An die tagesschau.de – Redaktion
z.Hd.: 1. Chefredakteur Dr. Kai Gniffke
Betrifft: Öffentliche Meinung versus veröffentlichte Meinung der Leitmedien im Ukraine/Krim-Konflikt.
Sehr geehrter Herr Dr. Gniffke,
obwohl die öffentlichen Leitmedien mehrheitlich seit Monaten die Interessen des Westens (EU und NATO) ganz offensichtlich in den Vordergrund ihrer Berichterstattung und Bewertung der Ereignisse in der Ukraine stellen, besteht in der Meinung der Bevölkerung anscheinend Skepsis gegenüber dieser Berichterstattung und eine höhere Bereitschaft, auch den Argumenten aus Moskau zumindest Verständnis entgegen zu bringen.
Siehe in diesem Zusammenhang den offenen Brief der Netzfrauen: „Wir fordern Aufklärung über Selbstzensur“ vom 7. März 2014 an die Redaktion tagesspiegel.de: „Betrifft: Selbstzensur Ihrer online-Redaktion zum Umfrageergebnis: „Wie sollte der Westen auf Russlands Vorstöße zur Ukraine reagieren?“ Dies ist nur eines von vielen Beispielen von Selbstzensur in dieser Angelegenheit.
Ein Grund für die Skepsis der Deutschen liegt sicher darin begründet, dass nirgendwo in Europa so stark wie in Deutschland die Erfahrung und das Bewußtsein darüber wach ist, wie weit die Grenzen der NATO und der EU sich seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes nach Osten verschoben haben. Die Einflussspähre der NATO wurde im Laufe der letzten 20 Jahre bis an die „Haustür“ Russlands verschoben: Polen, Litauen, Lettland, Estland,Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und das ehemalige Jugoslavien wurden aus dem Machtbereich der einstigen Sovjetunion peu à peu herausgebrochen und in die EU und NATO integriert.
Gier macht blind
Auf dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung – die heute niemand mehr in Frage stellen möchte – ist es klar, dass die strategische Ausrichtung des Westens auch nach der letzten verbliebenen „Bastion“ der Russen in Europa, der Ukraine (ehemalige Kornkammer der UDSSR), greift.
Wichtig wäre es jetzt, dass die Politik und die Medien die Kalte-Kriegs-Logik durchbrechen, die Dämonisierung Putins und Russlands aufgeben und Gesprächsbereitschaft statt Sanktionen fordern. So wie es ausschaut, möchte genau dies die deutsche Bevölkerung – vor allem auch im eigenen Interesse.
Wichtig wäre eine Neuausrichtung der Russlandpolitik Deutschlands und der EU („Wandel durch Annäherung und Verständnis“), die weniger von geopolitischem Hegemoniestreben und neoliberalen Wirtschaftsideologien geprägt ist, sondern von echter Bereitschaft zu Kooperation v.a. auch im Interesse der Ukraine.
Dazu gehört es ebenso, die unerträgliche Doppelmoral in den internationalen Beziehungen zu beenden. All das ist notwendig, um einen neuen kalten Krieg zu vermeiden, aber auch um der ukrainischen Bevölkerung die Chance zu einer Verbesserung ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage zu gönnen – als Brücke zwischen EU und Russland.
Die Netzfrauen möchten Sie dazu ermutigen, mehr Ausgewogenheit in Ihrer Berichterstattung walten zu lassen und auch die Sicht und die berechtigten Interessen des Landes objektiver darzustellen, dem wir die deutsche Einheit mit zu verdanken haben!
Netzfrau Birgitt Becker / Schreiner
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