Für eine enkeltaugliche Zukunft!

Unsere Heimat enkeltauglich machen“ – das war der Slogan des dritten Zukunftsmarktes ausgerichtet vom überparteilich arbeitenden Verein Grünes Forum Baden e. V. am 27. April im badischen Bühl. Rund 90 Unternehmen, Institutionen und Dienstleister aus der Region stellten dort sich und ihre Produkte, Projekte und Ideen vor und die Besucher konnten vor Ort die Möglichkeiten der „Wende von unten“ erleben. Redner waren u. a. Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dr. Franz Alt und Lena Scheifgen von Plant-for-the-Planet. „Der Verein ist ein Zusammenschluss von Unternehmerinnen, Handwerkern, Dienstleistern, Angestellten, Rentnern und anderen engagierten Menschen aus der Region. Dieser Personenkreis arbeitet daran, Mittelbaden enkeltauglich zu machen und die Wertschöpfung vor Ort zu organisieren, indem die Bevölkerung und die Unternehmen und Dienstleister dazu motiviert werden, selbst in nachhaltige Projekte in der Region zu investieren.“ Bühl ist eine Kleinstadt in Mittelbaden, die sowohl große weltweit arbeitende Konzerne wie LUK und Bosch als auch viele mittelständische Betriebe vorweisen kann. Auf dem 3. Zukunftsforum wurde gezeigt, was die Betriebe vor Ort anbieten. Von Solar und Fotovoltaik über Pellet-Heizungen, Car-Sharing, nachhaltige Geldanlagen, die gute Schokolade bis hin zum Verein Pro-Nationalpark-Schwarzwald war ein breitgefächertes Repertoire zu erleben. Und mit Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dr. Franz Alt und Lena Scheifgen von Plant-for-the-Planet, die Felix Finkbeiner vertrat, der auf Grund einer Flugzeugpanne in Mexiko festsaß, unterstützten drei namhafte Referenten diesen Zukunftsmarkt. Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, der auf dem Weg in die Ukraine war und nur kurz in Bühl Station machen konnte, zeigte einige Punkte aus seinem Buch „Faktor 5“ als Denkanstoß auf. Der ökologische Fußabdruck (global footprint) der Gesamtmenschheit beträgt gegenwärtig ca. 2.2 globale Hektar (gha) und übersteigt damit schon den Verbrauch der natürlichen Vorräte, der uns „zustehen“ würde (1.8 gha). Zusätzlich ist der Verbrauch der Ressourcen extrem ungleichmäßig verteilt: Er liegt zum Beispiel in Amerika bei fast 10 gha. Würde man das auf die gesamte Menschheit hochrechnen, bräuchten wir 5 Erdbälle – wir haben aber genau einen! Nach von Weizsäcker gibt es drei theoretische Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen: Entweder vermindere man die Zahl der Menschen von 7 Milliarden auf 1,5 Milliarden oder man mute den Amerikanern und den reichen Deutschen einen Lebensstil wie in Kamerun oder Rumänien zu – beides sei selbstredend utopisch. Oder wir werden fünfmal effizienter im Umgang mit Fläche, Wasser und Mineralien, das zumindest sei möglich. Die CO2-Intensität der Wirtschaft muss gesenkt werden. Das wäre theoretisch durch den Einsatz von Kernenergie möglich, aber die damit verbundenen Risiken sind nicht zu verantworten. Deshalb wird vermehrt auf den Einsatz der erneuerbaren Energien gesetzt – bis 2020 sollen es europaweit 20 % sein, was der Energieversorgung einer halben Milliarde Menschen entsprechen würde. Geht man jetzt optimistisch denkend davon aus, dass eine weitere halbe Milliarde in Amerika, Kanada etc. durch die erneuerbaren Energien versorgt werden würde, würde das zusammen aber nur 1/35 des Gesamtbedarfs abdecken. Für von Weizsäcker ist aber eine „Verfünfunddreißigfachung“ der erneuerbaren Energien ökologisch nicht verantwortbar. Aber was dann? Es hilft nur eine ganz dramatische Steigerung der Energieproduktivität, die technisch möglich ist – das ist die gute Nachricht. Beispiele sind die Passivhäuser oder auch das 1-Liter Auto. Für von Weizäcker haben wir keinen steigenden Energiebedarf, sondern einen steigenden Bedarf an Verschwendung von Energie (SUV-Autos, schlecht isolierte Häuser, Lebensmittel, die aus Neuseeland eingeflogen werden etc.). Es sei wirtschaftlich rentabler, einen Erdbeerjoghurt 8000 km quer durch Europa zu kutschieren als ihn in teuren Molkereien vor Ort produzieren zu lassen. Ein weiteres Beispiel ist die Produktion von Portland-Zement aus Kalkstein unter gigantischem Energieeinsatz, dabei könnte Zement auch energieschonender zum Beispiel aus Hüttensand aus der Eisenherstellung oder Flugasche aus den Kohlekraftwerken oder auch aus Vulkanasche hergestellt werden. Letztere haben die alten Römer sehr erfolgreich beim Bau des Kollosseums verwendet, das steht heute in Teilen immer noch, wohingegen eine moderne Betonbrücke nach 60 Jahren möglicherweise schon baufällig ist. Durch falsch subventionierte Energie ist aber heute die Energieverschwendung immer billiger geworden und bestehende Möglichkeiten werden nicht ausgeschöpft. Allerdings werden Effizienzsteigerungen alleine sicher nicht ausreichen, da die Erfahrung gezeigt hat, dass sie in aller Regel nur zu einem verstärkten Wachstum und weiterem Energieverbrauch führen (Rebound-Effekt). Was ist also zu tun? Man müsse die Erfolgsgeschichte der industriellen Revolution, die mit der Erhöhung der Arbeitsproduktivität einherging, auf die Ressourcenproduktivität übertragen, so von Weizsäcker, und unter anderem die Energie und Primärrohstoffe jedes Jahr um gerade so viel Prozent verteuern, um die im abgelaufenen Jahr die Energie-Effizienz zugenommen hat. Höhere Energiepreise schaden auch nicht zwangsläufig der Wirtschaft, denn Japan hatte zum Beispiel zwischen 1975 und 1990 extrem hohe Energiekosten, die in einem Innovationsschub in der Industrie resultierten, um Kosten zu sparen. Nach 15 Jahren war Japan das wettbewerbsfähigste Land der Erde. Die Wirtschaft wird neue Prioritäten setzen müssen, denn wenn wir nicht lernen, nachhaltig mit der Erde umzugehen, wird die Natur zurückschlagen. Dr. Franz Alt setzte in seinem Vortrag ähnliche, wenn auch nicht die gleichen Schwerpunkte. Anders als Prof. von Weizäcker ist er durchaus der Ansicht, dass unsere Energieversorgung zu 100 % erneuerbar sein könnte. „Die Sonne schickt uns keine Rechnung.“ An der Energiewende führt kein Weg vorbei, die alten Quellen gehen zur Neige und werden immer teurer. Parallel dazu werden die erneuerbaren Energien immer preiswerter. In den letzten Jahren sind die Kosten für die alte Energie um das 3-4-fache gestiegen, im gleichen Zeitraum wurden die Neuen um 90 % billiger. Trotzdem reden die Politiker davon, dass die Energiewende zu teuer sei. Nach Franz Alt wird „keine Energiewende“ 7x so teuer wie eine intelligent gemachte Wende sein. Die Menschen würden allerdings immer erst nach großen Katastrophen oder bei dem Griff in den Geldbeutel umdenken. „Das Alte muss so teuer werden, dass sich das Neue lohnt.“ Plakativ nannte er verschiedene Aspekte: 2013 wurden 20 Milliarden für die Einspeisevergütungen für Solar und Photovoltaik ausgegeben, und 100 Milliarden für Kohle, Öl und Gas. Deutschland sei von Putins Öl abhängig. Die Vorteile der Energiewende sind klar zu benennen: ca. 1 Million neue Arbeitsplätze im eigenen Land, riesige Exportmöglichkeiten und die Bekämpfung des Klimawandels. Unsere Gesellschaft sei nicht enkeltauglich, es werde Politik für die Rentnergeneration gemacht, ein großes Defizit der großen Koalition. Aber nur, wer sich rechtzeitig auf das Neue einstelle, werde gewinnen. Die großen Energiekonzerne hingen an ihren alten Geschäftsmodellen, vielleicht müsse die Energiewende dann eben „von unten“ kommen. Weltweit gebe es 2 Milliarden Dächer, in Deutschland 20 Millionen. Wenn die alle mit Solaranlagen und Photovoltaik bestückt wären, welche Energie ließe sich damit gewinnen?! Bundeswirtschaftsminister Gabriel sage, Solar sei zu teuer, aber in Bangladesch leisten es sich die Armen oder in der Mongolei haben die Nomaden kleine Solaranlagen, die den Strom für Handys und Laptops produzieren. Unser Gesetz für erneuerbare Energien wurde weltweit übernommen, anderswo blüht die Solartechnik, heute ist Japan Solarweltmeister. Zur nachhaltigen Wirtschaft gibt es keine Alternative mehr, denn durch das Industriezeitalter ist der CO2-Gehalt in der Atmosphäre um 1/3 höher als noch vor 100 Jahren und der Zusammenhang mit dem Klimawandel wird nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt. „Du kannst nur ernten, was wir säen“ – wer den Klimawandel verursacht, kriegt Klimaflüchtlinge – und 18 Millionen Klimaflüchtlinge sind bereits unterwegs. Jeden Tag sterben 150 Tier- und Pflanzenarten aus, werden 150 ha Wüste erschaffen und gehen 86 Millionen Tonnen fruchtbaren Bodens verloren. Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden bzw. sind bereits Kriege um Ressourcen, um Öl und Wasser. Es wird keine allgemeingültige Regel geben, sondern jedes Land wird seinen eigenen Energiemix haben: In Afrika mehr Sonnennutzung, in Island mehr Erdwärme, in Süddeutschland mehr Sonne und Wasserkraft, in Norddeutschland Wind und Biomasse. Für Franz Alt ist nicht nur Deutschland zu 100% erneuerbar, die Sonne schickt uns 15 000 x mehr Energie, als alle Menschen brauchen, und das noch für 4 Milliarden Jahre. Im Anschluss an die beiden Redner kam nun die Enkel-Generation selbst zu Wort. Und das war vielleicht auch das Besondere dieser Veranstaltung, denn sie war tatsächlich generationenübergreifend. Ursprünglich sollte an dieser Stelle der 16-jährige Felix Finkbeiner stehen, der die Organisation „Plant-for-the-Planet“ ins Leben gerufen hat. Leider saß er in Mexiko am Flughafen fest und so kam statt seiner die ebenfalls 16-jährige Lena Scheifgen und stellte die Ziele der Enkel vor: Stop talking, start planting! Für Lena und ihre Generation haben wir heute eine Klimakrise und eine Gerechtigkeitskrise. Alle Erwachsenen wissen davon und trotzdem wird nichts getan! Warum ist das so? Das liegt zum einen am Wert der Zukunft, der für viele Erwachsene eine rein akademische Frage ist. Sie werden die schlimmsten Szenarien wohl selber sowieso nicht mehr erleben und können auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Viele verstecken sich außerdem hinter den Klimaskeptikern – nur, wenn man den Vorschlägen der Kritiker jetzt folgt, verliert man nichts. Wartet man aber ab, bis der letzte Skeptiker überzeugt ist, und handelt dann, ist es zu spät und viele Prozesse sind unumkehrbar. Die Nachhaltigkeit ist für die Kinder in der Zukunft das einzig mögliche Überlebenskonzept. Man sollte die Entscheidungen so treffen, dass auch die 7. Generation nach uns noch damit leben kann. Die Kinder von Plant-for-the-Planet haben einen 3-Punkte-Plan:

  1. Bäume pflanzen, 1000 Milliarden Bäume würden 1/4 des menschlichen CO2 binden
  2. 2050 muss es heißen: Null Emissionen, die Technologien dafür sind vorhanden
  3. 1,5 Tonnen CO2 / Person / Jahr als Obergrenze – alle, die mehr ausstoßen, müssen dafür zahlen

„In Europa und Amerika leben 15% der Weltbevölkerung, die aber 60% des weltweiten CO2 verursachen. In Afrika leben ebenfalls 15% , die aber nur für 2% CO2 verantwortlich sind. Wir fragen uns, kann das gerecht sein?“ Die Folgen der Klimakrise sind auf der ganzen Welt zu spüren, die Wüsten breiten sich aus und das Trinkwasser wird knapp. Plant-for-the-Planet hat bereits 13 Milliarden Bäume gepflanzt, diese Kinder wollen aktiv beteiligt sein und sich ihre Zukunft nicht von den Erwachsenen vorschreiben lassen. Botschafter für Klimagerechtigkeit werden ausgebildet, sie nehmen weltweit an Demonstrationen teil und stellen den Regierungen unbequeme Fragen – auf die sie oftmals gar keine Antwort bekommen. Und sie zeigen, dass es auch anders geht, „Make the world look better“ steht auf den T-Shirts der Gruppe, die aus Holz hergestellt sind und folgerichtig TREE-Shirts heißen. Plant-for-the-Planet unterstützt „Die gute Schokolade“, die fair Trade und klimaneutral hergestellt wird. Eine aktuelle Aktion ist die „Expedition Hope“, so Lena: „Drei Forscher wandern für uns über das arktische Eis nach Kanada, was wohl eine der letzten Expeditionen dieser Art sein wird, da das Eis schmilzt“. Auf dem Blog der Expedition heißt es: „Expedition Hope ist ein einmaliges Abenteuer.  Einmalig im wahrsten Sinne des Wortes. Denn: Die Pole schmelzen – und der Weg, den Bernice Notenboom im Namen der Kinder von Plant-for-the-Planet beschreitet, wird bald nicht mehr existieren. Wenn wir nicht handeln.“ Dieser kurze Auszug aus den drei Vorträgen bei einer Veranstaltung für die Zukunft in Mittelbaden soll einen Eindruck davon vermitteln, was neben der großen Politik auch im Kleinen möglich ist. Der Zukunftsmarkt im grün-rot regierten Baden-Württemberg lässt einen nicht resigniert ob der vielen schlimmen Perspektiven zurück, sondern alle drei Redner und auch die vielen Aussteller zeigten auf, was Jedem von uns möglich sein kann. Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, formulierte es in seinem Grußwort zu dieser Veranstaltung sehr schön: „Die zahlreichen Ausstellerinnen und Aussteller stellen sich dem zentralen Anliegen der Landesregierung Baden-Württemberg, die Energiewende von unten nicht nur zu fordern, sondern tatkräftig umzusetzen. Damit wollen die Veranstalter die Heimat „enkeltauglich“ machen und die Wertschöpfung in konkreten Projekten vor Ort erzeugen und wieder investieren.“

Netzfrau Jutta P. Klatt

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