Die Natur verblüfft uns immer wieder mit hochkomplexem Verhalten bei Tieren in großen Gruppen. Angefangen bei der blitzartigen Bewegung eines ganzen Fischschwarms, über die Nahrungssuche der Ameisen und Bienen bis hin zum Fluchtverhalten einer Herde Gnus. Bei genauerem Hinschauen beruht dieses Verhalten aber zumeist auf wenigen sehr simplen Regeln. Doch nicht nur dort findet man intelligente Schwärme. Sie findet sich auch im Verhalten des Menschen wieder und wird als neuer Lösungsansatz für Probleme genutzt, die mit herkömmlichen Algorithmen nur unzureichend lösbar sind.
Schwarmintelligenz bringt Guttenberg in Bedrängnis
Schummeln, Betrügen und Täuschen ist so alt wie die Wissenschaft selbst, auch bei Dissertationen. Ob es sich dabei um vorsätzliche Täuschung handelt, liegt im Ermessen der jeweiligen Universität. Doch in der Causa Guttenberg war es zum ersten Mal anders: Was sonst hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, fand diesmal in der Öffentlichkeit statt. Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe oerganisierten sich im Internet Gruppen, die auf eigene Faust die Arbeit Guttenbergs nach Fehlern durchforsteten. Was die einen als Hetzjagd verurteilten, war für die anderen ein Beleg für die neue Macht des Internets.
Schwarmintelligenz lässt sich charakterisieren als Verhalten von vielen Individuen, die nach einfachen Regeln handeln. Als Ergebnis dessen entstehen komplexe Verhaltensmuster, die allein auf Grundlage der einfachen zugrunde liegenden Regeln nicht immer erkennbar sind und zu denen die einzelnen Individuen nicht fähig wären. Diese Gruppen zeichnen sich durch Selbstorganisation, Anpassungsfähigkeit und Robustheit aus.
Intelligenz zeigt sich hier nicht, wie im üblichen Intelligenzbegriff beim Menschen, als Fähigkeit, Fakten und Zusammenhänge zu verstehen, neues Wissen zu erwerben und dieses zur Lösung von Problemen zu nutzen. Vielmehr beschreibt Intelligenz hier die Fähigkeit, ein Gruppengedächtnis aufzubauen und Probleme in einer Gruppe zu lösen, indem jedes Mitglied einen Teil dazu beiträgt.
Massenbewegungen im Internet – Werden wir im Netz zu einem globalen Schwarm?
Verschmelzen wir zu einem Superorganismus? Entsteht im globalen Netz, was Wissenschaftler ein emergentes Phänomen durch Selbstorganisation nennen, bei dem das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile? So manche Projekte der Netzkultur scheinen solchen Visionen recht zu geben.
Massenbewegungen im Internet gelten als Musterbeispiel für erfolgreiche Schwarmintelligenz. Spannende Nachrichten finden rasend schnell Verbreitung, Langweiliges verschwindet bereits nach wenigen Tweets im Datennirwana. Dass Menschen gemeinsam bessere Entscheidungen treffen als einer allein, haben Experimente schon mehrfach bewiesen. Abweichende Meinungen sind aber auch wichtig, um kritisch zu bleiben gegenüber der eigenen Meinung.
Über Facebook sind bereits rund sieben Prozent der Weltbevölkerung vernetzt. Soziale Netzwerke und Kommunikationsplattformen können, digital gesteuert, in der analogen Welt Massen bewegen. Das zeigte der Einfluss von Facebook und Twitter auf die politischen Umbrüche in Nordafrika. In einzelnen Details sind solche Plattformen an Regeln gebunden. In der Gesamtheit folgen die Vorgänge den Prinzipien der Selbstorganisation und sind ein digitales Abbild unserer Zivilisationskultur. Dabei, glaubt man Evolutionspsychologen, scheitern wir im analogen Leben bereits daran, mehr als 150 Sozialkontakte zu halten und zu organisieren.
Im Gegensatz zu anderen Medien sind im Internet die Nutzer Empfänger und Sender zugleich. Die Meinungsvielfalt, die dadurch entsteht und in deren Rahmen sich immer wieder Gruppen, Kollektive oder Schwärme zusammenfinden, hat jedoch auch Schattenseiten. Politisch Radikale, die in der analogen Welt meist versteckt agieren, können in der digitalen Welt ohne viel Aufwand über Portale, Foren und Blogs ihren Nachwuchs rekrutieren. Das Internet bildet das ganze Spektrum der Schwärme menschlicher Ideen ab – auch die negativen.
Das Netz ist nicht Ursache, sondern ein Werkzeug, das unsere evolutionäre Veranlagung, Gruppen zu bilden, zu kooperieren, zu kommunizieren und uns anderen Meinungen anzuschließen, verstärkt. Dabei bedient es den uns eigenen Herdentrieb oder unser Schwarmverhalten. Kein Wunder, dass es die verschiedenen Interessengruppen gibt, die es beobachten, kontrollieren oder auch manipulieren wollen. Von Geheimdiensten über Kriminelle bis hin zu Trendforschern und den Regierungen, wie Sie dem folgenden Video entnehmen können:
Aktivierung kollektiver Intelligenz / Kommunikation – Peter Kruse 5. Juli 2010 Enquete Netzpolitik
Eine interessante und bewegende Rede von Herr Prof. Dr. Peter Kruse zur Internetbewegung. Diese Rede ist ein Grundstein für das Verständnis von Social Media und dem verbundenen Verhalten der Nutzer. Dabei wird innerhalb von wenigen Minuten klar, was eigentlich Social Media bedeutet und wie man sich im Social Web bewegen soll. Für jeden praktizierenden und interessierten Social Medianer ein Need 2 Know. Es handelt sich hierbei um die Rede von Prof. Dr. Peter Kruse, welche ausgeschnitten wurde aus der 4. Sitzung der Enquete Kommision „Internet und digitale Gesellschaft“, im Deutschen Bundestag.
Revolution 2.0: Warum die sozialen Netzwerke die Gesellschaft grundlegend ändern
Jeder kennt es, (fast) jeder braucht es: das Internet. 40 Jahre nach seiner „Geburt“ ist es nicht mehr wegzudenken. Nie zuvor war die Menschheit so abhängig von einem technischen Netzwerk wie heute. Quarks & Co hakt nach: Wie hat das Internet unsere Gesellschaft verändert, und wie funktioniert es überhaupt?
http://youtu.be/rALta2yWVJk?t=1s
Schwarmintelligenz: Wie Ameisen den kürzesten Weg finden – Der Ameisenstaat als Modell der Schwarmintelligenz
Wie komme ich am schnellsten zur Nahrung? Wenn sich eine Ameise alleine mit dieser Frage beschäftigte, fände sie nie den kürzesten Weg dorthin. Nur gemeinsam mit ihrem Schwarm kann sie diese Aufgabe lösen – mit der Intelligenz des Schwarms. Dafür benötigen die Ameisen keinen Anführer, der sagt, wo es langgeht, sondern spezielle Regeln, die sie befolgen. Der Schwarm organisiert sich selbst. Forscher wollen von den Ameisen lernen, um etwa Routen zu berechnen oder schwierige Aufgaben zu lösen.
Wissenschaftler waren lange davon überzeugt, dass das Verhalten von Tieren in Schwärmen etwas mit übersinnlicher Wahrnehmung zu tun habe. Inzwischen können sie das Verhalten eines Schwarms auch wissenschaftlich erklären: Reagieren die Mitglieder einer Gruppe gemeinsam auf Veränderungen in ihrer Umwelt, entwickeln sich Regeln der Interaktion. Forscher sprechen davon, dass ein komplexes, anpassungsfähiges System entsteht.
Bei Bienen funktioniert die Schwarmintelligenz
Suchen Bienen eine neue Bleibe, könnten größere Schwärme einen Vorteil haben. Sie treffen nach einer Studie vermutlich häufiger die richtige Wahl unter den Nistplätzen als kleinere Schwärme.
Die Forscher prüften die Ergebnisse ihrer Simulationen an zwei Gruppen von Bienenschwärmen von jeweils acht mal 5000 bzw. 15 000 Tieren. Während beide Schwarmgrößen ihre Entscheidung in etwa gleich schnell trafen, zeigten Videobeobachtungen im Stock die gleichen Unterschiede, die sich auch in den Simulationen ergeben hatten: In den großen Schwärmen tanzten erheblich mehr Kundschafterbienen und brachten schnellere Informationen über mehr Nistplätze. Ob dies dann tatsächlich auch zu besseren Entscheidungen führt, konnten die Forscher allerdings noch nicht prüfen.
Warum sind Ameisen und andere soziale Insekten so unglaublich erfolgreich?
Ihre Stärke verdanken sie ihrer sozialen Organisation. Aber wie gelingt es ihnen, in ihren riesigen Ameisenstaaten eine Ordnung herzustellen und aufrecht zu erhalten? Wie verwalten sich die Ameisenstaaten? Wer wird Königin? Wie können sie Voraussagen über die Zukunft treffen? Wie lassen sich Tausende von Individuen unter einen Hut bringen, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen und kein Chaos anzurichten? Wie werden Entscheidungen getroffen, und woher weiß jede Ameise, was sie wann zu tun hat? Der Organisationsgrad der Ameisenstaaten verblüfft um so mehr, wenn man weiß, dass Ameisen eigentlich nur über recht dürftige Sinnesorgane verfügen, mit denen sie die Welt wahrnehmen können. Außerdem ist ihr Nervensystem nur recht schwach ausgebildet und kann nur eine begrenzte Zahl von Reizen verarbeiten; ihr Erinnerungsvermögen reicht nur wenige Stunden in die Vergangenheit zurück.
Intelligenz lässt sich ganz einfach definieren als die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Ein System ist intelligenter als ein anderes, wenn es in einem bestimmten Zeitraum mehr Probleme lösen kann oder bessere Lösungen für ein Problem findet. Von kollektiver Intelligenz einer Gruppe darf dann gesprochen werden, wenn sie mehr oder bessere Lösungen findet als ihre einzelnen Individuen fänden, wenn sie allein arbeiteten.
Die einzelnen Individuen vollbringen in ihrer Gesamtheit kognitive Leistungen, die die Fähigkeiten jedes Einzeltiers weit übersteigen. Doch eine hierarchisch oberste Instanz, ein zentraler Organisator, ist nirgends erkennbar. Die ‚Seele‘ des Ameisenstaats ist dezentralisiert als kollektive Intelligenz über die Gesamtheit der Gruppenmitglieder verteilt.
Die Macht des Internets
Die Generation des 21. Jahrhunderts hält die wohl mächtigste Waffe der Weltgeschichte in ihren Händen: Handys, Smartphones, iPads, Twitter, Facebook, soziale Netzwerke.
Keine Regierung kommt an gegen die Macht der Vernetzung. Gegen Ideen und Bilder, die sich innerhalb von Sekunden um die Welt verbreiten können.
Das Internet – es hat Millionen Menschen, was sie jahrzehntelang nicht hatten: eine Stimme, die kein Politiker der Welt mehr überhören kann!
Aktuelles Beispiel: Rotterdam verbietet Monsanto Roundup – Glyphosat – Eine Petition war erfolgreich!
Die Welt wird immer komplizierter, wie soll man da als Einzelner noch den Überblick behalten? Auf sich allein gestellt erscheint das unmöglich – aber wenn Hunderte oder Tausende Menschen sich zusammentun, sieht die Sache schon anders aus. Der Mensch profitiert von der sogenannten Schwarmintelligenz, der Weisheit der Vielen.
Wir Netzfrauen sind Frauen aus vielen Ländern der Welt, Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich, Luxemburg, Island, Chile, Neuseeland, Tunesien, Spanien, Peru, Australien, USA, Kanada, Afrika, Russland, Japan u. s. w. In Sekundenschnelle informieren wir uns, durch unser Netzwerk. Nutzen wir nicht auch die Schwarmintelligenz?
Was eine nicht schafft, schaffen viele.
© Netzfrau Doro Schreier
(Erstveröffentlichung: 19. August 2013)
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