War der deutsche Autokonzern Daimler in die Vorgänge in der argentinischen Militärjunta in den 1970er-Jahren verstrickt? Diese Vorwürfe beschäftigen ehemalige Mitarbeiter und Gerichte nun seit mehr als 30 Jahren.
Während der Militärdiktatur in Argentinien „verschwanden“ ungefähr 30 000 Menschen, wie Menschenrechtsorganisationen schätzen.
Als exemplarischer Fall für die Verstrickung wirtschaftlicher und politischer Interessen wird hier der Fall der verschwundenen Betriebsräte bei Mercedes Benz Argentina (heute Daimler) aufgeführt.
In der Zeit von 1976 bis 1978 wurden mindestens acht, vermutlich 20 Mitglieder des Betriebsrates verhaftet, in Folterzentren verschleppt und ermordet.
Anhand von Zeugenaussagen und Dokumenten wird hier auf eine Verantwortung der Betriebsleitung im Werk Gonzáles Catan, der offiziellen Gewerkschaft SMATA sowie der Betriebsleitung des deutschen Mutterkonzerns in Untertürckheim verwiesen.
Am 9. November 2011 hatte die 9. Kammer des Berufungsgerichts in San Francisco/ USA den Antrag der Daimler AG auf eine erneute Anhörung („en banc“) verworfen. Damit war nun der Weg frei für ein ziviles Gerichtsverfahren gegen den deutschen Autobauer wegen seiner Beteiligung an den Menschenrechtsverletzungen in Argentinien während der Militärdiktatur (1976-83). Damals waren 14 Betriebsräte im Mercedes-Werk in González Catán „verschwunden“, d. h. sie wurden ermordet. Mercedes-Manager sollen in mehrere Fälle, in denen es um den Raub von Babys aus den Folterkammern geht, verwickelt sein.
Nachdem sich deutsche und argentinische Gerichte geweigert hatten, diese Fälle strafrechtlich aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, hatten die Hinterbliebenen im Jahr in den USA 2004 Klage gegen die Daimler AG erhoben.
Grundlage ist der »Alien Tort Claims Act« von 1789, der Ausländern bei der Verletzung internationalen Rechts den Weg zu den US-Gerichten öffnet. Das Gesetz wurde einst verabschiedet, um Piraten den Prozess machen zu können. In den achtziger Jahren gruben es Menschenrechtsaktivisten aus, nachdem sich in Südamerika die Militärs in die Kasernen zurückgezogen und zuvor Straffreiheit für ihre Untaten ausgehandelt hatten. In einem ähnlichen Fall steht ebenfalls ein Urteil des Supreme Court aus: im Fall Kiobel versus Shell. Dem Ölkonzern wird vorgeworfen, in Nigeria an Verbrechen der staatlichen Sicherheitskräfte mitschuldig zu sein.
Zunächst hatten die Gerichte in Kalifornien die geographische Zuständigkeit verneint, zuletzt am 28. August 2009, da es angeblich ein „alternatives Forum“ gäbe (Argentinien und / oder Deutschland). Dieses Urteil wurde im Mai 2010 annulliert und jetzt auch das letzte Rechtsmittel von Daimler verworfen.
Innerhalb eines Monats landet der Fall beim Gericht in San Francisco. „Dann wird das Unternehmen“, so der US-Opferanwalt Terry Collingworth aus Washington, „Rede und Antwort für das Geschehene stehen müssen. Endlich!“
Doch nun könnte der Oberste Gerichtshof in Washington die Entscheidung wieder kassieren. Er zeigte sich Im Oktober skeptisch, dass die US-Justiz für den Fall zuständig sei. Daimler könnte so einer kostspieligen Zivilklage in den USA wegen der mutmaßlichen Zusammenarbeit eines Tochterunternehmens mit der Militärdiktatur entgehen.
Neben der laufenden Klage in den USA ermittelt auch die argentinische Staatsanwaltschaft gegen Mercedes Benz Argentina. Weitere Wirtschaftsunternehmen, gegen die der Vorwurf der Mitverantwortung von Diktaturverbrechen besteht, sind das Bergbauunternehmen Minera Aguilar und der Zuckerhersteller Ledesma.
Sollte es zu dem Zivilprozess kommen, müsste Mercedes Benz nach vielen Jahren des Schweigens Verantwortung für die Unterstützung des Repressionsapparates übernehmen. Mit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA wird wohl erst im nächsten Jahr zu rechnen sein.
Mercedes-Benz-Argentina: Ein Konzern und seine Verantwortung
Das Erste strahlt die 45-minütige Dokumentation „Mercedes-Benz Argentina“ aus der Reihe „Geschichte im Ersten“ nun auf dem späten Sendeplatz um 23.30 Uhr aus.
In Deutschland können sich unter dem „argentinischen Tod“ nur die wenigsten etwas vorstellen. Die Einwohner des südamerikanischen Landes kennen den Begriff sehr wohl. Dort steht er für das grausame Schicksal der etwa 30 000 „Verschwundenen“, die ab 1976 dem rechten Militärregime zum Opfer fielen. Im „Kampf gegen Subversion“, erklärt Filmemacher Gutermuth, gingen die Diktatoren äußerst brutal vor. Sie folterten und mordeten: „Wenn die Menschen nicht schon zu Tode gefoltert wurden, wurden sie mit Drogen betäubt und mit dem Flugzeug über dem Rio de la Plata abgeworfen.“
Im Fokus der WDR-Produktion „Mercedes-Benz Argentina“ steht vor allem die Frage, welche Rolle der Autofabrikant in diesem düsteren Kapitel der argentinischen Geschichte spielte.
Bis heute wird der Vorwurf erhoben, Mercedes-Benz Argentina sei am “Verschwindenlassen” von mindestens 14 Arbeitnehmervertretern beteiligt gewesen. Diese wurden verschleppt, gefoltert und ermordet – nur wenige der Verschleppten überlebten.
In Argentinien hat die Justiz nach dem Ende der Militärdiktatur festgestellt, es habe eine Komplizenschaft des Unternehmens wegen Mitwisserschaft gegeben – es wurde allerdings kein persönlich Schuldiger ermittelt.
Jetzt könnte noch einmal Bewegung in die Situation kommen, denn mittlerweile besteht die realistische Möglichkeit, dass es in den USA ein Zivilverfahren gegen die Daimler AG geben wird. (S: http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/wdr/23092013-geschichte-im-ersten-mercedes-benz-argentina-100.html)
„Wunder gibt es nicht“ – die Verschwundenen von Mercedes-Benz, eine Recherche von Gaby Weber
Die in Argentinien lebende Journalistin zeigt in ihrem Dokumentarfilm, wie während der Militärdiktatur Gewerkschafter von Mercedes Benz Argentina nachts aus ihren Wohnungen entführt, in Folterzentren verschleppt und ermordet wurden und wie sie die Überlebenden gefunden hat.
Die spanische Version des Films wurde zur besten Sendezeit in mehreren südamerikanischen Kanälen gezeigt. Er ist Beweismittel im US-Verfahren gegen die Daimler AG. Er wurde im argentinischen Parlament vorgeführt und soll zum „nationalen Interesse“ erklärt werden. Das Labournet hat diesen Fall von Anfang an unterstützt. Das deutsche Fernsehen hat diesen Dokumentarfilm nicht ausgestrahlt, sondern ein anderes Filmteam nachdrehen und kommentieren lassen.
In dem Beitrag von Gaby Weber berichten die Opfer und die Manager, darunter der Folterer und Kindesräuber Rubén Lavallén, Sicherheitschef bei Mercedes. Die Firma hat medizinische Geräte für Frühgeburten an das Militärhospital Campo de Mayo geliefert. Dort mussten schwangere Gefangene ihre Kinder zur Welt bringen, bevor sie ermordet wurden. Der Produktionschef, Juan Ronaldo Tasselkraut, erinnert sich, dass die Produktivität wegen Sabotage auf 30 Prozent gefallen war, bis sie normalisiert werden konnte. Ob ein Zusammenhang mit den Morden an den Betriebsräten bestand? „Wunder gibt es nicht, Euer Ehren“, so seine Antwort.
Netzfrau Doro Schreier
Profitgier! Nestlé hat Wassernutzungsrechte erworben und lässt Fabriken bewachen und einzäunen!