Jeder kennt mich, jeder trägt mich. Ursprünglich als robuste Arbeitskleidung für Goldgräber im 19.Jahrhundert angefertigt, bin ich mittlerweile zu einem Sinnbild der westlichen Mode geworden.
Ich bin aus 100% Baumwolle. Unglaublich, in welchen Ländern ich schon war und was ich alles hinter mich gebracht habe: Gewachsen bin ich in Kasachstan auf einer der endlosen Baumwollplantagen in der Nähe vom Aralsee. Regelmäßig kamen Flugzeuge, die uns mit Unkrautvernichtungsmitteln besprühten. Manchmal drifteten die Chemiebomben ab, und ein Teil ging im benachbarten Dorf nieder. Dazu brauche ich sehr viel Wasser, der Aralsee ist deshalb auch schon sehr geschrumpft.
Frisch geerntet flog ich dann in die Türkei, wo ich zu Garn versponnen wurde. Dann ging es per Schiff nach Taiwan in eine düstere Weberei. Ein intensives Bad aus biologisch nicht abbaubarem Polyacrylat sollte mir dort helfen, die starke Belastung auf den schnellen Strickmaschinen auszuhalten.
Als richtiger Stoff wurde ich dann gründlich gewaschen. Die ausgespülten Giftstoffe versanken unkontrolliert im Boden. Ein paar habe ich mir aber als Souvenir für dich behalten. Mit dem Schiff erreichte ich Tunesien. Angekommen, wurde ich mit schwermetallhaltigen Farbstoffen bedruckt – importiert aus Polen.
Damit der Stoff auch wirklich schön weich, knitterfest und sonstiges mehr ist, wurde ich in Bulgarien mit Weichmacher, Kunstharz und Kohlenoxyd veredelt. Dann ging’s weiter nach Bangladesch, wo mein Blick auf schwach beleuchtete Nähmaschinen und zarte Mädchenhände fiel. Die Mädchen arbeiten für einen Niedrigstlohn und ohne Arbeitsschutzmaßnahmen. Manchmal brennt auch eine Textilfabrik einfach ab.
In Frankreich bekomme ich weiße Flecken aus Bimsstein. Dann geht meine letzte Reise noch nach Deutschland, wo ich das Etikett aufgenäht bekommen habe. Via LKW geht es dann weiter in die Kaufhäuser. Und letztendlich hast du mich bei einem Einkaufsbummel dann für dich entdeckt.“
Und über die Altkleidersammlung lande ich vielleicht genau in dem Land, wo ich hergestellt wurde. Mein neuer Besitzer kann sich mich als neuwertiges Kleidungsstück nicht leisten. Jetzt bekommt er mich als Second-Hand- oder auch Third-Hand-Ware.
Ist es also wirklich so bedenkenlos, wenn ihr euch jede Saison wieder nach der neuesten Mode einkleidet?
Ich habe meine Geschichte schon oft erzählt, doch kann dies wirklich etwas ändern? Nein, nichts. Hätten die Menschen einen Planeten von doppelter Größe zur Verfügung, würden sie sich wohl noch weiter ausbreiten. Aber sie haben nur diesen Planeten, es ist wie mit einer Schraube, die man immer mehr anzieht: Irgendwann ist sie abgedreht.
Eurer Weltenbummler Jeans
mit freundlicher Unterstützung von Doro Schreier (Artikel geschrieben)
Dieses Video beschreibt genau meinen Weg, als Weltenbummler.
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