Es ist ein Kurztrip durch das Universum russischer Probleme: Korruption, Umweltskandale, Terrorismus, Ausbeutung der Olympia-Arbeiter, unmögliches Homosexuellengesetz, Kosten für Olympia in Höhe von 40 Milliarden, die Schinderei der Wehrpflichtigen und die Rückständigkeit Sibiriens.
Beschreibung laut ARD: Er ist der Pate dieser Winterspiele. Wladimir Putin, der sich im subtropischen Sotschi eine prunkvolle Residenz bauen ließ, will genau hier der Welt Russlands Größe demonstrieren. Und die eigene Allmacht: ein olympisches Wintermärchen, aus dem Boden gestampft, dramatisch teurer als alle bisherigen Spiele. Das staatsnahe Fernsehen zelebriert derweil den Weg des olympischen Feuers quer durch Putins Riesenreich. Bejubelt von Rentierzüchtern und Bergleuten, im Kaukasus und im fernen Osten.
Die ARD-Korrespondenten Golineh Atai und Udo Lielischkies folgten der Fackel durch Russland und schauten sich um im Land, wenn der olympische Tross weitergezogen war. In der Industriestadt Norilsk, bei Pferdezüchtern in Jakutien, im terrorgeplagten Dagestan, in der Schwulen-Gemeinde St. Petersburgs. Was denken die Menschen dort? Ist Putins glanzvolle Sotschi-Inszenierung ein kraftvolles Aufbruchssignal in Richtung Moderne? Oder doch nur milliardenschweres Blendwerk für das Wahlvolk, um die grassierende Korruption und Bürokratenwillkür im Land zu überstrahlen?
Die Story im Ersten: Putins Spiele vom 27.Januar 2014 : Mediathek. Video
8. Februar 2014 starten die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi, doch schon im Vorfeld mangelt es nicht an Kritik.
Seitdem Wladimir Putin ein Gesetz gegen die sogenannte „homosexuelle Propaganda“ angekündigt hat, rufen mehr und mehr internationale Politiker dazu auf, die Olympischen Spiele von Sotchi zu boykottieren, die im kommenden Februar stattfinden werden. Bundespräsident Gauck und sein Amtskollege François Hollande werden nicht an der Eröffnungszeremonie teilnehmen.
Auch gibt es seit Längerem Kritik am Umgang mit den Bauarbeitern. Laut ARD-Recherchen haben viele Gastarbeiter noch keinen Lohn erhalten – obwohl sie wieder in ihrer Heimat sind und unter extremen Bedingungen arbeiten mussten. Das war sogar der Tagesschau einen Bericht zur besten Sendezeit wert.
Ausbeutung der Olympia-Arbeiter in Sotschi
Im russischen Sotschi, dem Austragungsort der kommenden Olympischen Winterspiele werden beim Bau der Sportstätten offensichtlich Gastarbeiter zu Dumpinglöhnen eingesetzt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation “Human Rights Watch” kommen die Arbeiter meistens aus den armen Ex-Sowjetrepubliken in Zentralasien – zum Beispiel aus Tadschikistan, Kirgisien und Usbekistan. Die Arbeitskräfte würden zu Hungerlöhnen von oft nicht einmal zwei Euro pro Stunde beschäftigt, wie Julia Gorbunowa von Human Rights Watch mitteilte: “Wir haben herausgefunden, dass russische Behörden und Unternehmen, die bei den Vorbereitungen zu den Winterspielen beteiligt sind, in vielen Fällen gegen das Arbeitsrecht verstoßen haben.” Darüber hinaus würden die Bauunternehmen oft Monate lang keine Löhne zahlen.
So berichtet Report München: Sotschi präsentiert sich der Welt zu den Winterspielen 2014 als Hochglanz-Kulisse. Die meisten der neuen Gebäude aber haben Gastarbeiter errichtet. Viele von ihnen haben ihren Lohn nie bekommen und schuften unter unwürdigen Bedingungen. Report München war vor Ort und zeigt, wie versucht wird, die Schattenseiten von Sotschi zu verbergen.
http://youtu.be/4rNb0mGav74?t=1s
Im Video zu sehen: Wie Putin die Spiele für sich und seine Freunde nutzt, was Schwule und Schwulenverbände von Olympia erwarten und wie es ihnen in Sotschi und im Rest des Landes ergeht. Außerdem: wie der Breitensport in der Provinz zur Protzerei in Sotschi steht, diese Themen werden in den Beiträgen der Korrespondenten behandelt.
Skandale in Sotschi – Von Spielen am Meer und rollenden Rubeln
Schon vor Beginn stehen die Olympischen Spiele in Sotschi im Schatten zahlreicher Skandale. Nur noch zehn Tage sind es, bis im russischen Sotschi die Olympischen Winterspiele 2014 beginnen. Bis jetzt beherrscht das Großereignis die Presse jedoch vor allem mit negativen Schlagzeilen, das berichtete auch das Ausland-Journal Ende November 2013.
Mit rund 37,5 Milliarden Euro sind die Kosten für die Winterspiele bereits fast vier Mal so hoch wie die ursprünglich angedachten zehn Milliarden Euro. Damit gelten die Wettkämpfe bereits jetzt als die teuersten Winterspiele, die jemals ausgerichtet wurden. Die Opposition sieht die grassierende Korruption in Russland als Hauptgrund der ausufernden Ausgaben. Ein weiterer Aspekt ist jedoch auch die fehlende Infrastruktur, denn in der Region gibt es kaum Anlagen, die für Massenveranstaltungen geeignet sind. 13 Sportstätten wurden aus dem Boden gestampft und allein der Bau der Autobahn zu einem der Skigebiete kostete mit knapp sieben Milliarden Euro mehr als die gesamten Winterspiele in Vancouver 2010.
Aus den Winterspielen am Schwarzen Meer sind Spiele der Korruption geworden. Die Profiteure kämen vor allem aus dem Freundeskreis von Wladimir Putin, kritisiert die Opposition, die Aufträge für die teuersten Sportstätten seien ohne öffentliche Ausschreibung vergeben worden.
http://youtu.be/jp9B9lGT6D8?t=1s
„Ich finde, wenn Politiker eine politische Botschaft haben, dann sollten sie auch den Mut haben, diese Botschaft im direkten Dialog mit den politisch Verantwortlichen vorzubringen und sie nicht auf dem Rücken der Athleten zu transportieren“, sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees Bach in einem Interview der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. „Die Spiele sind für die Athleten da und den Sport. Die Athleten sollten von den Politikern unterstützt werden.“
Bach begründete die Vergabe der Spiele an den russischen Kurort mit dem Neuaufbau eines neuen Wintersportzentrums in Russland nach der Auflösung der Sowjetunion. „Das war das Projekt, das dem IOC vorgestellt wurde und das gewählt worden ist“, sagte er der „FAZ“ und versuchte damit, die Vorwürfe zu entkräften, die Ringe-Organisation habe ihr Premiumprodukt vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen nach Russland vergeben.
Immer wieder gibt es auf Grund der Menschenrechtslage Kritik an den Olympischen Spielen in Sotschi. Häufig wird die nur eingeschränkt mögliche Tätigkeit von NGOs hervorgehoben. Mitarbeiter müssen sich gegen den Vorwurf verteidigen, ausländische Agenten zu sein. Und auch sollte das unmögliche Homosexuellengesetz nicht außer Acht gelassen werden.
Naturschützer erheben ebenfalls schwere Vorwürfe gegen den Bau der Anlagen in Sotschi, und die Kosten sind von geplanten 10 Milliarden auf 40 Milliarden angestiegen. Das ist mehr als alle bisherigen Winterspiele zusammen. Außerdem kritisieren wir die Ausbeutung von Arbeitskräften, besonders Migranten, auf der Megabaustelle. Über 50 000 Arbeiter wurden zunächst ausgebeutet und anschließend einfach gefeuert.
In zehn Tagen eröffnen die 22. Olympischen Winterspiele. Es wird ein riesiges Spektakel, aber unbeschwert wird es nicht – wie auch, wenn man Menschenrechtsverletzungen, Terrorwarnungen und Korruption im Hinterkopf hat. Die kritischen Stimmen werden immer lauter, leider kommen sie zu spät.
Wenn es um viel Geld geht, dann verhält sich die Welt so, als sei alles normal. Was interessieren schon Menschenrechtsverletzungen. Um das Gewissen zu beruhigen, wird ein paar Wochen vor Beginn der Spiele Entrüstung geheuchelt. Russland hatte sich mit Sotschi schon 2005 – mit sechs anderen Städten – beworben. 2007 bei der finalen Abstimmung wurde Sotschi mit 51 Stimmen gewählt, das heißt, jeder zweite wahlberechtigte IOC-Delegierte hat für Russland gestimmt. Spätestens 2007 hätte es einen Aufschrei des Protestes geben müssen, um zu verhindern, dass Russland zum Zug kommt.
Das Internationale Olympische Komitee hat schon durch diverse Kritiken und Skandale auf sich aufmerksam gemacht – und die Vergabe der „verstrahlten“ Spiele in Tokio 2020 ist uns ebenfalls ein Rätsel.
Das Vermögen des IOC: Auf knapp 300 Millionen Dollar belaufen sich die Bargeldreserven des Komitees. Insgesamt 800 Millionen Dollar hat es in kurz- und langfristigen Geldanlagen wie Anleihen deponiert. Es gibt noch viel darüber zu berichten. Denn da ist ja noch Brasilien, hier finden die Olympische Spiele 2016 statt. Hier soll z. B. eine indigene Gemeinschaft zwangsgeräumt werden und das Museum einem Parkplatz weichen. Fortsetzung folgt.
Panem et circenses: “Brot und Spiele” halten das Volk ruhig, doch wie lange noch?
Sie glauben nicht, wie viele gravierende politische Entscheidungen stets während der großangelegten Berichterstattung über Sportevents wie die Olympischen Spiele oder der Fußball-Weltmeisterschaften getroffen werden, ohne dass irgendjemand ernsthaft nachfragen oder geschweige denn, darüber informiert werden würde. Für die Medien scheint die Übertragung von “Brot und Spielen” weitreichende Priorität zu haben vor seriöser politischer und sozialer Berichterstattung.
Netzfrau Doro Schreier
FIFA für den Public Eye Award 2014 nominiert
Ein Brief an alle jungen Athleten, die davon träumen, 2020 nach Tokio zu kommen