Wirtschaftliche Nachbeben im Erdbebengebiet Aquila – neue Korruptionsvorwürfe

nachbeben aquilaBei dem verheerenden Erdbeben in der italienischen Abruzzenregion von April 2009 starben über 300 Menschen und ca. 65 000 wurden obdachlos. Die letzten Jahre kamen zahlreiche Betrugsfälle ans Tageslicht, die in Zusammenhang mit den Wiederaufbauarbeiten stehen.

Es ist die Rede von Milliarden, die bereit gestellt wurden, u. a. für den Häuserbau der Obdachlosen, für Schulen und die Rekonstruktion von historischen Bauten und Monumenten. Aquila, das kulturelle Zentrum der Region, war besonders betroffen und viele architektonische Kostbarkeiten lagen unter den Trümmern.

Wo ist das Geld gelandet? 

So wie es aussieht, ist das Geld nicht immer an den richtigen Stellen angekommen. Wie üblich im Baugewerbe, hat sich die Camorrra und Ndrangheta (kalabresische Mafia) bestens bedient. Die italienische Staatsanwaltschaft bestätigte, dass es sich um ein gut organisiertes Netzwerk handelt, bei dem in Bar Schmiergelder gezahlt wurden. Bereits im Mai 2011 beklagte die EU, dass Gelder der EU-Katastrophenhilfe in Millionenhöhe in mafiösen Quellen verschwunden seien.

Der Wiederaufbau von Aquila und Umgebung ist alles andere als erdbebensicher

Dieser Tage wurden neue Betrugsfälle bekannt, bei denen öffentliche Mittel – wie gewohnt – die Kassen von skrupellosen Verbrechern des Baugewerbes füllten. Die Rede ist u. a. von Schulen, bei denen die Wiederaufbaukosten fünfmal über den tatsächlichen Ausgaben liegen. Zudem wurden schwere Sicherheitslücken entdeckt, da bei den Arbeiten an den Fundamenten statt der in den Ausschreibungsunterlagen angegebenen 80 Mikropfählen nur 48 gesetzt wurden. Gravierende Sicherheitslücken auf Kosten von Schülerinnen und Lehrpersonal.

Mehr als vier Millionen Euro haben Firmen und Beamte für angeblich erdbebensichere Maßnahmen an Schulgebäuden abkassiert.  Am Betrug sind Beamte und Unternehmer beteiligt. Sie sind inzwischen wegen schweren Betrugs gegen den Staat angeklagt. Von dem Betrug betroffen sind neun Schulen, davon sechs in Avezzano und drei in der Stadt Sulmona.

Nehmen wir als Beispiel das Gymnasium Pollione in Avezzano. Die Provinzbehörde hatte sich entschlossen, dieses Gebäude nur teilweise abzureißen und wieder aufzubauen. Nach Untersuchungen der Finanzpolizei und der Carabinieri del Ros (Gendamerie-Spezialeinheit zum Kampf gegen organisiertes Verbrechen) von Aquila sollte das Schulgebäude jedoch nicht abgerissen werden, da kein Abrissbedarf bestand. Die Untersuchungen zeigten auch, dass es ausgereicht hätte, lediglich am Dach einige Arbeiten vorzunehmen, deren Ausgaben sich auf mehrere zehntausend Euro belaufen hätten. Mit dem Neubau des Schulgebäudes wurden allerdings die öffentlichen Kassen mit zwei Millionen Euro belastet.

Außerdem haben die Provinzbehörden für Ausweichquartiere während der Wiederaufbauarbeiten der Schulen extrem überhöhte Mieten an private Einrichtungen gezahlt. Die Schuldirektion hatte im Vorfeld Lösungen mit unerheblichen Kosten vorgeschlagen, die allerdings von den Behörden abgeschlagen wurden. Auch hier wurde fleißig abgesahnt.

Inzwischen kam vom Rechnungshof ein Bericht über den Verlust von Einnahmen bezüglich der Entsorgung des Bauschutts. Beschuldigt wird der Vize-Kommissar der Beni Culturali (Behörde für Kulturgüter). Er beauftragte Privatunternehmen, den Erdbeben-Bauschutt von historischen Gebäuden, Monumenten und Kirchen, darunter der Dom von Aquila, zu entsorgen. Die Arbeiten der Beseitigung des Bauschutts hätte unendgeltlich von der Feuerwehr und des Esercito (italienisches Heer) vorgenommen werden können. Auch hier entstand durch den rechtswidrigen Einsatz von Privatunternehmen ein Schaden von ca. 70 000 Euro.

Tatsache ist, dass die Mafia weltweit verbreitet ist und wichtige Posten der öffentlichen Verwaltung bekleidet. In der Finanzkrise beteiligen sich überwiegend Unternehmen, die über unbegrenzte finanzielle Mittel verfügen, und die Verbindung zu Lobbyisten liegt auf der Hand.

© 2014 Netzfrau Birgitt Becker

Quellen:

Die Geschäfte der Müllmafia boomen – nicht nur in Italien, auch in Deutschland

Das was wir nicht im TV sehen

Das schwarze Loch des TAV

Tumulte eskalieren – Rom im Chaos

Truffa terremoto Aquila

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