Eine Welle wütender Proteste erschüttert Italien. Erst die Bauern, dann die Studenten: In ganz Italien kommt es zu Demonstrationen. Der Zorn richtet sich gegen den Fiskus, das Brüsseler Spardiktat und die etablierten Politiker.
Seit Montag, dem 9. Dezember gehen in ganz Italien Menschen auf die Straße. Sie protestieren mit dem Wunsch, etwas zu verändern.
Der Protest der Bewegung “Italia si ferma” – “Movimento 9 Dicembre” (übersetzt: Italien steht still – Bewegung 9. Dezember) richtet sich gegen Gesetze, mit denen Sozialleistungen und Renten gekürzt werden. Sie protestieren gegen Korruption, gegen die italienische Regierung, die in einer Zeit der Euro-Krise größenwahnsinnige Milliarden-Projekte mit Hilfe von EU-Geldern realisieren möchte und den Bürgern täglich neue Steuererhöhungen zumutet. (S.Das, was wir nicht im TV sehen – und was wirklich passiert …)
In der Grenzstadt Ventimiglia organisierte die Bewegung zudem eine Kundgebung. Die Demonstranten protestierten unter anderem gegen die doppelte Besteuerung von Italienern, die in Frankreich arbeiten.
Unterdessen kam es auch an vielen anderen Orten in Italien wieder zu Protesten, meist gegen Budgeteinschnitte. An der Universität La Sapienza in Rom lieferten sich Studenten eine Straßenschlacht mit der Polizei. Es ist der fünfteTag in Folge an dem in Italien protestiert wird.
Allein 2012 wurde 70 000 Familien die Wohnung gekündigt, weil sie mit der Miete im Rückstand waren. Laut der Statistikbehörde ISTAT hat sich die Zahl der »absolut Armen« seit Krisenbeginn 2007 von 2,4 auf 4,8 Millionen verdoppelt. Die Arbeitslosigkeit ist mit 12,5 Prozent – das sind 3,2 Millionen Betroffene – so hoch wie seit 1977 nicht mehr. Bei den Jugendlichen beträgt die Quote 40,4 Prozent. Die prekäre Beschäftigung explodiert. Im Ergebnis reicht das Geld der meisten Leute hinten und vorne nicht. Nach Angaben des Bauernverbandes Coldiretti sparen 42 Prozent der Italiener sogar beim Brot.
Die US-Ratingagentur Standard and Poor’s (S&P) droht mit einer Abstufung der Kreditwürdigkeit Italiens. Selbst ein Abstieg in den Ramsch-Bereich wird nicht ausgeschlossen.
Sollte die Regierung nicht wachstumssteigernde Reformen umsetzen, könnte die Kreditbewertung «um eine oder mehr» Stufen gesenkt werden, warnte die Agentur am Freitag. Zwar bestätigte S&P das Rating mit «BBB», der Ausblick ist aber nach wie vor negativ: Die Bewertung Italiens liegt nur zwei Stufen über der Grenze, die Anlagen mit vergleichsweise niedrigem Risiko von sogenannten Ramsch-Anlagen trennt.
Hauptkritikpunkte der S&P-Experten sind ausbleibende Reformen und die hohe Verschuldung des Landes. Beides berge Risiken für die konjunkturelle Erholung.
Der Finanzbedarf des italienischen Staats ist weiter hoch. In den kommenden drei Jahren wird die durchschnittliche jährliche Verschuldung des „Bel Paese“ weit höher sein als im Rest der Euro-Zone. Im kommenden Jahr werden Anleihen in Höhe von 326 Mrd. € fällig, hinzu kommen Zinszahlungen von fast 58 Mrd. €. Da die Banken mit einem Anteil von 23% zu den wichtigsten Anleihen-Investoren zählen, bemüht sich der italienische Staat darum, neue Investoren zu mobilisieren. Dabei sind vor allem inländische Privatanleger beliebt, da diese typischerweise Obligationen bis zum Verfall halten und – anders als ausländische Investoren – in schwachen Marktphasen nicht mit raschen Verkäufen reagieren. Eine tiefere Volatilität wäre das Ergebnis.
Schon seit Ausbruch der Schuldenkrise versucht die Schuldenverwaltung Italiens primär inländische Privatanleger als Investoren zu gewinnen. Werbekampagnen, bei denen die Fussball-Nationalmannschaft zum Einsatz kommt, appellieren an den Patriotismus der potenziellen Obligationäre.
Für Italien wird es eng. Das Land müsse möglicherweise in den kommenden sechs Monaten von der Europäischen Union gerettet werden, warnte die italienische Mediobanca laut einem Bericht der britischen Zeitung „The Daily Telegraph“ im Juni 2013. Das Land schlittere immer tiefer in eine Wirtschaftskrise und die Verknappung bei der Kreditvergabe treffe inzwischen auch große Unternehmen.
Für Mediobanca, die zweitgrößte Bank Italiens, sendet ihr „Index des Solvenzrisikos“ für Italien bereits Warnsignale, nachdem die Turbulenzen an den Anleihemärkten nun in der zweiten Woche anhielten. Die Renditen der Anleihen sind gestiegen. Sie verschärfen die ohnehin angespannte Wirtschaftslage, denn sie treiben die Kosten für die Mittelaufnahme in die Höhe.
Italien gehört neben Portugal und Griechenland zu den Ländern, in denen die Schuldenquote im Verhältnis zum BIP besonders hoch ist.
Neben Irland will auch Spanien bald auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds verzichten. Doch ist schon der nächste Kandidat in Lauerstellung? Italien selbst glaubte noch sich aus eigener Kraft aus der Euro-Krise retten zu können, doch wie lange noch? Denn sie sind dann nur zwei Stufen über der Grenze, die Anlagen mit vergleichsweise niedrigem Risiko von sogenannten Ramsch-Anlagen trennt. Italien, das zweite Zypern?
Bereits Mitte 2012 wurde bekannt, dass in den kommenden drei Jahren der Staat 26 Milliarden Euro sparen muss. 10 Prozent aller Staatsangestellten sollen deshalb entlassen werden, gespart wird auch im Gesundheitssystem und bei der Verwaltung.
In Spanien stehen ca. drei Millionen bezugsfertiger Wohnungen leer. Trotzdem erleben dort jeden Monat knapp zehntausend Familien das Trauma einer Zwangsräumung, meist weil sie ihre Arbeit verloren haben und bei der Rückzahlung ihrer Wohnungshypothek in Rückstand geraten sind. (S. Jeden Monat ca. zehntausend Familien zwangsgeräumt! Übernachten auf den Straßen Madrids mit 750 € Strafe belegt.) und auf der anderen Seite, trotz Finanzkrise: Europäische Banker lassen sich ihre Schandtaten mit Millionen versüßen.
Nach Griechenland, Kroatien und Zypern steht Italien in der Jugendarbeitslosenquote auf Platz vier mit 41% in. In Spanien lag die Jugendarbeitslosenquote im Juli 2013 saisonbereinigt bei 56,1 Prozent. (S. Wenn eine ganze Generation ihren Mut verliert – Europas Jugend braucht eine Perspektive – nicht morgen, sondern heute!
In Spanien, Griechenland, Portugal und Frankreich gehen die Jungen schon länger auf die Straße. Ihr Zorn ist berechtigt: Sie verlangen nach guten Jobs, sie wollen Familien gründen und fürs Alter vorsorgen. Doch anstatt den Jugendlichen mehr Geld für Bildung und Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, debattieren die Staatsoberhäupter rum, auf einen Gipfel der wieder ein Gipfel ist und weitere werden folgen.
Europa! Im Oktober 2012 hieß es“ Wut der Krisen-Staaten legt Europa lahm“. In den Länder Spanien, Belgien, Italien, Portugal, Griechenland und Frankreich streikten ArbeiterInnen wegen der harschen Sparpolitik. Schon 2011 hieß es: Kommt nach dem arabischen Frühling der europäische Sommer? Von Nordafrika kommend hatte der Protest der Unzufriedenen erst Spanien erfasst und war auf dem Protestplatz schlechthin angekommen: der Place de la Bastille. 222 Jahre nach der französischen Revolution forderten die Jugendlichen nun nichts Geringeres als die Weltrevolution.
Dieser „Europäische Sommer“ war da und blieb, bis heute. Nur leider wird er eher verschwiegen, denn wir leben doch in einer „heilen“ Welt. Warum also protestieren, warum demonstrieren oder gerade eine neue Revolution ausrufen?
Die Demonstranten sind für die Regierungshäupter aber lästig, denn sie wagen es wiederzukommen und zwar in einer weitaus größeren Zahl. Werden darum in den Medien diese Demonstrationen verschwiegen?
Übrigens, am Mittwoch demonstrierten in London rund 2000 Studenten gegen das Verbot, auf dem Uni-Gelände zu demonstrieren. Der Protest stand unter dem Motto „Cops off Campus“ (Polizei runter vom Uni-Gelände), nachdem es anhaltende Polizeieinsätze auf dem Unigelände in London und 41 Festnahmen gegeben hatte. Aufgerufen zu dem Protest hatte die Kampagne gegen Gebühren und Kürzungen. Kleine Proteste gab es auch an anderen Universitäten in Großbritannien. Haben Sie einen Bericht dazu in den Medien gehört, gelesen oder gesehen?
Europas Jugend braucht eine Perspektive – nicht morgen, sondern heute!
Netzfrau Doro Schreier
Das, was wir nicht im TV sehen – und was wirklich passiert …
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