Bangladesch: Nähen bis in den Tod – Keine Entschädigung für Näherinnen

NähenMillionen von Hemden und T-Shirts werden in Bangladesch genäht. Innerhalb eines Jahres brannte eine Textilfabrik ab, eine andere stürzte ein. Die schwer verletzten Näherinnen fordern noch immer Schadenersatz von den Weltkonzernen .

Bei einem Brand in einer Fabrik, in der u. a. Sweatshirts für C&A genäht wurden, starben 112 Menschen in den Flammen, Hunderte wurden verletzt. Wenige Wochen später der nächste Brand: 11 Tote. Und am 24. April 2013 stürzte kurz nach Schichtbeginn das neungeschossige Rana Plaza Gebäude außerhalb von Dhaka ein, in dem fünf Textilfabriken untergebracht waren. 1132 Menschen starben, 2500 wurden verletzt. Hier ließen u. a. Adler Modemärkte, Kik und NKD produzieren.

Bis heute sind die Opfer und deren Angehörige nicht oder nur völlig unzureichend entschädigt worden. Während C&A sich hilfsbereit zeigt, verweigern andere das Gespräch oder lehnen, wie amerikanische Unternehmen, einen Schadenanspruch seitens der arbeitsunfähigen Näherinnen genauso ab wie auch Forderungen von Hinterbliebenen, die auf den Verdienst der Toten oder schwer Verletzten angewiesen waren.

Viele westliche Markenfirmen lassen billig in Bangladesch produzieren, ohne wirklich die Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitsbedingungen zu überprüfen. Sie stellen sich mit Sicherheitszertifikaten zufrieden, die von den Fabrikbesitzern gekauft wurden, um die Auftraggeber zufriedenzustellen.

Die Katastrophen in den Bekleidungsfabriken in Bangladesch haben bei westlichen Einzelhändlern nun ein schlechtes Gewissen ausgelöst. Wird ein richtungsweisendes Abkommen wirklich für mehr Sicherheit in den Sweatshops des Landes sorgen?

Angesichts der Fabrikeinstürze und der Tatsache, dass mehr als 2000 Menschen in Bangladesch ihr Leben verloren haben und in diesem Sektor 4 Millionen Menschen in 4000 Fabriken beschäftigt sind, ist das die entscheidende Frage.

Rückblick Mai 2013

„Vor allem die Firmen aus den USA haben sich am wenigsten beteiligt. Abercrombie & Fitch, Calvin Klein, Tommy Hilfiger sind dabei und wir haben viele andere globalen Namen, aber vor allem aus den Ländern der Europäischen Union. Das ist ein Erfolg. Aber die weltweit größte Supermarktkette ist Walmart. Sie beschäftigen zwei Millionen Menschen und sind die Beschaffungsexperten. Sie wissen, wie man jedes Korn auspresst, um die Kosten zu senken. Sie haben sich geweigert, die Vereinbarung zu unterstützen, und wollen ihren eigenen Weg gehen, wollen selbst entscheiden, was richtig und falsch ist. Sie sind ein Beispiel für selbstgerechte Bequemlichkeit. Das gleiche mit GAP. GAP präsentiert sich gerne modisch, zeitgenössisch und verantwortungsbewusst. Ich weiß nicht, was bei GAP los ist, aber sie haben sich auch geweigert zu unterschreiben. Sie wollten eine Sondervereinbarung, das haben wir abgelehnt, sagte der Generalsekretär der UNI Global Union Phillip Jennings in einem Interview im Mai 2013 mit der euronews.de. 

Im Bemühen um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken in Bangladesch sieht die US-Regierung vor allem westliche Modefirmen in der Verantwortung. Westliche Markenkonzerne hätten eine „wichtige Rolle“, sagte die damalige Staatssekretärin im US-Außenministerium, Wendy Sherman, bei einem Besuch Mai 2013 in der Hauptstadt Dhaka. Die US-Regierung werde sich dafür einsetzen, dass die Einkäufer „sich an den Tisch setzen“, um „ihren Teil zu einer tragbaren Lösung“ beizusteuern.
Sie verwies auf den Brand in einer New Yorker Nähfabrik im Jahr 1911 mit 146 Toten. Diese Katastrophe habe in den USA Änderungen in den Vorschriften, Baurichtlinien und Inspektionen zur Folge gehabt. „Das war eine Veränderung, und wir hoffen, dass dies auch hier in Bangladesch der Fall ist“, sagte sie nach Treffen mit Vertretern von Regierung, Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Die Brandkatastrophe, die Mrs Sherman erwähnte, geschah in der Triangle Shirtwaist Factory am 25. März 1911 in New York, bei dem 146 Personen, meist Mädchen und junge Frauen, ums Leben kamen. Nur fünf Minuten trennen die rund 600 Näherinnen der Triangle Shirtwaist Company, einer Blusenmanufaktur im Garment District Manhattans, vom offiziellen Produktionsschluss am Samstag. Für die jungen Näherinnen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren ging eine lange und anstrengende Sechs-Tage-Woche zu Ende. Durchschnittlich 72 Stunden pro Woche schufteten die Schneiderinnen, größtenteils Immigrantinnen aus Russland, Italien und Deutschland, für den damals größten Blusenproduzenten Amerikas. Der karge Wochenlohn: Sieben Dollar.

Die Firmenbosse Max Blanck und Isaac Harris, selbst europäische Einwanderer, waren sich dieser Not der Frauen nur allzu bewusst. Mit eiserner Hand führten sie ihren Produktionsbetrieb. Wer aus der Reihe tanzte, fand sich kurzerhand auf der Straße wieder. Sie beuteten die Frauen aus.

Nichts anderes geschieht in Bangladesch, aber auch in anderen Ländern wie Pakistan und sogar in Afrika und wer weiss wo noch überall.

Ja, auch die US-Firmen zeigen wenig Bereitschaft, etwas zu ändern. Und wenn sie etwas ändern sollen, dann ziehen sie eben weiter. Zu einem neuen Ort, wo es dann wieder heißt:
7 TAGE DIE WOCHE ARBEITEN, 12 STUNDEN AM TAG, 35 EURO IM MONAT! Arbeitsschutz ist in vielen Betrieben ein Fremdwort.

Verursacher GAP

GAP erhielt heute den Public Eye Awards 2014 Jury Award  

Textilgigant GAP weigert sich bis heute, das rechtlich verbindliche Abkommen «Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh» zu unterzeichnen. Stattdessen unterminiert Gap mit einem eigenen Pseudo-Abkommen aktiv die Bemühungen für wirksame Reformen.

Gap Inc. („Gap“) mit Hauptsitz in San Francisco (USA) ist eine der weltgrößten Kleiderfirmen mit über 3000 Geschäften. Im Jahr 2012 wies GAP einen Reingewinn von 1 Milliarde US-$ aus. GAP behauptet, die Rechte der Arbeitnehmenden einzuhalten und sich deren Wohlergehen zu Herzen zu nehmen. Zudem wirbt GAP auf der neuen Webseite «We Are Committed» mit seinen Programmen für Frauen in Entwicklungsländern.

Hinter diesem rosigen Selbstporträt lässt das Unternehmen Arbeitnehmende um ihre Sicherheit fürchten. Die Gefahren für die Arbeitenden in der Textilindustrie sind seit Jahren bekannt. Dennoch hat GAP bislang wenig unternommen, um diese Probleme zu lösen.

Nach der Katastrophe: Näherinnen in Bangladesch

Millionen von Hemden und T-Shirts werden weiterhin in Bangladesch genäht. Und nach fast einem Jahr warten die schwer verletzten Näherinnen von Weltkonzernen immer noch auf ihren Schadenersatz.

Nur der irische Textildiscounter Primark hat bisher pro Arbeiter zweimal 150 Euro bezahlt. Die anderen Marken treffen sich in Genfer Luxushotels und finden immer neue Gründe, warum ein umfassender Entschädigungsplan nicht zustande kommen kann.

Mehr als 1000 Menschen starben bei dem Einsturz des Rana Plaza. Die Überlebenden leiden noch heute an ihren Verletzungen und der bitteren Armut. Dazu ein Videobericht von NDR Bangladesch: Keine Entschädigung für Näherinnen Weltbilder – 21.01.2014 23:30 

Westliche Mode & chinesisches Kapital = Nähen für Billigstlöhne

Und dass sich nichts geändert hat, sehen wir an dem Bericht von Euronews vom 3. 01. 2014

„Protestaktionen ausgebeuteter Textilarbeiter sind längst keine Seltenheit mehr. Ob in Kambodscha oder in anderen Billiglohnländern. Und wer so verzweifelt um mehr Lohn kämpft, der lässt sich auch für politische Zwecke instrumentalisieren, sobald eine politische Kraft Hilfe verspricht. Als im April gleich mehr als tausend dieser Billigst-Löhner in einer einstürzenden Fabrik in Bangladesh starben, schreckte schon manch ein westlicher Kunde auf, den bisher nur die ach so günstigen Preise interessiert hatten. Denn ebenso wie diverse Brände zuvor war das kein normaler Industrieunfall.

Es war das folgerichtige Ergebnis einer Unternehmenspolitik, bei der alles auf Verschleiß gefahren wird: Fabriken wie Arbeiter. Denn der „Nachschub“ wartet schon. In Bangladesh wie in Kambodscha boomt das Geschäft mit der allerbilligsten Arbeitskraft. 90 % der Textilarbeiter in Kambodscha sind Frauen und Mädchen unter 24. Den größten Teil ihrer Exporterlöse erwirtschaften beide Länder mit Arbeit für extrem niedrige Löhne. Die betragen in Bangladesh monatlich 50 Euro, in Kambodscha 59 Euro – und liegen damit deutlich unter den 110 Euro in China. Dafür sind die Fabriken immer häufiger in chinesischer Hand.“ Auch hier gibt es einen Videobeitrag,
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ZDFzoom: PRIMARK – Mode zum Wegwerfen

Der irische Textil-Discounter Primark erobert mit seiner Wegwerfmode die Fußgängerzonen. Immer Riesenverkaufsflächen, immer Toplagen. Ein T-Shirt für zwei Euro, eine Hose für elf Euro. ZDFzoom fragt: Wie kann PRIMARK so billig sein?

Kaufen, anziehen, wegwerfen. Auf dem Internetportal Youtube tummeln sich begeisterte Teenies mit Videos über ihre Einkaufsbeutezüge, genannt „PRIMARK-Hauls“.

Laut Firmenangaben lässt PRIMARK unter anderem in Bangladesch produzieren, in rund 100 Fabriken. Als eine von vielen Textilketten ließ PRIMARK auch im Rana-Plaza-Gebäude in der Nähe der Hauptstadt Dhaka fertigen. Im April 2013 stürzte das Gebäude ein. Mehr als 1100 Menschen verloren ihr Leben, größtenteils Textilarbeiterinnen.

Immer wieder klagen Kunden über einen unangenehmen „giftigen“ Geruch in den PRIMARK-Geschäften. ZDFzoom forscht nach: Woher kommt der penetrante Geruch? Ist die Raumluft durch Schadstoffe aus den Textilien belastet?

In Internet-Foren finden sich immer wieder Berichte von PRIMARK-Kunden über Hautprobleme und allergische Reaktionen. Welche gesundheitlichen Risiken sind mit dem Tragen der Billigmode verbunden – zumal junge Leute vieles ungewaschen anziehen?

Anne Kauth und Ulli Rothaus gehen in der ZDFzoom Dokumentation „Mode zum Wegwerfen – Das Prinzip PRIMARK“ dem neuen Trend zur Wegwerfmode auf den Grund.

Was können wir tun?

Ein Imageschaden ist immer noch der Albtraum jedes Konzerns. Das Entsetzen, das der Fabrikeinsturz in Bangladesch bei vielen Konsumenten auslöste, führte dazu, dass immer mehr Konsumenten darauf achten, wo und vor allem unter welchen Bedingungen die Kleider hergestellt werden. Das wissen auch die großen Konzerne und sollten eigentlich für eine Reihe von Verbesserungen sorgen.

Mit dem gleichen Druck sollten wir Konsumenten auch auf Gewalt und Repression reagieren, mit der Löhne unter dem Existenzminium erzwungen werden. Und wenn sich die Konsumenten ihrer Rolle bewusst werden und ein paar alte Einkaufsgewohnheiten überdenken, könnte sich noch mehr zum Besseren wenden.

Die Mode ist schnelllebig und das bedeutet für die Konzerne ein gewinnbringendes Wachstum. Doch seien wir ehrlich, haben wir nicht ausreichend Kleidung im Schrank?

Kaufen Sie nicht das Billigste, denn Sie können davon ausgehen, dass die billigsten T-Shirts in Sklavenarbeit und unter Missachtung aller Umweltauflagen hergestellt worden sind. Fragen Sie nach, wo die Produkte hergestellt wurden und informieren Sie auch Ihre Familienmitglieder.

Wichtige Informationen erhalten Sie auch in unserer Recherche vom September 2013 Für den Billigjob sterben. In Bangladesch ist das ein tägliches Risiko. “Nähen bis es brennt”, übrigens, die Karavane zieht weiter: Mode Made in Afrika.

Netzfrau Doro Schreier

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