Bislang war das Spenden von Lebensmitteln in Belgien freiwillig, so wie wir es in Deutschland von den Tafeln kennen. In Zukunft aber sollen große Geschäfte verpflichtet werden, nicht verkaufte Lebensmittel vor der Entsorgung wohltätigen Organisationen anzubieten.
Eine gute Sache, wenn man sich die Zahl der Armen in Belgien und die Menge der weggeworfenen Lebensmittel anschaut.
Aber nicht alle Beteiligten sind begeistert …
Es folgt die freie Übersetzung eines französischen Artikels, in dem es um das Beispiel Wallonien geht: „La Wallonie veut rendre obligatoire le don des invendus alimentaires“
Es steht außer Frage, dass sie letztendlich im Müll und auf den Weg zur Biogasanlage landen. Jetzt sollen von Supermärkten nicht verkaufte Lebensmittel zuvor Organisationen angeboten werden. Diese Entscheidung wurde am Freitag vom Ausschuss für Umwelt mit nur einer Stimmenthaltung der MR [Mouvement Réformateur], im Wallonischen Parlament einstimmig getroffen. Eine Entscheidung, die vom Sektor der Lebensmittelhändler als unproduktiv angesehen wird.
Derzeit sind die Spenden freiwillig. Die jüngste Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittelspenden hatte die großen Einzelhändler bereits ermutigt, unverkaufte Lebensmittel zu verteilen statt zu vernichten. Mehr als 1800 Tonnen Lebensmittel wurden im vergangenen Jahr an entsprechende „Food Banks“ gegeben, 28% mehr als im Jahr 2012.
Mit der vorgeschlagenen Verordnung sollen die freiwilligen Abgaben für Geschäfte mit über 1000 Quadratmetern verbindlich werden. Isabelle Simonis, Präsidentin der sozialdemokratischen Fraktion in der Wallonischen Region: „Es soll als sektorale Verpflichtung angesehen werden, nicht Verkauftes an Wohltätigkeitsorganisationen abzugeben. Dieser Vorschlag für eine Verordnung soll im Plenum abgestimmt werden. Die Regierung wird dann über die Durchführungsbestimmungen entscheiden.“
„Eine schlechte Idee“, so Dominique Michel, Direktor von Comeos, dem Verband für Handel und Dienstleistungen: „Der Vorschlag der wallonischen Regierung deckt nur die großen Flächen ab und das sind diejenigen, die sowieso schon spenden. Tatsächlich wird Lebensmittelverschwendung in kleinen Läden und auf kleinen Flächen betrieben. Daran muss gearbeitet werden – gemeinsam mit dem CPAS [Öffentliches Sozialhilfezentrum].
Comeos zweifelt ferner an der Aufnahmekapazität der Wohlfahrtsverbände und an der logistischen Durchführbarkeit der vorgeschlagenen Verordnung und hält diese für ein wahlpropagandistisches Projekt.
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Anders dürften das allerdings jene Belgier sehen, denen die Lebensmittelspenden zugute kommen. Laut einem Videobeitrag von arte leiden 200 000 Belgier an Unterernährung, weil sie sich nicht einmal mehr die Sonderangebote in den Supermärkten leisten können. Aber sehen Sie selbst:
Wussten Sie davon? Bereits im Dezember letzten Jahres berichteten wir in unserem Artikel „Gemachte Armut“ über Hunger und Obdachlosigkeit, über Streiks und Demonstrationen in ganz Europa. Auch in Deutschland leben immer mehr Menschen in Armut. Im genannten Artikel wiesen wir bereits darauf hin, dass auch hier am Ende des Monats immer mehr Menschen auf die Tafeln angewiesen sind. Warum schweigt sich die Presse aus über Dinge, die bei uns und in unserer direkten Nachbarschaft passieren? Sind uns denn unsere Nachbarn – sowohl jene, mit denen wir Tür an Tür leben, als auch unsere europäischen Nachbarn – so wenig wert?
Vielleicht wäre das Modell Belgiens auch in anderen Ländern angebracht. Und vielleicht sollte man hier bei uns in Deutschland – ganz im Sinne von Artikel 14, Absatz 2 unseres Grundgesetzes „Eigentum verpflichtet“ – zumindest jene in die Pflicht nehmen, die finanziell so gut gestellt zu sein scheinen, dass sie es sich leisten können, ihren Wareneinsatz auf den Müll zu werfen.
Netzfrau Ruth Freckmann
Netzfrau Andrea Wlazik
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