Fragwürdige Mitarbeiterpolitik gegen Japans AKW-Beschäftigte

Fu8Eine Reihe von Kraftwerksbeschäftigten hat auf Grund der Mitarbeiterpolitik des Betreibers TEPCO gekündigt und verringert damit die Zahl der Arbeitskräfte an der Anlage. Grund hierfür sind Forderungen des Unternehmens nach Rückzahlung von Entschädigungsleistungen.

Zahlungsrückforderungen gegen Kraftwerksarbeiter

So berichtet ein Angestellter, der als Helfer der ersten Stunde unter dem mittlerweile an Krebs verstorbenen Kraftwerksleiter Masao Yoshida versucht hatte, die Kernschmelzen zu verhindern, dass ihm das Unternehmen im Herbst 2012 die Entschädigungszahlungen gekürzt habe. Als Grund gab das Unternehmen an, dass der Angestellte auf Grund der Katastrophe im Sommer 2011 in eine Mietwohnung außerhalb der betroffenen Gebiete verzogen war und somit nicht mehr den Status eines Evakuierten gehabt hätte. Somit wurde dieser Schritt als normaler Umzug gewertet, da er bereits zuvor in einer Mietwohnung gelebt hatte. Im Frühling 2013 folgte ein Schreiben seines Arbeitgebers, in dem erklärt wurde, ihm werde die seit dem Sommer 2011 entstandene Differenz von seiner Entschädigungszahlung abgezogen. Da ihm diese Zahlung auf Grund des Umzugs nicht mehr gewährt wurde, müsste er im Endeffekt eine Summe von einigen Millionen Yen aus eigener Tasche zurückzahlen. Die Entschädigung für Evakuierte umfasst, neben anderen Beträgen, eine monatliche Zahlung von 10 000 Yen als Ausgleich für die emotionale Belastung sowie Geld zur Deckung von Kosten, die mit dem Besuch der evakuierten Haushalte verbunden sind.

Auf Drängen des Angestellten erklärte das Unternehmen, dass die genaue Art der Rückzahlung noch nicht geklärt sei. Das Angebot einer außergerichtlichen Schlichtung lehnte der Elektrizitätskonzern ab. Dies berichtete die japanische Zeitung Mainichi Shimbun am Wochenende und berichtet, auch Kollegen des Arbeiters hätten ähnliche Forderungen erhalten.

Damit sind die Reaktoren des Kernkraftwerks Fukushima heute wieder Thema, nachdem es zuletzt still zu werden schien.

Zahlungsrückforderungen gegen Familien von Kraftwerksarbeitern: In der ersten Woche im neuen Jahr 2014 wurde die Berichterstattung fortgesetzt. Nun wird berichtet, dass der Betreiber des AKW Fukushima auch von den Familien der Kraftwerks-Arbeiter die teilweise Rückzahlung der geleisteten Entschädigungszahlungen fordert.

Im Fall eines anderen Angestellten hatte der Arbeiter zuvor finanzielle Entschädigung für alle Familienmitglieder verlangt. Da er im Gebiet lebte, das langfristig als unbewohnbar gilt, hatte er Anspruch auf weitere Zahlungen über einen Zeitraum von fünf Jahren. Ihm gelang die Ausweitung der Ansprüche auf seine Familie und so erhielt er eine Summe von mehr als 20 Millionen Yen. Zwischenzeitlich wurde er mit einem Schreiben der Entschädigungsabteilung des Konzerns aufgefordert, die Rückzahlung der gesamten Entschädigung von mehr als 30 Millionen Yen zu erstatten. Als Begründung nannte das Unternehmen, auch für seine Familie habe der Status als Evakuierte beim Umzug in ein Mietshaus im Sommer 2011 geendet.

Während evakuierte Bürger der Präfektur Fukushima den gesetzlichen Regelungen folgend sowohl für die psychische Belastung entschädigt werden als auch für die Kosten für die zeitweise Rückkehr in die gesperrten Gebiete, um wichtige Dinge sicherzustellen, wurde den Familien der TEPCO-Beschäftigten diese Rechte verwehrt. Vielmehr forderte das Unternehmen sie dazu auf, zuvor gezahlte finanzielle Unterstützungen für den Möbelkauf zurückzuzahlen. 
Nach Angaben der Mainichi Shimbun wurden mindestens vier Familien von Angestellten mit derartigen Forderungen konfrontiert. In zwei Fällen seien Forderungen über zehn Millionen Yen erfolgt.

TEPCO verteidigt auch dieses Vorgehen und erklärte, man entspreche den Entschädigungsforderungen seiner Beschäftigten ebenso wie deren Familien “in angemessener Weise”.

TEPCO-Vorsitzender spornt Mitarbeiter an

Anlässlich seiner Neujahrsansprache am AKW Fukushima Daini, etwa zehn Kilometer vom AKW Fukushima Daiichi entfernt, forderte Kazuhiko Shimokobe, Vorsitzender der Betreiberfirma, die Angestellten dazu auf, sich selbst völlig der Arbeit für die Opfer der Reaktorkatastrophe zu widmen.

Neben der Vorstellung des neuen Geschäftsplans und der Erklärung, dieser werde das Unternehmen schrittweise zu einer deutlichen Erholung von der Katastrophe führen, bat er die etwa 200 anwesenden Angestellten, alle verfügbaren Mittel zu nutzen und sich ernsthaft einzubringen, wenn es um die Unterstützung für die Bewohner der Präfektur gehe. Allerdings wird dies auch die letzte Neujahrsansprache für Shimokobe sein, da er ankündigte, noch in diesem Jahr zurückzutreten.

TEPCO-Präsident Naomi Hirose räumte später gegenüber Pressevertretern ein, der Elektrizitätskonzern habe im vergangenen Jahr keine gute Figur bei der Krisenbewältigung gemacht, versprach jedoch, man werde in diesem Jahr alles unternehmen, um weitere Probleme zu verhindern. Auch er erklärte, man wolle Einwohner unterstützen und nannte konkret die Rückkehr in die früheren Wohnorte. Hierüber berichtete die NHK.

Psychiater der Tepco-Arbeiter: „Unglaublich, wie traumatisiert sie sind“

Seit dem Atomunfall betreut Jun Shigemura Arbeiter aus dem zerstörten Kernkraftwerk in Fukushima. In einem Interview berichtet der Psychiater, was die Strahlenkämpfer durchmachen müssen – und warum die meisten trotzdem weitermachen. 

„(…) Sie dachten, dass sie sterben würden, als die Reaktoren im März explodierten. Trotzdem mussten sie weiterarbeiten, um ihr Land zu retten. Viele kommen aus der Gegend um das Kraftwerk, ihre Häuser wusch der Tsunami weg, ihre Familien mussten fliehen. Die Arbeiter verloren ihr Zuhause, ihre Lieben sind weit weg, sie fürchten sich vor der Radioaktivität. Und dazu kommt, dass die Öffentlichkeit ihnen Vorwürfe macht, weil sie für Tepco arbeiten. Viele denken, dass Tepco für die Katastrophe verantwortlich ist. In Japan wurden die Arbeiter nicht als Helden betrachtet wie in Europa. Einmal spendete jemand frisches Gemüse für die Arbeiter, weil Tepco anfangs nicht in der Lage war, frische Produkte in die Sperrzone zu bringen. Doch die Gaben kamen anonym, weil der Spender nicht dabei ertappt werden wollte, dass er Tepco-Arbeitern hilft.

Ich behandle einen Mann in seinen frühen Vierzigern. Er hatte ein Haus an der Küste nahe dem Kraftwerk, das der Tsunami zerstörte. Dabei verlor er seinen siebenjährigen Sohn verloren. Der Mann musste fliehen, wollte woanders eine Wohnung mieten. Doch der Vermieter wies den Mann ab, weil er für Tepco arbeitete. Als er schließlich doch eine Wohnung fand, klebten die Nachbarn einen Zettel an seine Tür: „Tepco-Arbeiter, verschwinde!“ Da der Mann ziemlich viel Strahlung abbekommen hatte, musste er in eine andere Abteilung wechseln. Jetzt macht er einen Bürojob, für den er nicht ausgebildet ist und der ihm keinen Spaß macht. Er hat Angst, dass er an Krebs erkrankt, ihn plagen finanzielle Sorgen, denn sein Gehalt wurde gekürzt und er hat sein Haus verloren. Dazu kommen Probleme in der Familie. Seine Mutter verlor beim Tsunami ihren Mann und fühlt sich schuldig, dass sie ihn und ihren Enkel nicht retten konnte. Sie weint viel. Wenn mein Patient abends heimkommt, fühlt er sich auch dort unwohl.

Warum sie nicht kündigen – dafür gibt es viele Gründe. Die, mit denen ich sprach, sind ihrer Firma treu und wollen sie retten. Andere tun es wegen des Geldes. Etwa 3000 Arbeiter pendeln jeden Tag nach Daiichi. Die komplizierten Jobs machen Angestellte von Tepco und anderen Firmen wie Hitachi und Mitsubishi. Die einfache Arbeit erledigen Leute, die von Subsubunternehmen angeworben wurden. Mein Team aus sieben Psychiatern konzentriert sich auf Arbeiter von Tepco. Das allein sind schon mehr als tausend. Unter denen behandeln wir die besonderen Risikofälle, also Menschen, deren Kollegen gestorben sind, die ihre Familien verloren haben oder die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Natürlich würde ich gern alle sehen, aber das schaffen wir nicht. Wir mussten Kompromisse eingehen.

Die Menschen sind sehr verwirrt und misstrauisch gegenüber den Behörden. In so einem Umfeld verbreiten sich Gerüchte und falsche Informationen schnell. Im Krisenfall sollte die Kommunikation schnell, präzise und transparent sein. Wenn man Panik verhindern will, sollte man möglichst viele Informationen herausgeben, damit die Menschen die Gefahr verstehen und einschätzen können. Doch von dieser Art der Risikokommunikation versteht die Regierung nichts. Sie hat unter anderem verschwiegen, dass es eine Kernschmelze gab – und die Leute wurden erst recht unruhig.

Es wird noch Jahre dauern, bis alle psychologischen Störungen sichtbar werden. Ich bin sicher, dass die Selbstmordrate im Nordosten steigen wird. Dort gab es schon vor der Katastrophe viele Selbstmorde: Die Winter sind lang und kalt, die Arbeitsplätze knapp und die Menschen gelten als besonders leidensfähig, das heißt sie sprechen meist nicht offen über ihre Probleme. Hinzu kommt die Strahlenangst, die manche Gemeinden in Fukushima in zwei Hälften trennt. In Tamura möchte ein Teil weggehen, der andere Teil bleiben. Das kann auch eine Krise für Familien und Freunde bedeuten. Vielleicht möchte die Ehefrau unbedingt weg und der Mann möchte bleiben? An solch einer Frage können Beziehungen zerbrechen (…)“.

Auf jeden Fall sollte man den Menschen möglichst viele Möglichkeiten anbieten, wo und wie sie leben wollen. Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, um ihnen wieder eine Perspektive zu geben. Die Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem unter den Flüchtlingen. Sie haben es schwer, unbefristete Jobs zu finden, denn niemand weiß, wie lange sie bleiben werden, ob sie nach einem oder nach zehn Jahren zurückkehren können – oder nie wieder.

Netzfrau  Lisa Natterer

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