch nach Singapur und sind in England um die Weihnachtszeit sehr beliebt. Und eine der prominentesten Kundinnen sei Prinzessin Caroline von Monaco. Der Kuchen hat also nicht nur mir geschmeckt. Und das ist zwar das Ende der gefunden Geschichte, nicht aber des Stöberns nach mehr Informationen zu Corsicana.
98% Früchtekuchen von der Gesamtproduktion des ausgewanderten Wiesbadeners finde ich. 3 Millionen Pfund, also etwa 1,5 Mio Kilogramm = 1, 5 Mio Kuchen werden gebacken, zwei Drittel davon in den Herbstmonaten Oktober bis Dezember. Trotz der Riesennachfrage gibt es keinen Vertriebspartner. Man verkauft in zwei Geschäften in Corsicana und einem in Waco und besorgt die Bestellungen selbst mittels Postversand.
Woraus besteht sein Fruchtkuchen? Ich finde folgende Angaben: Mr. McNutts Produkt enthält 27% Pecan Nüsse, 10% Honig-Ei-Gemisch und 63 (!)% Früchte, darunter Ananas, kalifornische Rosinen und Kirschen aus dem nordöstlichen Pazifik-Raum. Er enthält keine Zusatzstoffe und wird von Hand dekoriert.
Also, rechnen wir nach: 63% Früchte gedrittelt sind 21% von 500 Gramm, also 105 Gramm.Bei 1,5 Mio verkauften Kuchen braucht er also mehr als 150 t Ananas.
Da ist der Erwerb einer eigenen Plantage ja ein weiser Entschluss.
Seit 1991 gibt es nun die Finca Corsicana, wobei Finca ein wenig untertrieben ist, weil auf einer Finca normalerweise ja nur in kleinem, maximal mittlerem Format angebaut wird. Auf der im texanischen Besitz befindlichen Finca im Ausmaß von 3000 acres – das sind ja mehr als 12 km² – hingegen werden 50 Millionen Ananas pro Jahr geerntet. Das ist ein wenig mehr als der Eigenbedarf. Sie preisen sich selbst als die weltgrößte Organic Pineapple Farm. Und seit 2005 kann man dort auch als zahlender Gast wohnen. Also ein kleines Nebeneinkommen zum Kuchenverkauf, der sicher auch einiges abwirft bei einem Stückpreis von fast 30 USDollar.
Die Finca hat 50 frühere private Fincas zusammengeschlossen und liegt im Sarapaqui-Fluss-Tal in Zentral-Costa Rica in der Nähe der beiden Vulkane Arenal und Poas.
Sobald die Ananas geerntet sind, werden sie zur Packstation gebracht, dort in kaltes Wasser getaucht, um sie zu kühlen und zu reinigen. Dann werden sie per Hand nach Größe und Qualität sortiert, ehe sie in die gekühlte Halle gebracht werden, wo sie ihren Platz in den der Größe entsprechenden Kartons gelegt und diese kommen in Kühlkammern, bis sie in die Kühltransporter verladen werden. Diese bringen die Ware zum Hafen Limon, von wo die Schiffe nach Amerika und Europa auslaufen. Von der Plantage in die Geschäfte innerhalb maximal zwei Wochen – das kann man frisch nennen.
BIO FAIRTRADE Ananas
Produktkategorie: Obst und Gemüse
Herkunft: Costa Rica, Ghana
Hersteller: Agrofair
In Costa Rica wurden die weltweit ersten FAIRTRADE Bio-Ananas produziert! Die „Super Sweet“ Bio Ananas mit dem FAIRTRADE-Gütesiegel, die nun nach Österreich importiert werden, stammen aus Costa Rica und Ghana.“
Erfüllte Kriterien
Einhaltung der EU-Bio-Verordnung 834/2007 | |
Besondere Leistungen im Sozialbereich 1 | |
Umweltschonende Verpackung | |
Förderung regionaler Wirtschaft | |
Kein Einsatz von Gentechnik |
1 z.B. Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Zahlung von Prämien für Sozialprojekte (z.B. Schulen, Gesundheitsversorgung, Trinkwasseraufbereitung)
Hilfreich ist ab und zu ein Blick in den Einkaufsratgeber und auch das Maßhalten beim Einkaufen, weil sehr oft unüberlegte Käufe dann im Müll landen.
Netzfrau Lisa Natterer
Kampf der Giganten – Wenige Konzerne beherrschen die weltweite Lebensmittelproduktion