Anlässlich des gestrigen französisch-italienischen Gipfeltreffens in Villa Madama, Rom, kam es zu schweren Eskalationen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demonstranten kamen aus ganz Italien zum Sit-In „No-TAV“ auf den Campo de‘ Fiori angereist, um gegen die Hochgeschwindigkeitstrasse (TAV – Treno ad Alta Velocità) zwischen Turin und Lyon (235 km) zu protestieren. Die Polizei musste die Französische Botschaft und alle Zugangswege absperren.
Schon seit Jahren wird ein unerbitterlicher Kampf zwischen den Befürwortern und Gegnern um das Milliarden-Projekt geführt. Die Kritik geht dahin, dass das Infrastrukturprojekt zu teuer und zu umweltschädlich sei, u. a. infolge der Freisetzung von Asbest; denn ein Streckenabschnitt des 57 Km langen Basistunnels führt durch asbesthaltiges Gestein. Die Tunnellobby entgegnet, dass dank neuer Techniken keine Asbeststäube in die Umwelt ausweichen würden.
Auf der anderen Seite unterstreichen die Befürworter, dass der Bau dieser Bahnachse enorme wirtschaftliche Vorteile eröffne, ein Schlüsselelement auch des EU-Korridors Genua-Rotterdam geschlossen sei und sich direkt mit anderen Großinfrastrukturen verbinden würde. Die Bahnlinie sei weltweit eines der anspruchsvollsten Bahnprojekte, da sie über und durch den Alpenhauptkamm führt.
Bereits im Juli 2011 kam es in westlich von Turin – dort wurden in der Val de Susa bereits Vorarbeiten der Baustelle eingeleitet – zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des Projekts und der Polizei und in Rom protestierten am 19. Oktober d. J. ca. 70 000 Menschen gegen den Bau der kostenintensiven Eisenbahnlinie.
Der Baubeginn für den TAV Turin-Lyon ist für Ende 2014/Anfang 2015 geplant. Der französische Präsident Francois Hollande unterstrich anlässlich des gestrigen Treffens auf der Pressekonferenz, dass durch dieses Projekt die beiden Länder Frankreich – Italien noch enger zusammenwachsen würden. Der italienische Ministerpräsident Enrico Letta betonte, dass die Schnellzugtrasse ein notwendiges Infrastrukturprojekt sei, das die Strecke Turin – Lyon verbinde, eine strategische Achse und Italien nicht auf dieses Projekt verzichten dürfe. Er bedauerte die Ausschreitungen anlässlich des Besuches des französischen Präsidenten Hollande.
In der Abschlusserklärung des Gipfeltreffens wurde bestätigt, dass bereits am 17. Oktober d. J. der von Frankreich und Italien gestellte Antrag einer Co-Finanzierung durch die EU genehmigt wurde. Sie wird das Projekt bis zu 50 % für Studien, geologische Untersuchungen und Vorbereitungsarbeiten und bis zu 40 % der Abschlussarbeiten (2014 – 2020) unterstützen.
Die Gegner des Projektes erhofften eine Ablehnung der Finanzierung seitens der EU; denn ohne diese Unterstützung wäre das Projekt nicht möglich gewesen.
Nächste Woche mehr zum Thema bei den Netzfrauen.
© 21. November 2013 Birgitt Becker