Madagaskars Kampf gegen die größte Heuschreckenplage aller Zeiten

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„Es ist das dritte Mal in diesem Monat, dass sie uns überfallen“, sagt Razafindradaoro, ein Bauer aus Ilaka, einem Dorf 225 km südlich von Madagaskars Hauptstadt Antananarivo. „Ich habe Angst, dass wir alles verlieren“.

Für den Vater von vier Kindern könnte Hilfe aus der Luft kommen. Zehn Meter über dem Boden fliegen die Hubschrauber, die Insektizide versprühen im Gebiet von Tsiroanomandidy in Zentral-Madagaskar, um die Zentimeter großen Larven zu zerstören, die die Ernte aufzufressen drohen.

Etwa 35 000 ha wurden seit November behandelt, weil die United Nations Food and Agriculture Organisation (FAO) und die madegassische Regierung $ 41,5 Mio für ein Dreijahres-Programmm zur Vernichtung der Heuschrecken in Aussicht gestellt haben, die derzeit 17 von 22 Insel-Bezirke bedrohen.

Bereits im Oktober riefen die FAO und das World Food Programme den Alarm aus, nachdem fast 4 Millionen Menschen in den ländlichen Gebieten von der Ernährungsunsicherheit betroffen waren. „Die Reis-Ernte – Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung Madagaskars – ist 20% niedriger als im letzten Jahr“, sagt Alexandre Huybh, FAO-Koordinator. „Es ist schwierig, genaue Ziffern über den Schaden durch Heuschrecken zu nennen, weil wir auch andere Wetterbedingungen hatten, aber in manchen Gegenden haben sie einfach alles gefressen“.

Sie wiegen nur zwei bis drei Gramm, aber die Malagasy migratory locust , also Wanderheuschrecke, frisst pro Tag das Dreifache ihres Eigengewichts. Ein winziger Schwarm von nur 1 Million Heuschrecken frisst also bis zu 9 Tonnen Biofutter pro Tag.

Zoemboasi baut 2 ha Reis und 5 ha Mais an und wird seinen finstersten Tag im Februar so schnell nicht vergessen. “Sie kamen in der Dämmerung, eine Wolke 5 km lang und 3 km breit und in nur 5 Minuten war ein Großteil meiner Pflanzen vernichtet. Im April konnte ich anstatt der üblichen 7 t Reis nur 2 t ernten. Das war das schlechteste Jahr der letzten zwanzig Jahre. Ich hoffe, die Ungeziefer-Vernichter kommen bald auch hierher”.

Um die Ausbreitung zu vermeiden, werden Barrieren errichtet. Der FAO-Experte Tsitohaina Andriamaroahina erklärt: “Wir sprühen Blöcke der Pflanzen im Abstand von 500 Metern. Die Larven fressen diese, werden vergiftet und können sich nicht mehr vermehren. So können wir mit dem Besprühen von nur einem Hektar fünf schützen, das spart auch Kosten, aber wir müssen achtsam sein, weil sich die Heuschrecken ununterbrochen fortbewegen”

Wir haben ein Team, darunter einen Heuschrecken-Experten und die suchen zwei- bis dreitausend Kilometer pro Monat ab und markieren auf Karten, wo die Feuchtigkeit das Fortkommen der Tiere begünstigt.

Zwei Allrad-Fahrzeuge gehen auf Patrouille, nach zwei Stunden halten sie, weil vor ihnen ein Heuschreckenband ihren Weg kreuzt. Mit einem GPS-Empfänger in der Hand geht ein Mann im blauen Overall um die Kolonie und stellt fest, daß sie 15 000 m² groß ist und pro Quadratmeter 200 Heuschrecken hat.

Ein Stück weiter werden sie von einem Mann darauf aufmerksam gemacht, dass es noch mehr Heuschrecken gibt – etwas nördlich. Nach 1 ½ km stoßen sie tatsächlich auf einen neuen Schwarm. „Die Hilfe der Farmer ist wertvoll, aber manchmal geben sie auch eine falsche Richtung an, weil sie Fremden gegenüber misstrauisch sind und denken, wir wollen ihre Ernte zerstören“ erklärt Andriamaroahina. “Eine andere Unsicherheit ist, dass wir nicht in die rote Zone im Süden des Landes können, weil dort bewaffnete Viehdiebe ihr Unwesen treiben”.

Wenn die Finanzierung gelingt – noch fehlen 15 Mio $ auf die in Aussicht gestellten 41,5 Mio $ – können wir die Heuschrecken auf ihr natürliches Habitat im Süden des Landes zurückdrängen.

„Auf lange Sicht gesehen ist es wohl notwendig, präventiv zu arbeiten, um zu verhindern, dass sich die Heuschrecken zu sehr verbreiten und bei den passenden Wetterbedingungen wieder in den Norden zurück kehren. Wären in den vergangen Jahren 100 000 ha vorbehandelt worden, müssten wir jetzt nicht so viel ausgeben, das wäre nur ein Zehntel dessen gewesen, was wir jetzt behandeln müssen“, erklärt Huynh.

Übersetzung von The Guardian Madagascar battles locust swarms to save rice and maize crops

Bereits im Frühjahr 2013 berichtet die FAO über diese Krise und stellt fest, daß die 13 Mio Einwohner von Madagaskar davon bedroht sind, Hunger zu leiden wegen der Heuschreckenplage. 9 Mio davon finden ihr Auskommen in der Landwirtschaft. Wenn es also nicht gelingt, der Plage Herr zu werden, sind Ernte und Weideland gefährdet und damit die Lebensgrundlagen der Familien.

Am meisten gefährdet ist der Südwesten, ein Gebiet, das bereits von Dürren und den Auswirkungen von Zyklonen bedrängt ist und wo 80% der Menschen unter der Armutsgrenze leben.

Weil bereits in den Jahren 2010/2011 und auch 2011/2012 nicht genügend Finanzmittel zur Bekämpfung der Heuschrecken zur Verfügung standen, konnten diese sich weiter ungehindert vermehren und weiter wandern, wobei sie Ernten und Weideland vernichteten. Was als Belästigung anfing, wurde zur Plage.

Mit den entsprechenden Mitteln könnten großflächige Sprühaktionen durchgeführt werden, um 1,5 Mio ha von September 2013 bis Juni 2014 und insgesamt 2,15 Mio ha von 2013 bis 2016 zu behandeln.

Aus Madagaskar direkt kommt dieser Hilferuf:

Wanderheuschrecken-Krisensituation auf Madagaskar

Eine Heuschreckenplage bedroht die Lebensgrundlage von 13 Millionen Menschen in Madagaskar, die direkt oder indirekt von der Landwirtschaft leben. Die Situation ist durch die Ausmaße  des aktuellen Befalls schon verheerend, obwohl  die Wintermonate eigentlich nicht günstig für die Entwicklung der Wanderheuschrecken sind. 

Wenn nichts geschieht, wird Madagaskar spätestens zum Anfang der Regenzeit von einer  Hungersnot betroffen sein, die diesmal nicht nur die kargen Gebiete des tiefen Südens von Madagaskar betrifft, sondern weit über die Hälfte der riesigen Insel, die Wanderheuschrecken breiten sich sogar auf dem Hochland bis in die Vororte der Hauptstadt Antananarivo aus.

Wenn die Plage nicht behandelt wird, und bis jetzt wird in dem Bereich nichts unternommen, schlüpfen Milliarden von Wanderheuschrecken aus den Eiern, die von den riesigen Schwärmen gelegt wurden. In diesen Wintermonaten sieht man schon so dichte Schwärme, dass der Himmel stundenlang verdunkelt bleibt.
Im Februar 2013 hatte der Zyklon Haruna im Süd-Westen des Landes riesige Überflutungen in den Küstengebieten verursacht, diese Region ist anfällig für lang anhaltende Dürren und für Wirbelstürme. In dieser Region leben fast 90% der Bevölkerung sehr weit unter der Armutsgrenze.

Nach den erheblichen Schäden des Zyklons kamen die bestmöglichen Bedingungen für die Entwicklung der wahrscheinlich schlimmsten Insektenplage die Madagaskar gekannt hatte, zustande.

Durch die Krisensituation kommen keine Finanzmittel von den Weltorganisationen nach Madagaskar und von der hiesigen Regierung sind keine spektakulären Aktionen zu erwarten. Was bleibt den Menschen anders übrig als Heu zu verbrennen in der Hoffnung, die Insekten, die in wenigen Minuten die Arbeit eines Jahres zunichte machen und die Nahrung der Familien gierig verschlingen, zu verjagen?

Ein gesteuertes Programm über mehrere Jahre wäre nötig, Hubschraubereinsatz, chemische Schadstoffe müssten da eingesetzt werden, was aber auch ein riesiges Gesundheitsproblem darstellt in einem Land, in dem chemische Produkte und deren Auswirkung auf die Menschen total unbekannt sind. Die Leute fangen tonnenweise mit primitiven Mitteln die Wanderheuschrecken und trocknen sie zum Eigenverbrauch. Man sieht im Moment mehr Heuschrecken die am Straßenrand trocknen, als Reis oder Maniok.

Wanderheuschrecken sind eine Proteinquelle für Mensch und Tier, aber die Schäden an den Reisfeldern und anderen lebenswichtigen Kulturen stehen in keinem Verhältnis mit dem Verzehr der Insekten. Der Befall verwüstet Nahrungspflanzen und Weiden und legt die landwirtschaftliche Produktion  in vielen Regionen von Madagaskar lahm.

Die Wanderheuschrecke aus Madagaskar  (Locusta Migratoria Capito) kann sich unter idealen klimatischen Bedingungen sehr schnell vermehren, und sobald die Menge der Insekten zu groß ist für das Gebiet, in dem sie geboren wurde, sind sie fähig, riesige Schwärme von mehreren Millionen von Wanderheuschrecken pro Schwarm zu bilden. Sie sind durch die Flügel extrem mobil und können riesige Distanzen bewältigen. Ein einziger Schwarm kann bis zu 100 000 Tonnen Grünfutter pro Tag abfressen. In Madagaskar handelt es sich derzeit um Tausende von Schwärmen, das heißt Milliarden von Insekten, die sich immer weiter ausbreiten und sich dementsprechend vermehren. Madagaskar ist in einer Spirale, die ohne Hilfe aus Europa oder der USA in eine Hungersnot ausartet.

Die optimalen Bedingungen für einen beschleunigten Lebenszyklus sind Temperaturen um die 25°, mäßig feuchte savannenartige Umgebung (weniger als 100 mm/Regen pro Monat). Die Wanderheuschrecken ernähren sich von grasartigen Pflanzen und sind schon deshalb eine absolute Plage für die Getreide-Kulturen. Reis ist, wie jedermann weiß, die Hauptnahrung der Bevölkerung auf Madagaskar.

In den tropischen Bedingungen auf Madagaskar, hauptsächlich in den warmen Savannen im tiefen Süden des Landes, gibt es keine embryonale Pause in der Reproduktion der Insekten.

Die Erklärung der akuten Gefahr der Verbreitung in bisher unberührte Gebiete ist einfach zu erklären, wenn man die kontinuierlichen, von den Umgebungsbedingungen zum Überleben nötigen, Massenbewegungen der Insekten versteht.

Schätzungsweise verwandeln sich die Insekten in mobile Schwärme, sobald eine Dichte von mehreren tausend Erwachsenen pro Hektar überschritten wird. Diese Migrationen sind zum Überleben der Art notwendig, und je mehr Schwärme sich bilden, desto mehr neue ökologisch komplementäre Bereiche müssen besiedelt werden, die Invasion ist im Gange.
Die Wanderheuschrecken fliegen tagsüber in riesigen Schwärmen, bis sie günstige Bedingungen für die Fortpflanzung gefunden haben. Die Entwicklung der Larvenphasen und das Ausschlüpfen aus den Eiern ist wetter- und feuchtigkeitsbedingt.

Unbehandelt kann eine Heuschreckenplage mehr als zehn Jahre dauern und jedes Jahr dehnen sich die besiedelten Gebiete durch die ständige Erhöhung der Bestände an Insekten aus. Nahrungspflanzen und Viehweiden werden dauerhaft unproduktiv und die Lebensgrundlage der Bevölkerung in einem der ärmsten Länder der Welt ist ernsthaft bedroht, schätzungsweise sind 60% des Landes schon in diesem Jahr von der Invasion betroffen.

Ein mehrjähriges Heuschrecken-Bekämpfungsprogramm auf Madagaskar ist ab diesem Jahr mehr als notwendig. Nur die Medien in Europa können meiner Meinung nach solche Aktionen auslösen oder beschleunigen.

Dieser Artikel erreichte uns samt der Bitte um Verbreitung im deutschsprachigen Raum, damit sich auch offizielle Medien mit dem Link befassen.

Netzfrau Lisa Natterer

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