Eine Schlussfolgerung, über die wir alle einmal nachdenken sollten

TeersandsAuf der winzigen Insel Tanu in Haida Gwaii lebten einst viele Indianer, bis Krankheiten die Haida-Bevölkerung dezimierte. Heute bewachen Haida-Gwaii-Wächter die heiligen Orte und schützen sie vor anstürmenden Besuchermassen.

Die Haida-Indianer zählen zu den ältesten sesshaften Völkern der Erde.

David gegen Goliath im Indianerland

Vor knapp 30 Jahren trugen die Haida einen Konflikt mit der kanadischen Regierung aus, der weltweit Schlagzeilen machte. Wütend über die hemmungslose Abholzung der Regenwälder in ihrer Heimat stellten sich die Haida mit ihren bloßen Körpern den Maschinen der Holzkonzerne entgegen, viele Ureinwohner landeten im Gefängnis. Am Ende lohnte sich ihr Einsatz. Die Holzbarone zogen ab und die Indianer bekamen neue Selbstbestimmungsrechte und der Süden von Haida Gwaii wurde in einen Nationalpark umgewandelt, den sie seit über 20 Jahren gemeinsam mit der Regierung verwalten.

Der kleine David, wie die Haida mittlerweile genannt werden könnten, lassen sich auch nicht von Goliath, in diesem Fall Starbucks Coffee aufhalten. Starbucks Coffee, die weltweit angestammte Cafés verdrängen, hatten nicht mit dem entschlossenen Willen und der Zähigkeit der Haida gerechnet und die Unterstützung außerhalb der indianischen Gemeinde unterschätzt. Im Mai 1999 eröffneten drei Haida ein Café in Masset. Sie bezeichnen ihre jungen Männer als Bucks, also Haida Bucks. So nannten diese Männer ihr Café, welches als Treffpunkt und Restaurant in dem 700 Einwohnerdorf galt, „Haida Bucks“. Und was nun kommt, können Sie sich sicherlich denken, Starbucks erfuhr von diesem Café und zog wegen des Namens „Bucks“  mit den Haida vor Gericht. „Wir Haida haben eine lange Tradition als Krieger, wir lassen uns nicht unterkriegen,“ so ein Mitbesitzer.

Und in der Tat starteten die drei jungen Männer eine Kampagne, die schnell eine weite Unterstützung fand. Eine Homepage wurde gesponsort, auf der die Haida ihr Problem mit dem Starbuck-Konzern schilderten, ein Staranwalt übernahm die juristische Vertretung. Proteste vor Starbucks-Filialen wurden organisiert, bis zum Schluss Zeitungen über diesen spektakulären Fall berichteten und Starbucks letztendlich nicht nur lächerlich aussehen ließ, sondern sogar einen Imageschaden verursachte. Letztendlich zog Starbucks die Klage zurück und „Haida Bucks“ konnten den Namen behalten. Diese Erfolgsstory berichtete damals die Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V., und immer wenn der Name Starbucks Coffee irgendwo auftaucht, denke ich an „Haida Bucks“. 

Am 28. Oktober 2012 wurde die Inselgruppe Haida Gwaii von einem Erdbeben einer Stärke von 7,7 erschüttert. Das Zentrum des Bebens lag in gut 17 Kilometern Tiefe. Die Inseln liegen etwa 200 Kilometer südwestlich von Prince Rupert in der kanadischen Provinz British Columbia . Wenige Minuten später folgten ein Nachbeben der Stärke 5,8. So die damalige Nachricht. Doch diesmal kämpften die Haida nicht gegen einen Konzern, sondern gegen eine Naturgewalt mit schlimmen Folgen.

Die Inseln von Haida Gwaii sind ein mystischer Ort: Meist hängen dichte Nebelschwaden über dem Archipel, meterhohe Wellen rollen auf die Küsten zu, und in den Regenwäldern an Land trotzen historische Totempfähle der Zeit. Für die Haida-Indianer ist die Inselgruppe vor der kanadischen Westküste eine heilige Stätte. Sie glauben, dass hier der Ort der Schöpfung ist, an dem die Welt einst begann.

Besonders verehren die Haida die Insel Gandll K’in „Heiße Wasser“, denn an den Stränden der Insel gibt es heiße Quellen mit ganzjährig 42 bis 52 Grad heißem Wasser. Dort reinigten die Haida traditionell ihre Körper und Seelen und kommunizierten mit den Geistern, bereits seit Tausenden von Jahren.

Genau diese Region wurde am 28. Oktober von dem heftigen Erdbeben erschüttert. Das Beben löste einen Minitsunami bei Hawaii aus, der allerdings keine Schäden verursachte. Auch sonst meldeten die Medien keinerlei Schäden, man sei noch einmal mit einem Schrecken davon gekommen. Doch die Erkenntnis kam dann doch, und zwar einige Tage nach dem Erdbeben stellten die Haida fest, dass die heißen Quellen auf Haida Gwaii versiegten, ihr seit Jahrtausenden spirituelles Zentrum war erloschen. Während die Wissenschaftler tektonische Bewegungen für das Versiegen der heißen Quellen verantwortlich machen, fragen sich die Ureinwohner, ob die Menschen die Kräfte von Mutter Erde nicht zu lange herausgefordert haben.

Und genau da bekamen die Haida Unterstützung Severn Cullis-Suzuki: geboren am 30. November 1979 in Vancouver/Kanada. Ihr Vater ist Umweltaktivist, ihre Mutter ist Schriftstellerin. Mit neun Jahren gründete Severn die “Environmental Children’s Organization” (ECO).

Im Jahr 1992 wurde sie bekannt, als sie im Alter von nur 12 Jahren ihre Rede am Umweltgipfel in Rio de Janeiro hielt. Die Rede bereitete Severn alleine vor!

Ein Jahr nach dem Umweltgipfel in Rio veröffentlichte Severn ein 32-seitiges Buch mit Umwelttipps für Familien. Weitere Veröffentlichungen folgen bis heute. Severn studierte Ökologie und Evolutionäre Biologie in Yale. Heute widmet sie sich weiteren Studien und lebt mit Mann und Kind auf Haida Gwaii, bei genau diesen Indianern, die als David schon so manchen Kampf gegen die Goliaths der Welt gewonnen haben.

„Es wird von unseren alten Leuten erzählt, dass diese Welt nicht nur für unsere Vorfahren und für die, die jetzt leben, geschaffen wurde. Sie wurde auch für unsere Kinder, für alle, die nach uns kommen werden, deren Gesichter wir niemals sehen werden, geschaffen. Für sie muss die Welt erhalten bleiben.“
Tekarontake, Sprecher der Mohawk aus Konfli J., Buddde P: Fliegende Feder, Ökotopia Verlag, Münster 1998

Während die  Wissenschaftler tektonische Bewegungen für das Versiegen der heißen Quellen verantwortlich machen, fragen sich die Ureinwohner, ob die Menschen die Kräfte von Mutter Erde nicht zu lange herausgefordert haben. Eine Schlussfolgerung, über die wir alle einmal nachdenken sollten.

Netzfrau Doro Schreier

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