Delfine sind hochintelligente, einfühlsame Wesen. Biologen sind sich inzwischen einig, dass sie über eine eigene Sprache verfügen, einer Lautfolge von Quietsch- und Klicklauten und Pfiffen, kaum wahrnehmbar für menschliche Ohren. Delfine kommunizieren untereinander, beispielsweise bei der Jagd, um Partner anzulocken oder um Hilferufe auszustoßen, und Wissenschaftler erkennen zunehmend Gemeinsamkeiten zwischen Delfinen und Menschen. Gerade vom Menschen geht die größte Bedrohung für Delfine und Wale aus. Nicht nur die rapide ansteigende Verschmutzung der Weltmeere, die zunehmende Schifffahrt, die Lärmemission (Tiefseesonare, Bohrungen oder die Suche nach Gas- und Ölvorkommen mittels Druckluftkanonen, die Schallwellen auslösen, welche die empfindlichen Sinnesorgane der Tiere irritieren und ihnen die Orientierung nehmen) rotten diese Meeressäugetiere aus, auch die brutalen Fangmethoden treiben Delfine qualvoll in den Tod.
Interview mit Heiko Schrecker von Netzfrau Birgitt Becker
Birgitt:
Jedes Jahr beginnt in Japan Anfang September die Jagdsaison und damit das Abschlachten der Delfine. Heiko Schrecker, Sie sind aktives Mitglied von Cove Guardians, einer Organisation, die sich für das Überleben der Delfine und Wale einsetzt. Dieses Jahr waren Sie vor Ort bei Beginn der Jagdsaison und konnten sich persönlich von diesem Massaker überzeugen.
Heiko:
Das jährliche Abschlachten findet in einem kleinem Fischerdorf in Taiji im Süden Japans statt. Ich war dort zusammen mit den Sea Shepherd Cove Guardians, um den Delfinen eine Stimme zu geben und der Weltöffentlichkeit zu zeigen, welche Gräueltaten dort vor sich gehen. Die Jagd nach den Delfinen und Kleinwalen ist an Brutalität nicht zu überbieten.
Diese Form der Jagd nennt sich Drive Hunt“, das bedeutet, dass die Killerboote, in der Regel sind es zwölf, sehr früh morgens auf See fahren und nach Delfinen oder Walschulen Ausschau halten. Wenn sie eine Schule gefunden haben, kreisen die Killer die Schule ein und treiben Sie mit den Booten in die Bucht. Während dieser Treibjagd sterben einige Tiere, da sie den Anstrengungen und dem Stress nicht gewachsen sind.
Am nächsten Tag findet dann die Selektion der Tiere und das Abschlachten statt. Bei der Selektion werden einige Delfine von Delfintrainern ausgesucht und von ihrer Familie getrennt. Zusammen mit den Killern werden diese dann in die Wassergehege gebracht. Auch während dieses Prozesses sterben einige Tiere wegen der unglaublichen Belastung.
Wenn die Killer die Delfine oder Wale abschlachten, treiben sie die Schule in das seichte Wasser der Bucht und töten die, die sie haben wollen. Kleintiere werden teilweise auch getötet, jedoch werden sie nach der ganzen Aktion im Meer entsorgt, damit die Fangquote nicht geschmälert wird.
Die teilweise noch lebenden Delfine/Wale werden dann ins Schlachthaus transferiert. Dort beginnen die Killer dann direkt damit, das Fleisch zu verarbeiten.
In Japan wird bezüglich dieser Aktionen von Tradition gesprochen, jedoch habe ich mich immer wieder gefragt, warum von der Küstenwache und der Polizei ein größtmöglicher Aufwand betrieben wird, um alles zu verschleiern und zu vertuschen.
Die Cove Guardians sind während dieser ganzen Zeit vor Ort und machen Livestream-Berichterstattungen sowie Video- und Fotoaufnahmen. Wir dokumentieren dabei die unglaublichen Gräueltaten und zeigen die Qualen, die die Tiere erleiden, wenn sie miterleben müssen, wie ihre Familie getötet wird.
Birgitt:
Zu dem Problem des Abschlachtens der Tiere kommt ein großes gesundheitliches Problem hinzu für Menschen, die Delfinfleisch konsumieren, da das Fleisch häufig mit Giftstoffen wie Quecksilber, Methylquecksilber, Kadmium, DDT und PCB belastet ist. Wissenschaftler fordern seit einiger Zeit die japanischen Behörden auf, ein sofortiges Verkaufsverbot von verseuchtem Fleisch zu veranlassen. Nicht zu unterschätzen ist das radioaktiv strahlende Wasser des Nuklearkomplexes von Fukushima, das aus Auffangbecken ins Meer übergelaufen ist.
Heiko:
Delfine und Wale stehen ganz oben in der Nahrungskette und weisen die höchsten Quecksilberwerte in ihrem Fleisch auf. Natürlich ist es nicht gesund, dieses Fleisch zu verzehren. Dieser Sachverhalt wird jedoch in den japanischen Medien nicht thematisiert.
Birgitt:
Um unseren unersättlichen Fleischkonsum zu befriedigen, werden auch bei uns zumeist hinter Mauern von Schlachthöfen Tiere getötet. Zudem sorgt die Massentierhaltung zunehmend – nicht nur bei Tierschützern – für Proteste. Bei dem Töten von Delfinen sprechen Sie von „Abschlachten“. Worin unterscheidet sich das Töten, beispielsweise von Kälbern, Kühen, Schweinen oder Schafen in unseren Schlachthöfen vom Abschlachten der Delfine?
Heiko:
Man muss sich Folgendes vorstellen:
Eine Schule Grindwale wird in die Bucht getrieben. Erst töten die Killer die großen Wale, während sie die anderen Wale in dem Blut ihrer Eltern, ihrer Familie, weiter schwimmen lassen. Die für die Verarbeitung vorgesehen Wale sind meistens noch nicht ganz tot und werden sozusagen bei lebendigem Leib in Stücke geschnitten.
Die Tiere kämpfen, so lange sie können, jedoch haben sie keine Chance. Sie schreien so laut, dass ich dies selbst noch in einer Entfernung von 20 m hören konnte. Wenn die Killer einige Wale am Leben lassen, treiben sie diese wieder auf See, wo die Tiere dann ihrem Schicksal überlassen werden. Einige von ihnen schaffen es nicht einmal herauszuschwimmen, da sie von ihren Qualen zu erschöpft sind.
Birgitt:
Nicht nur das Schlachten der Delfine für den Fleischkonsum ist ein lukratives Geschäft, sondern auch der internationale Handel mit lebenden Delfinen blüht. Wie viel verdient beispielsweise die japanische Fischereigewerkschaft durch den Lebend-Handel mit Delfinen?
Heiko:
Der internationale Handel unterstützt das Abschlachten von Delfinen. Nur mithilfe dieser Unterstützung ist dieser Industriezweig so erfolgreich.
Was die Delfinarien betrifft, möchte ich unterstreichen, dass, wenn die Menschen diese Einrichtungen nicht mehr besuchen würden, dieser boomenden Industrie ein entscheidender Schlag verpasst würde. Immerhin zahlen Delfinarien weltweit bis zu 150 000 Euro für einen Delfin. In meiner Zeit mit den Cove Guradians haben wir einen Delfintransfer sechs Stunden lang begleitet, bis uns am Internationalen Flughafen Osaka die Polizei die Weiterfahrt verwehrte. Der Stress, den die traumatisierten Delfine während des Transfers aushalten mussten, ist unvorstellbar.
Birgitt:
In den USA ist es inzwischen verboten, wild lebende Delfine zu importieren. Weiterhin wird allerdings ein gewinnträchtiger Handel mit Delfinen betrieben, die in „Gefangenschaft“ geboren wurden.
Heiko:
Nach meinem Wissen ist es überhaupt nicht nachprüfbar, ob es sich dabei um Nachzuchten oder eben doch um Wildfänge handelt.
Birgitt:
Weltweit gibt es Aquarien, in denen Delfine verurteilt sind, lebenslang in der Monotonie eines Wasserbeckens Runden vor begeistert klatschenden Zuschauern zu schwimmen. Nach US-Standard müssen die Becken mindestens neun Meter lang und 1,80 tief sein. Wie kann da noch von „artgerechter Haltung“ die Rede sein?
Heiko:
Delfine und Wale sind bezaubernde Kreaturen. In Aquarien können Delfine nicht artgerecht gehalten werden, da sie einen großen Lebensraum beanspruchen. Sie leiden unter den künstlichen Bedingungen dieser Einrichtungen und überleben in Delfinarien nur, weil sie permanent mit Medikamenten und Beruhigungsmitteln vollgepumpt werden. Damit sie ihre Tricks ausführen können, sind sie zusätzlich unterfüttert. In Freiheit schwimmen Delfine täglich bis zu 100 km und können bis zu 600 Meter tief tauchen. Sie leben in großen Familienverbünden und sind äußerst kollegial und sozial. Sie fühlen, denken und entwickeln sich genauso weiter wie wir Menschen.
Die Cove Guardians haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Terror ein Ende zu setzen. Wir sind während der ganzen Saison vor Ort, um die unglaublichen brutalen Dinge, die hier vor sich gehen, der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.
© 2013 Netzfrau Birgitt Becker
Wir bedanken uns für das Interview und die Fotos, die uns die Cove Guardians und Heiko Schrecker zur Verfügung gestellt haben.
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