Die Geschäfte der Müllmafia boomen, nicht nur in Italien, auch in Deutschland

müllmafiaMit illegaler Abfallentsorgung werden nicht nur in Italien Millionen ergaunert. Die Geschäfte der Müllmafia boomen wie nie zuvor. Dies ist allseits bekannt, auch die Netzfrauen berichteten bereits darüber. (Wie giftig ist unser Gemüse von der Sondermülldeponie?)

Vergangene Woche kam es in Rom zu sieben Hausarresten, allen voran der 87-jährige Manilio Cerroni, Anwalt und Eigentümer der größten europäischen Mülldeponie Malagrotta in Rom. Wegen seines hohen Alters bekam er Hausarrest.

Illustre Namen unter den Beschuldigten, u. a. der  ehemalige Präsident der Region Lazio, Bruno Landi, Luca Fegatelli, bis 2010 war er Chef der regionalen Energiedirektion, Francesco  Randi und Piero Giovi, beide leitende Mitarbeiter der Mülldeponie Malagrotta, Raniero De Filippis, ehemaliger Leiter der Region Lazio und Pino Sicignano, Direktor der Mülldeponie von Albano Laziale. Die Beschuldigungen lauten: Betrug und kriminelle Zusammenarbeit im Zusammenhang mit Geschäften der Müllentsorgung. Zu den Vorfällen werden augenblicklich 21 Personen verhört. Einem Artikel des Corriere Della Sera zufolge wurden Vermögenswerte von über 18 Millionen Euro beschlagnahmt. Bereits vor Monaten wurde die Müllanlage Malagrotta wegen Überlastung geschlossen, nachdem seit Jahren schon um die Schließung diskutiert wurde. Laut Recherchen von Eurispes (Italienisches Institut für politische, wirtschaftliche und soziale Recherchen) wurden täglich 4500 bis 5000 Tonnen Müll aus der Stadt Rom, Fiumicino, Ciampino und der Vatikanstadt auf 240 Hektar in der Müllanlage Malagrotta entsorgt.

Lukrativ war das Geschäft mit dem Müll. Der „Padrone“ Cerroni, der die römische Abfallwirtschaft und die der gesamten Region Latium kontrolliert, machte einen jährlichen Umsatz von ca. einer Milliarde Euro.

Tödliche Geschäfte mit Giftmüll – „Terra dei Fuochi“ – das Dreieck des Todes

Vincenza Maisto starb vor zwei Monaten im Alter von 16 Jahren. Sie wurde zum Symbol von Acerra, einer italienischen Stadt der Region Kampanien, Provinz Neapel, der „Terra dei fuochi“ –  (Land der Feuer). Das Mädchen hatte einen Appell gestartet, mit dem sie aufrief, die Umweltvergiftungen in ihrer Heimat zu stoppen. Noch im Krankenhaus hielt sie auf einem Foto ein Blatt mit ihrer Botschaft in der Hand: „Acerra darf nicht sterben, rettet es“.

Jetzt starb sie an Knochenkrebs wie so viele Menschen der „Terra dei fuochi“, auch „Dreieck des Todes“ genannt. Die Tumorerkrankungen im süditalienischen Gebiet zwischen den Provinzen Neapel und Caserta, die auf die toxischen Gifte zurückgeführt werden, häufen sich, wenn dies auch immer wieder von den Verantwortlichen erfolgreich abgestritten wird. Besonders betroffen sind Kinder und die Rate der Missbildungen bei Neugeborenen liegt weit über dem Landesdurchschnitt.

Das interessiert die Betreiber der Müllhalden samt verantwortlicher Politiker, die seit 25 Jahren dort ihr Unwesen treiben, wenig. Sie setzen ihr schmutziges Geschäft  fort und haben mit ihrem kriminellen Treiben die Umgebung von Neapel zu einer Sondermüllhalde gemacht. Dort, wo seit Generationen auf fruchtbarem Land angepflanzt wurde, lagert jetzt Sondermüll (giftige Industrieschlämme, Asbestrückstände, Blei, Farbmittel, Chlorverbindungen, Lösungsmittel, und vieles mehr), verbuddelt unter den Äckern, billig „entsorgt“. In ganz Italien gibt es ca. 5000 illegale Mülldeponien, die ohne Kontrollen sind (The Lancet Oncology, Sept. 2004, vol.5).

Das einst fruchtbare Land, von den Römern der Antike Campania felix (glückliche Landschaft) genannt, wird von Landwirten zur Verfügung gestellt und bei jeder Ladung Müll klingelt die Kasse der Grundbesitzer, die mit der Mafia gemeinsame Sache machen. Nicht selten wurden sie von der Camorra unter Drohungen gezwungen, die Giftabfälle auf ihren Feldern zu „entsorgen“. Tomaten und Brokkoli werden über und neben dem Sondermüll trotzdem angepflanzt und landen auch in unseren Haushalten. Doppeltes Geschäft für einige, doch nicht alle Landwirte machen mit. Die meisten von ihnen organisieren sich in Bürgerinitiativen und mit nicht korrupten Beamten und Politikern.

Noch glimmen zwar die Brände der „Terra dei Fuochi“ weiter, um neuen Anlieferungen Raum zu bieten, doch der Widerstand der Bürger der einst „glücklichen Landschaft“ wächst tagtäglich.

Radioaktive Abfälle aus Deutschland  – „entsorgt“ in Italien

Bereits im August 2013 legte Carmine Schiavone, ein „Pentito“ (Name für ehemalige, reuige Mafiosi), in einem Fernsehinterview seine Machenschaften offen. Sein mafiöses System funktionierte, indem er Hand in Hand mit norditalienischen Unternehmen arbeitete, die ihren Gift- und Sondermüll in Sandgruben an Stränden, in Fischteichen und Steinbrüchen im Hinterland entsorgen durften. Schiavone berichtet in Il Sole, 24ore, 14. 01. 2014,  „(…) dass auch aus Deutschland Lastwagen mit radioaktivem Schlamm kamen. Aber nicht nur. Auch waren Fässer dabei, die Toluol oder Fabrikabfälle enthielten. Auch kamen Fahrzeuge aus Norditalien.“ Schiavone berichtet von großen Unternehmen aus Mailand, die dort Abfälle sammelten, auch aus dem Ausland, die dann in Süditalien entsorgt wurden. Alles endete unter der Erde. Um den Abfall zu verstecken, wurden Gruben von 30 bis 40 Metern gegraben. „(…) Ich weiß aus Erfahrung, dass bis 1991 Giftmüll, nicht nur aus Italien, sondern aus ganz Europa dort entsorgt wurde“, so Schiavone. Er spricht von Schiffen mit gefährlichen Abfällen, die im Mittelmeer vor der Küste von Kalabrien und Kampanien versenkt wurden.

Die Untersuchungen gehen weiter.  Vieles gilt immer noch als Staatsgeheimnis. Das Parlament gab erst jetzt nach über 16 Jahren das Protokoll einer geheimen Anhörung von 1997 mit Schiavone frei, in der er bereits damals die Zustände beschrieb.

Es kommt zu neuen Protestzügen von Menschen gegen die Müllmafia und Müllprofiteure, die ihr Ackerland und Wasser verseucht haben. Sie demonstrieren weiter gegen die Brände in Abfalldepots, die ihre Atemwege und Lungen mit Dioxin vergiften und Kommunalpolitiker, denen über viele Jahre hinweg dieses Treiben bekannt war.

Deutsche Firmen mischen eifrig mit im kriminellen Müllbusiness 

In Deutschland befinden sich überdimensionierte Entsorgungsanlagen, die nicht ausgelastet sind und gefüllt werden müssen. So bietet sich der importierte Müll aus Italien samt seiner Sondermüll-Entsorgungsmethoden an. In Deutschland wird dann der italienische Giftmüll vermischt, beispielsweise mit Erde oder anderen nicht gefährlichen Stoffen, und schon kann Giftmüll als harmloser, unschädlicher Müll etikettiert werden.

Hier zur Sendung. Frontal 21  http://www.zdf.de/Frontal-21/Giftig-und-gefährlich-30924784.html

In dem Video „Giftig und gefährlich – Schiebereien der Müll-Mafia“ (gesendet von ZDF, Frontal21, am 3. 12. 13) wird die Vorgehensweise der Müllschieber offen gelegt am Beispiel der Firma S.D.R. Biotec, ansässig im nordsächsischen Pohritzsch. Das Unternehmen, inzwischen aufgelöst, war spezialisiert auf Giftmüll. Sie machten es sich zur Aufgabe, auf ihrer Deponie giftigen Müll so aufzubereiten, dass er „keine Gefahr“ für Umwelt und Menschen darstellt. Ein ehemaliger Mitarbeiter, der von 2002 bis 2012 bei der Firma arbeitete und selbst Umdeklarierungen vorgenommen hatte, erklärt in dem Video die kriminelle Vorgehensweise der Giftmüll-Entsorgung. Akten des BKA ist zu entnehmen, dass durch diese Anlage ca. 68 000 Tonnen Giftmüll geschleust wurden.

Auch in diesem und anderen Fällen sollen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft etwas Licht in die dunklen skrupellosen Müll-Geschäfte bringen. In Italien ist das Militär inzwischen zur Bekämpfung der Müllmafia eingeschaltet.

Mit Steuergeldern werden Deponien in Deutschland gebaut, wir zahlen Gebühren, um auch den Müll aus anderen Ländern zu „entsorgen“ und allseits ist bekannt, dass die organisierte Kriminalität dabei munter mitmischt.

© 2014 Netzfrau Birgitt Becker

Erschreckend – noch mehr Lebensmittelskandale. Wie giftig ist unser Gemüse von der Sondermülldeponie? 

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