Pipeline durchs Paradies, dort wo Wale singen

© Hermann Meuter.

© Hermann Meuter.

Die gigantischen Ölvorkommen in Kanada sprudeln nicht aus der Erde, sondern liegen tief verborgen im Sand. Riesige Industrieanlagen mitten in der Wildnis machen aus klumpigem Ölsand das begehrte Rohöl – mit fatalen Folgen für die Umwelt und die Bewohner der Region.

Die Ölsand-Produktion stellt bereits einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag für die kanadische Wirtschaft dar, mit jährlichen Ausgaben, die schon jetzt höher liegen als das Bruttoinlandsprodukt der Hälfte der kanadischen Provinzen.

„Wir mussten viele neue Wörter lernen“, sagte Helen Clifton, eine der führenden Stimmen der Gitga᾿at-Indianer. „Ölfilm, Ölsperre, Ölboom – das kannten wir bis dahin nicht.“ Bis zur Katastrophe vom 22. März 2006, bei der die Fähre auf dem Weg von Prince Rupert nach Port Hardy auf Vancouver Island durch menschliches Versagen mit einem Felsen kollidierte und sank.

Jeden Tag lief Diesel aus ihren Tanks, in denen sich Zehntausende Liter Treibstoff befanden. Nun plant das kanadische Unternehmen Enbridge genau dort eine 5,5 Milliarden Kanadische Dollar (fast vier Milliarden Euro) teure Pipeline. Es soll Öl aus Alberta über knapp 1200 Kilometer nach Kitimat am Pazifik transportiert werden. Über einen Leitungsstrang soll das Öl dorthin, über einen anderen Strang Erdgaskondensat, nach Alberta geführt werden. Letzteres wird benötigt, um das dickflüssige Rohöl fließfähig zu machen.  (Quelle: National Geographic, August 2011) Riesige Tanker müssten genau durch dieses Labyrinth von Inseln und Untiefen gesteuert werden. Unvorstellbar, was durch nur eine Unachtsamkeit passieren könnte…

Der Hafen an der Westküste soll das wertvolle Öl aus Alberta für die asiatischen Märkte verfügbar machen. Chinas staatliches Mineralölunternehmen Sinopec, andere asiatische Ölveredler und kanadische Firmen haben bereits mehr als hundert Millionen Dollar investiert, um das „Northern Gateway“ – Projekt zu planen und genehmigen zu lassen.

Teersands Überall an der Küste British Columbias demonstrieren Naturschützer und Wissenschaftler, Fischer und Küstenbewohner. Viele der First Nations, der indigenen Stämme, durch deren Land die Pipeline laufen soll, sind entschlossen, bis aufs Blut gegen die Pläne zu kämpfen. Ein Leck in der Pipeline oder ein Tankerunfall, sagen sie, würde den „Wald des Großen Bären“ für immer zerstören.

idle_no_moreDie bekannteste Bewegung der First Nation ist „IDLE NO MORE“ (zu Deutsch etwa „Nicht länger untätig bleiben“). Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die ursprünglich von vier Frauen (Sheelah Mc Lean, Sylvia Mc Adams, Nina Wilson und Jessica Gordon aus der Provinz Saskatchewan) initiierte Bewegung „Idle No More“ Anfang November 2012 als Antwort auf neueste Sammelgesetze der kanadischen Regierung (C-38 und C-45), welche massive Einschränkungen von indigenen Vertrags- und Landrechten sowie Umweltschutzbestimmungen vorsehen. (Siehe: IDLE NO MORE – Presseaussendung: (Indigene) Ressourcenausbeutung – Nicht um jeden Preis!)

Great Bear Rainforest

Nirgends, nicht mal in den Tropen, gibt es mehr Leben als hier, im Land der Bären und Wölfe, Adler und Raben, Seelöwen und Wale. Und auch hier geschieht das, was bereits mit dem Great Barrier Reef in Australien geschehen ist. Wie wir berichteten, verkommt das größte Korallenriffsystem der Erde zu einer Müllkippe. Die zuständige australische Behörde hat eine Genehmigung erteilt, dass demnächst bis zu drei Millionen Kubikmeter Schlamm aus der Ausbaggerung des Hafens Abbot Point ins Riffgebiet gekippt werden dürfen. (Siehe: Protestmail gegen Todesstoß! Great Barrier Reef – Weltnaturerbe als Müllkippe).

So auch im Great Bear Rainforest in Kanada; denn dort sollen bald Hunderte Öltanker das kostbare Öl durch ein Labyrinth aus Inseln und Fjorden transportieren. Fünf große Fährunfälle gab es bereits auf der geplanten Tankerroute in den letzten zehn Jahren. Bisher exportiert Kanada das Öl vor allem in die Vereinigten Staaten. Jetzt soll eine Pipeline zur Westküste gelegt werden und das Öl von dort auf dem Seeweg in großen Mengen nach Asien gelangen, wie oben beschrieben. Stellt sich aber auch die Frage, ob nicht durch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada das Öl nach Europa transportiert werden wird.

Ressourcenausbeutung – Nicht um jeden Preis!

Nicht die Wirtschaft scheint in Kanada für die Menschen da zu sein, sondern Menschen und Umwelt werden geopfert, damit die Wirtschaft funktioniert. Ja, auch der Great Bear Rainforest wird geopfert, der Wald des Großen Bären – ein Archipel, so groß wie Bayern und einer der letzten gemäßigten Regenwälder der Erde. In den Flüssen drängeln sich im Herbst Lachse, die zum Laichen aus dem Meer kommen. Im Sommer ziehen die Wale zum Fressen in die kühlen Gewässer an diese Westküste. Hier kann man Killer-, Grau-, Buckel- und Zwergwale zu verschiedenen Jahreszeiten sehen. Die Mehrzahl der Tiere wandert über den Winter in den Süden ab, um dort Nahrung zu finden und ihre Jungen zu gebären.

Great Bear Rainforest

Der Great Bear Rainforest beginnt nördlich von Vancouver bei Sonora Island und reicht bis nach Alaska. Mit seinen 64 000 Quadratkilometern ist er größer als die Schweiz und gehört zu den größten gemäßigten – und letzten verbliebenen – Regenwäldern des Planeten. Hunderte von Tierarten sind an seiner extrem zerfaserten Küste zu Hause, darunter Berglöwen, Wölfe, Lachse und eine der letzten gesunden Grizzlypopulationen Nordamerikas. Große Bestände tausendjähriger Rotzedern und bis zu 90 Meter hoher Sitkafichten sind den Holzfällern entgangen.

Straßen gibt es nicht, die Coast Mountains sind zu steil, die Fjorde zu tief. Die einzige Möglichkeit, dieses grandios verknotete Ineinander von Festland, Inseln und Pazifik aus nächster Nähe zu erleben, ist an Bord eines kleinen Schiffes. Allerdings tut sich die Regierung von British Columbia  mit dem Schutz dieser Küste schwer. Ein Gefühl der Fassungslosigkeit, weil die Politiker sich nicht dazu durchringen können oder wollen, diese großartige Wildnis ein für alle Mal unter Schutz zu stellen. Ressourcenausbeutung, zu diesem hohen Preis?

Sollte das „Northern Gateway Project“ genannte Unterfangen Realität werden, würden laut Pipeline-Hersteller Enbridge pro Jahr mindestens 300 Supertanker in diesen Gewässern fahren.

Great Bear Rainforest: Im Wald der Großen Bären. Informationen und Fotos hier.

Was hat das mit Deutschland zu tun?

Viel! Bereits 2011 entschied die EU-Kommission, dass Teersandöl nicht importiert werden soll, weil die Klimabilanz dieses Öls 23mal schlechter ist als die von konventionellem Öl. Nun könnte die Einfuhr der umstrittenen kanadischen Teersandöle in die EU bis 2020 stark – von heute 4000 auf täglich 700 000 Barrel – ansteigen. Damit würde die Gemeinschaft bis zu 7 Prozent ihres gesamten Ölverbrauchs abdecken. Das von der EU und Kanada vereinbarte Freihandelsabkommen wird voraussichtlich 2015 in Kraft treten. Wird dann die Lieferung von Teersand (Ölsand) weiter ansteigen?

Das Filmprojekt

Ursula Meissner

Ursula Meissner

Der Schauspieler Andreas Hoppe ist nicht nur der Ludwigshafener Tatort-Kommissar Mario Kopper. Er engagiert sich auch seit Langem sowohl für eine ökologisch verträgliche und regionale Ernährung als auch für den Klima- und Umweltschutz. Er kennt Kanada gut und er weiß um die fürchterlichen Folgen der Ölgewinnung durch den Teersandabbau. In dem geplanten Filmprojekt mit dem Arbeitstitel: „Durch die Hölle ins Paradies“ will er den künftigen Weg des dreckigen Öls von den „höllischen“ Tagebaugebieten in Alberta bis in den großen, noch weitgehend „paradiesischen“ Great Bear Rainforest verfolgen und die drohenden Zerstörungen deutlich machen.

Wir Netzfrauen unterstützen Andreas Hoppe, der uns fortlaufend über sein Projekt und über die Schandtaten um den Ölsand informiert. Was können wir ausrichten? Engagierte Menschen können die Welt verändern und wir geben unsere Hoffnung nicht auf. Doch wenn wir verlieren, sollten wir zumindest unsere folgenden Generationen darauf hinweisen, dass wir versucht haben, diese Zerstörungswut zu verhindern – und wenn es „nur“ im Rahmen einer Dokumentation ist. Wir waren laut, doch Mensch und Natur zählten nicht in der raffgierigen Zeit um den Kampf der letzten Ressourcen. Es war den Regierungen und den großen Konzernen egal, dass Ihr, die nachfolgenden Generationen, diese doch so schöne Erde in ihrer vollen Pracht nicht miterleben konntet. Nein, es bleibt Euch nur noch das Filmmaterial, mit dem Ihr sehen könnt, dass Ihr beraubt wurdet. Euch wurde eine Erde hinterlassen, die nur noch erahnen lässt, wie schön sie einst war.

,,Durch die Hölle ins Paradies“ will Andreas von Fort McMurray in der kanadischen Provinz Alberta an die Westküste reisen, um mit dem geplanten Dokumentarfilm auf die Problematik des Teersandabbaus hinzuweisen. Wir Netzfrauen sind für unsere Kinder, Enkelkinder und alle folgenden Generationen mit dabei.

Wir bitten Sie alle: Helfen Sie mit, diesen Film zu realisieren. Ob mit einer Spende – so klein sie auch sein mag – oder durch Weitersagen auf Facebook & Co. Danke für Ihre Hilfe! DER KAMPF UMS ÖL – die Folgen für Mensch und Natur

Die Anthropologin Margaret Mead sagte einst: „Zweifeln Sie niemals daran, dass eine kleine Gruppe ernsthafter und engagierter Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich sind sie die einzigen, die dies vermögen.“

Netzfrau Doro Schreier

Weitere Informationen:

Neue Ölkatastrophe am Great Lakes

DAS SPIEL MIT DEM ÖL

Kaspisches Meer – der letzte Ölgigant! Rohstoffe, wen interessiert da noch das ÖKO-System und die Menschenrechte?

10. bis 14.03.2014 Nächste Verhandlungsrunde – Petition: Kein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen EU und USA

 

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