In einem Bericht der Sendung „Leonardo“ zum Thema Fracking wollen US-Wissenschaftler mit „Mythen“ über das Fracking aufräumen. Mit verblüffendem Ergebnis…
Gestern erzählte mir mein Mann von einem Bericht, den er auf WDR 5 zum Thema „Umweltgefahren durch Fracking: USA-Wissenschaftler über unkonventionelle Gasgewinnung (17. 02. 2014)“ gehört hatte. Er hatte den Eindruck, dass der Beitrag sehr einseitig war, dass viel Pro und wenig Contra Fracking genannt wurde. Thema waren (angebliche) Mythen über die Gewinnung von Öl oder Gas durch das sogenannte Fracking, bei dem mit einer Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien unter Hochdruck Schiefersteinsegmente gebrochen und so eingeschlossene Ressourcen freigesetzt werden.
Nachdem ich den Beitrag selbst gehört hatte, muss ich ihm widersprechen. Tatsächlich wurde ziemlich viel Negatives über Fracking gesagt. Das alles aber so elegant verpackt in ein flauschiges Mäntelchen, dass ich beinahe selbst geglaubt hätte, dass alle Frackinggegner hysterische Spinner sind. Ich musste schon sehr genau hinhören, um zu erkennen, auf welche Art die anlässlich der Tagung der American Association for the Advancement of the Society (AAAS), der größten wissenschaftlichen Gesellschaft der Welt, befragten „Herren Experten“ den Zuhörer hier manipulieren wollten.
Wasserexperte Dr. Michael Webber aus Austin, Texas, berichtet vom „Mythos“ um die erforderliche Wassermenge und von einem weiteren Mythos, nämlich dem des erhöhten Risikos für das Grundwasser. Tatsächlich sei der Wasserverbrauch erheblich, er liege höher als etwa bei der Kohleproduktion. Wenn man aber das mit Fracking gewonnene Gas anschließend für ein Gaskraftwerk nutze, das nicht annähernd soviel Wasser zum Kühlen verbrauche, wie ein Kohlekraftwerk, spare man im Endeffekt noch Wasser.
Sehr geehrter Herr Dr. Webber aus Austin, Texas! Reden wir uns da nicht ein bisschen was schön? Das ist ja so, als würde ich einen lahmen Esel schnellreden, indem ich ihn mit einem dreibeinigen vergleiche. Während zur Gas- und Ölförderung durch Fracking Unmengen an Wasser benötigt werden (ca. 20 Millionen Liter Wasser pro Bohrloch) und auch die Stromerzeugung durch Gas, Öl oder Kohlekraft Wasser braucht, benötigt die Erzeugung von Strom aus Sonne und Wind gar kein Wasser! Das sollte doch gerade für die USA mit ihren begrenzten Wasserressourcen nicht uninteressant sein.
Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen in den USA ist. Hier zumindest ist das Wasser, das zur Kühlung von Kohlekraftwerken genutzt wird, quasi ein durchlaufender Posten. Ein Großteil des Kühlwassers wird nach der Nutzung sauber wieder in die Flüsse abgegeben oder im Kühlskreislauf weiter verwendet. Anders beim Fracking! Zwar „saugt“ man gleich nach Durchführung des Fracks möglichst viel Frack-Flüssigkeit zurück, aber je nach Lagerstätte und Gestein kommen so gerade mal etwa 20 % der Menge zurück. Und dabei handelt es sich nicht um sauberes Wasser!
Dr. Webber behauptet ferner, wissenschaftliche Studien würden die weit verbreitete Meinung nicht stützen, dass vergiftetes oder gar entzündliches Trinkwasser in der Nähe von Frackinganlagen mit dem Fracken zu tun hat, sofern es solche Kontaminierungen überhaupt gebe. Dazu später mehr. Der Experte berichtet, dass ca. 2 % der Frackingflüssigkeit aus Sand und Chemikalien besteht. Vor allem die Chemikalien seien sehr umstritten, weil einige von ihnen giftig seien. In den USA müssten die Unternehmen vielerorts nicht einmal offenlegen, um welche Chemikalien es sich handelt.
Allerdings bestreiten, so berichtet die Moderatorin, nicht einmal „die von der Industrie bezahlten Wissenschaftler“, dass die Wasservergiftung ein ernstes Umweltrisiko darstellt. Nicht nur iwürden n der Frackingflüssigkeit Chemikalien wie Säuren, Pestizide und Seifen ins Erdreich gelangen, Fracking spüle auch natürlich entstehende Chemikalien wie Arsen, Benzin und radioaktive Materialien aus bestimmten Schichten heraus, sagte Webber. Das sei „ziemlich fieses Zeug“ und die Frage sei, ob dieses giftige Wasser an Ort und Stelle bleibe, oder ob es ins Grundwasser gelange.
Und? Möchten Sie das beantworten, Herr Dr. Webber? Oder können selbst Sie als Wasserexperte das nicht beurteilen, wo Sie doch nicht einmal wissen, um welche Art Chemikalien es sich handelt?
Und meinen Sie nicht, dass Sie Augenwischerei betreiben, wenn Sie so ausdrücklich von 2 % (Sand und Chemikalien) sprechen? Das klingt wirklich wenig. Das war aber nicht etwa Absicht, oder? Bei 20 Millionen Liter Bohrflüssigkeit pro Bohrloch würde es sich – ausgehend von 1 % Chemikalien – immerhin um 200 000 Liter Chemikalien pro Bohrloch handeln! Selbst ausgehend von „nur 0,5%“ wären das immer noch 100 000 Liter Chemie pro Bohrloch!
Christopher Hartl vom Argon National Laboratory in Chicago sieht das Risiko der Grundwasserverschmutzung eher gering, da die Risse ziemlich nah an den angepeilten Formationen – Hunderte oder Tausende Meter entfernt vom Grundwasser – bleiben. Ein einmal in Umlauf gebrachter Mythos sei nur schwer wieder auszuräumen, betont der Experte. Allerdings muss er zugeben, dass benachbarte, vielleicht sogar stillgelegte Anlagen miteinander „kommunizieren“ und sich so Risse und Löcher von Formation zu Formation fortsetzen könnten. Dadurch könne es zu Erdbeben oder Explosionen kommen.
An dieser Stelle fehlt mir eine entscheidende Information, werte Herren Experten! Wie groß ist denn das Risiko, dass beim Frackingvorgang eingebrachte oder freigesetzte Chemikalien ins Grundwasser gelangen, wenn es so tatsächlich zu Erdbeben oder Explosionen kommt? Vielleicht ist es nicht der Mythos, der sich nicht wieder ausräumen lässt, sondern eher das unbequeme Quentchen Wahrheit?
Die Luftverschmutzung durch Fracking hält Hartl allerdings für unterschätzt. Es gebe eine aktuelle Untersuchung der Universität Texas, dass erhöhte Methanwerte über Frackinganlagen festgestellt wurden. Mit Blick auf den Klimawandel müsse man auch Treibhausgase wie das klimawirksame CH4-Methan beachten. Es seien schon „erste Lecks“ festgestellt worden.
Wie wahr, wie wahr, wenngleich die korrekte Übersetzung allgemeiner lautet: „…and we’re finding that there are leaks“. Bei meinen Recherchen stolperte ich über einen Artikel, der besagt, dass die tatsächliche Methankonzentration in der Atmosphäre weit höher ist, als von der amerikanischen Umweltbehörde EPA berichtet. Folglich würde es auch mehr, zumindest aber größere Lecks geben als vermutet. Im Verlauf des Artikels werden diese Angaben immer wieder relativiert und kleingeredet. Angeblich habe das Naturgas selbst unter Berücksichtigung der höheren Zahl von Lecks und des höheren Ausstoßes von Methan eine positive Auswirkung auf die Atmosphäre. Die Rede ist von einer „Brücke zu zukünftig niedrigeren Treibhausgas-Emissionen“, auch hier wird relativiert durch den Vergleich von Kohle und Gas. Da fand ich es schon beinahe witzig, als ich mir das Logo besagter Wissenschaftsseite anschaute und unter dem Wort „Science“ ein großes „AAAS“ entdeckte.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – auch wenn ich mich langsam frage, ob die von Leonardo benannten „von der Industrie bezahlten Wissenschaftler“ nicht genau jene Herren sind, die in dem Bericht zu Wort kommen.
Den genannten Artikel scheint auch Universitätsprofessor Anthony Ingraffea, ein ehemaliger Öl- und Gasingenieur, gelesen zu haben, denn folgendes Zitat von ihm fand ich zufällig auf der Seite energiezukunft.eu:
„Gas aus Schiefergestein ist keine Brücke in eine Zukunft der erneuerbaren Energien, sondern der Laufsteg in eine weitere Erwärmung!“
Aber wieder zurück zum Bericht von Leonardo, der abschließend nochmals Dr. Michael Webber vom Energieinstitut der Universität Texas zu Wort kommen lässt. Seiner Meinung nach sollten bereits vor einem Frackingprojekt Wasseruntersuchungen angestrengt werden, um später im Zweifel feststellen zu können, ob das Wasser tatsächlich durch Fracking schlechter wurde.
Herr Dr. Webber! Was nutzt es denn, wenn ich weiß, dass das Grundwasser durch Fracking vergiftet wurde? Das macht das Wasser auch nicht wieder sauber!
Des weiteren empfiehlt Herr Dr. Webber die Pflicht zur Offenlegung der verwendeten Chemikalien. Dies sei nicht ganz unbedenklich, weil Geschäftsgeheimnisse betroffen sein könnten, aber das Wasser und das öffentliche Vertrauen müssten geschützt werden, meint er.
Zumindest dem letzten Teil dieses abschließenden Satzes können wir uns vorbehaltlos anschließen. Die Netzfrauen gehen in ihren Empfehlungen aber noch einen Schritt weiter. Angesichts der oben so spärlich bedeckten Wahrheiten und der tatsächlichen Frackingrisiken, wie wir sie bereits in unserem Artikel „Betreibt ExxonMobil im Jahr 2030 ca. 1000 Erdöl- und Erdgasbohrungen in Deutschland?…“ raten wir generell von unkonventionellem Fracking ab.
Vielleicht möchten sich die Herren Experten einmal unseren Bericht zum Thema „Wasserverschmutzung durch Fracking“ anschauen und den dort verlinkten englischsprachigen Bericht darüber, dass alleine in Pennsylvania 106 von 5000 Brunnen augenscheinlich durch Fracking verschmutzt wurden. Oder die bereits Mitte 2013 von PNAS veröffentlichte Studie „Increased stray gas abundance in a subset of drinking water wells near Marcellus shale gas extraction“, laut der Trinkwasserbrunnen in der näheren Umgebung von Frackinganlagen mit Methan, Ethan und Propan verunreinigt werden – übrigens allesamt hochentzündliche Gase, was dem „Mythos“ vom brennenden Wasserhahn dann doch ein wenig Realität einhaucht, meinen Sie nicht, Herr Dr. Webber? Mich erstaunt ein wenig, dass besagter Studie in Ihrem Interview recht wenig Beachtung geschenkt wird – ob Sie sie wohl übersehen haben? Naja, als Experte ist man sicher vielbeschäftigt, da kann es schon mal passieren, dass einem der Blick fürs Wesentliche abhanden kommt.
Ich jedenfalls bin nach dem Bericht auf WDR 5 genauso schlau wie vorher. Bleibt mein Fazit:
Fracking? Nein, danke!
Netzfrau Andrea Wlazik
Fracking hat dramatische Auswirkungen auf den Wasserhaushalt
Wasserverschmutzung durch Fracking