Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit?

Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Egal, worum es geht, welcher Politiker spricht, welche Werbung man sieht oder hört – um den Begriff Nachhaltigkeit kommt niemand herum. Fast scheint es, als sei Nachhaltigkeit ein Mäntelchen in Universalgröße, das im Zweifel jedem Thema passt. Häufig hören wir „Nachhaltigkeit“, wenn es um Zukunft geht oder um Umweltpolitik. Neuerdings hört man den Begriff auch dort, wo er einfach nicht hin passen mag. Aber dazu später mehr…

Schauen wir zunächst, was hinter dem Begriff steckt und woher er stammt. Die Idee der Nachhaltigkeit reicht weit zurück und ist in irgendeiner Form in allen Kulturen verwurzelt. Die Indianer zum Beispiel lebten diese Idee. Die amerikanischen Ureinwohner nannten einen See „Manchau gagog changau gagog chaugo gagog amaug“, was soviel bedeutet wie „Wir fischen auf unserer Seite, Ihr fischt auf Eurer Seite und niemand fischt in der Mitte.“ (Handbuch Globale Umweltpolitik, P. S. Chasek et al., Parthas Verlag, 2006) Welch einfache Überlebensstrategie, von der sowohl Mensch als auch Natur profitieren!

Der Begriff Nachhaltigkeit hat seinen Ursprung in der Forstwirtschaft. Anlässlich der zunehmenden Holzknappheit schrieb der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) in seiner 1713 veröffentlichten „Sylvicultura Oeconomica“ von einer „nachhaltenden Nutzung der Wälder“ und erklärt diese zu einer „unentberlichen Sache ohne welche das Land in seinem Esse [Sein, Wesen] nicht bleiben mag.

Der damalige Landesforstmeister, Georg Ludwig Hartig, ergänzt in einer späteren Ausgabe, es lasse sich „keine dauerhafte Forstwirtschaft denken und erwarten, wenn die Holzabgabe aus den Wäldern nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist“ und plädiert dafür, die Waldungen so zu nutzen, „daß die Nachkommenschaft wenigstens ebensoviel Vorteil daraus ziehen kann, als sich die jetzt lebende Generation zueignet.“ Hartigs folgendem Satz kann das allgemeine Sinnbild der Nachhaltigkeit schon fast entnommen werden: „Unter allen Bemühungen des Forstwirts ist wohl keine wichtiger und verdienstlicher, als die Nachzucht des Holzes oder die Erziehung junger Wälder, weil dadurch die jährliche Holzabgabe wieder ersetzt, und dem Wald eine ewige Dauer verschafft werden muss.“

Ähnlich drückt es Jimmie C. Begay (Weisheit der Indianer – Vom Leben im Einklang mit der Natur, K. Recheis et al, Orbis 1995) aus: „Wenn wir der Erde etwas wegnehmen, müssen wir ihr auch etwas zurückgeben. Wir und die Erde sollten gleichberechtigte Partner sein. Was wir der Erde zurückgeben, kann etwas so Einfaches – und zugleich so Schwieriges – wie Respekt sein. Die Suche nach Öl, Kohle und Uran hat der Erde bereits großen Schaden zugefügt, aber noch kann dieser Schaden wiedergutgemacht werden – wenn wir es wollen. Beim Abbau von Bodenschätzen werden Pflanzen vernichtet. Es wäre recht und billig, der Erde Samen und Schösslinge anzubieten und dadurch wieder zu ersetzen, was wir zerstört haben. Eines müssen wir lernen: Wir können nicht immer nur nehmen, ohne selber etwas zu geben. Und wir müssen unserer Mutter, der Erde, immer so viel geben, wie wir ihr weggenommen haben.“

„Nachhaltigkeit wird oft als eine neue Art von Umweltpolitik verstanden und ist doch mehr als Umweltschutz. Sie berücksichtigt die Zukunftsverantwortung für die kommenden Generationen (intergenerative Gerechtigkeit) und die Verantwortung für die heute lebenden Menschen – eine sogenannte Verteilungsgerechtigkeit.“ (R. Freericks et al., Freizeitwissenschaft – Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München)

Die Schweiz hat als erstes Land der Welt die Nachhaltigkeit in ihrer Verfassung verankert. Artikel 2, Absatz 2 besagt: „Sie [die schweizerische Eidgenossenschaft] fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.“ In Absatz 4 wird die Idee der Nachhaltigkeit inhaltlich aufgegriffen: „Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.“ Und § 74 definiert den Begriff Nachhaltigkeit so: „Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits an.“

In Deutschland wurde in diesem Sinne das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erlassen, das nach § 2 die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf

  1. Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,
  2. Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
  3. Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie
  4. die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern

umfasst.

Fernab von der Forstwirtschaft bekam der Begriff Nachhaltigkeit anlässlich der Weltumweltkonferenzen international ein neues, umweltpolitisches Gesicht. Die erste der Konferenzen trug den Titel „Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen“. Sie fand im Juni 1972 in Stockholm statt und war der Einstieg in die globale Umweltpolitik. Mehr als 1200 Vertreter aus 113 Staaten trafen sich, um Umwelt- und Naturschutzthemen zu diskutieren. Eine „Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen“ wurde erarbeitet, die 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung umfasste, sowie 109 Empfehlungen für Maßnahmen des internationalen Umweltmanagements.

Der Grundstein für das grenzüberschreitende Umweltprogramm UNEP (United Nations Environment Programme), welches (in Zusammenarbeit mit anderen UN- und internationalen Organisationen, NGOs und Unternehmen) als eine Art Kombination aus Bildungskanal, Entwicklungsinstrument und rechtlichem Vertreter für Umwelt und nachhaltige Entwicklung fungiert, wurde gelegt.

Auf der Folgekonferenz, der „Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung“, dem sogenannten Erdgipfel im Juni 1992 war globale Nachhaltigkeit das Hauptthema. Ergebnis der Konferenz war unter anderem die Agenda 21, die sich als Leitlinie zur Entwicklung von lokalen Konzepten (Lokale Agenda 21) zum Thema Nachhaltigkeit versteht, die je nach Land und Entwicklung verschiedene Themen aus unterschiedlichen politischen Bereichen umfassen können.

Auch wenn der Begriff Nachhaltigkeit immer öfter durch wenig nachhaltig agierende Unternehmen ausgebeutet wird, zeigen uns doch das enorme weltweite (politische und öffentliche) Interesse und die Häufung des Begriffs deutlich, dass es sich hier nicht um ein Modewort handelt – wenngleich die aktuellen umweltpolitischen Themen beweisen, dass der gewünschte Fortschritt auf sich warten lässt.

Grund dafür ist vermutlich, dass ein nachhaltiger Lebensstil Veränderung bedeutet und die meisten Menschen Veränderungen erst einmal fürchten. Manche haben auch längst resigniert, weil sie „zu groß“ denken. Sie glauben, die notwendige Veränderung alleine bewältigen zu müssen, und wissen, dass sie das niemals schaffen können.

Dabei ist Nachhaltigkeit so einfach. Sie ist keine 180-Grad-Drehung, sie ist ein Prozess vieler kleiner Schritte vieler kleiner Leute. Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht oder Anstrengung, sondern lediglich Aufmerksamkeit dafür, ob ich das, was ich meine zu brauchen, auch tatsächlich brauche und will. Nachhaltigkeit ist nicht viel mehr als ein Denkprozess.

Ein Beispiel: Wenn ich in der Werbung von McDonald’s über Nachhaltigkeit und gesunde Lebensmittel lese, kann ich mir natürlich meine Familie und die „Kauf 2, Zahl 1“-Gutscheine schnappen, die in beinahe jedem Wochenblatt zu finden sind. Und dann halte ich tagtäglich Einkehr im Burgerparadies. Es gibt warmes, angeblich „nachhaltig“ produziertes Essen zu vergleichsweise moderaten Preisen und ich muss selten so lange warten wie am Biostand auf dem Wochenmarkt. Dank XXL-Burgerbratküche und Wegwerfgeschirr spare ich nicht nur die Energiekosten fürs Kochen, sondern auch für den Betrieb des Geschirrspülers. Der Müll landet nicht in meiner Tonne, spare ich also auch noch die Abfallgebühren. Hurra!

Jetzt beginne ich den Prozess der kleinen Veränderungen, indem ich bewusst nachdenke. Mal ganz ab vom gesundheitlichen Aspekt: Burgerfleisch ist Rindfleisch. Viel zu viel Anbaufläche wird schon für Viehfutter und als Weideland für Tiere benutzt (um nicht zu sagen missbraucht), oft werden dafür eigens Waldflächen gerodet. Kühe pupsen Methan, ein Gas, das in nicht unerheblichem Maße zum Fortschreiten der Klimakatastrophe beiträgt. Weder Rind- noch Hähnchenfleisch kommen ausschließlich aus Deutschland, sondern (Rind zu einem geringeren, Hähnchen zu einem deutlich höheren Teil) auch aus entfernteren Ländern der EU. Das Hähnchenfleisch stammt teilweise sogar aus Brasilien. Dies bedeutet, dass da draußen irgendwo ein LKW eingepferchte Viecher durch die Gegend karrt und mit seinen Abgasen die Luft verpestet. Das Federvieh wird womöglich eingeflogen.

Diesen Erkenntnissen folgt das Umdenken (und da kann man, wenn man möchte, sehr kreativ sein). Sicher wäre jetzt eine meiner Möglichkeiten, dass ich Veganer werde und/oder nur noch Lebensmittel vom Biobauern kaufe. Aber vielleicht kann ich mir das auf Dauer gar nicht leisten, habe keinen Biobauern in der Nähe oder einen anderen triftigen Grund, warum eine solche Kehrtwendung nicht möglich (oder nicht gewünscht) ist. Hier greift das Prinzip der kleinen Schritte, denn auch die können den richtigen Weg gehen. Dann werde ich eben besagten Burgerbrater künftig nicht mehr aufsuchen. Der kriegt mein Geld nicht! Mit dieser bewussten Entscheidung ist ein erster Schritt getan.

Alles, was ich darüber hinaus entscheide, sind dann weitere Schritte. Niemand zwingt mich dazu. Ich darf denken und ich darf frei entscheiden, welchen meiner Schritte ich für mich und die, die nach mir kommen, verantworten kann. Jede Situation, in der ich erkenne, dass das, was ich vorhabe, eventuell nicht nachhaltig ist, und ich ganz bewusst entscheide, es dieses Mal anders zu machen… All diese kleinen Schritte summieren sich, tun sich von ganz alleine zusammen zum großen Ganzen und helfen so, die Welt zu verändern.

Netzfrau Andrea Wlazik

„Vieles ist töricht an eurer Zivilisation. Wie Verrückte lauft ihr weißen Menschen dem Geld nach, bis ihr so viel habt, dass ihr gar nicht lang genug leben könnt, um es auszugeben. Ihr plündert die Wälder, den Boden, ihr verschwendet die natürlichen Brennstoffe, als käme nach euch keine Generation mehr, die all dies ebenfalls braucht. Die ganze Zeit redet ihr von einer besseren Welt, während ihr immer größere Bomben baut, um jene Welt, die ihr jetzt habt, zu zerstören.“
Tatanga Mani (Weisheit der Indianer-Vom Leben im Einklang mit der Natur, K. Recheis et al, Orbis, 1995)

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