Möchten Sie wissen, ob Ihre Lebensmittel gentechnisch verändert sind?

gvomaisIn den USA breitet sich seit einigen Jahren eine Graswurzelbewegung aus. Ihr Ziel: eine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel.

Grassroots bedeutet übersetzt „Graswurzeln“. Eine Graswurzelbewegung ist demnach eine Bewegung, die aus der Bevölkerung heraus – also quasi von ganz unten – entstanden ist.

Wir übersetzen Ihnen nachfolgend den Artikel: „Möchten Sie wissen, ob Ihre Lebensmittel gentechnisch verändert sind?“ aus der Zeitschrift „The Atlantic“.

Überall im Land gewinnt eine aggressive Graswurzelbewegung an Unterstützung bei ihrer Forderung nach GVO-Kennzeichnung. Wenn sie nur die Wissenschaft auf ihrer Seite hätte…

In mehr als 30 Jahren politischer Arbeit hatte Bobby Starr so etwas noch nie gesehen: Der Senator des Staates Vermont, ein Demokrat, repräsentiert einen abgelegenen ländlichen Bezirk an der kanadischen Grenze. In den letzten paar Jahren wollte jeder, ob Dorfbewohner bei den jährlichen Bürgerversammlungen oder ob Kinder bei einer Schulversammlung, über gentechnisch veränderte Organismen in der Nahrung sprechen, ganz egal, wo er/sie hinkam.

Die Menschen, die dieses Thema aufbrachten, waren keinen Hetzer von außerhalb oder stereotype Vermont-Hippies. „Sie waren ganz normale Bürger“, sagte mir Starr kürzlich. „Hier habe ich im Grunde mein ganzes Leben verbracht, deshalb kenne ich sie.“ Obwohl Starr, ein Bauer und ehemaliger LKW-Fahrer, zuvor für mehr als ein Jahrzehnt den Vorsitz über den Agrarausschuss des Senats hatte, hatte er keine eindeutige Meinung in Bezug auf die Kennzeichnung von genetisch veränderten Lebensmitteln oder GVO-Zutaten. Er hatte immer auf die Landwirte geachtet, und die waren meist gegen eine Kennzeichnung. Aber es war klar, was seine Wähler wollten. „Ich war schon immer ziemlich gut darin, mich an die zu erinnern, die ich vertrete“, sagt er.

So wurde Starr ein Verfechter des GVO-Kennzeichnungsgesetzes für Vermont. Er hatte viel Gesellschaft. Bei den öffentlichen Anhörungen über das Kennzeichnungsgesetz im Jahr 2012 und auch in diesem Jahr war die Kammer mit Menschen überfüllt, die beide Male zu Wort kommen wollten. Nicht ein einziger Bürger sprach sich gegen die Gesetzgebung aus. Die endgültige Abstimmung im Senat war 28 zu 2.

Es gibt derzeit 84 Gesetzesentwürfe für eine GVO-Kennzeichnung in 29 Staaten sowie konkurrierende Gesetzesentwürfe im Kongress.

Letzte Woche unterzeichnete Gouverneur Peter Shumlin, ein Demokrat, ein Gesetz, welches aus Vermont den ersten Staat des Landes machte, der fordert, dass innerhalb der eigenen Grenzen verkaufte Lebensmittel, in denen sich gentechnisch veränderte Bestandteile befinden, entsprechend gekennzeichnet werden. Aktivisten begrüßen diese Änderung. Dieser größte Sieg, der mit der Unterzeichnung der Gesetze in Vermont stattfand, bedeutet einen entscheidenden Wendepunkt“, sagt Ken Cook, Präsident der Environmental Working Group aus D. C.

Vermont ist der erste Sieg und wird nicht der letzte sein. Das Voranbringen der Kennzeichnung von GVO ist Gegenstand einer wachsenden, leidenschaftlichen nationalen Bewegung. Laut der National Conference of State Legislatures gibt es derzeit 84 Gesetzesentwürfe für die GVO-Kennzeichnung in 29 Staaten sowie konkurrierende Gesetzesentwürfe im Kongress. Anfang dieses Jahres verabschiedeten Maine und Connecticut die Kennzeichnungsforderungen mit einem „Trigger“-Mechanismus: Die Vorgabe werden erst dann wirksam werden, wenn mehrere Nachbarstaaten den gleichen Schritt unternehmen.

Volksbegehren für eine Kennzeichnungspflicht wurden in Kalifornien im Jahr 2012 und Washington im Jahr 2013 niedergeschlagen. Doch Aktivisten unternehmen den Versuch, das Problem in diesem Jahr auf die Stimmzettel einiger unverbrauchter Staaten zu bekommen, darunter Oregon, Colorado und Arizona.

Copyright: Simone Hug

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In einem Staat nach dem anderen wurde die Kennzeichnung vorgeschlagen und die Politiker, die es vorantreiben – meist Demokraten –  erzählen die gleiche Geschichte. Das Problem, sagen sie, hatten wenige auf dem Schirm,  bis eine enorme Menge an Druck auf sie ausgeübt worden sei. In Vermont wurde die Kampagne für die Etikettierung von einer Koalition der Bio-Betriebe und der Vermont Public Interest Research Group angeführt. Aktivisten klopften an 80 000 Türen und erreichten, dass 30 000 Menschen in Vermont Postkarten an ihre gesetzlichen Vertreter schickten.

Kennzeichnungs-Befürworter zielen mit ihrer Botschaft nicht darauf ab, die GVOs selbst zu attackieren, sondern auf das Recht der Verbraucher auf Information. „Dieses Gesetz ist kein Urteil darüber, ob Sie Lebensmittel verzehren sollten, die GVOs enthalten, oder nicht“, sagte mir Shumlin. „Wir sagen einfach, wenn man die Bestandteile auf dem lesen kann, was man kauft, so sollte man in der Lage sein zu erfahren, ob man ein GVO-basiertes Produkt isst.“

Keine ausreichend akzeptierte Wissenschaft unterstützt die Idee, dass GVOs grundsätzlich gefährlich für die Gesundheit der Menschen oder die Umwelt sind. Für die Befürworter, darunter viele aus der Agrarindustrie, ist der Widerstand gegen GVOs nichts anderes als eine gefährliche Manie und die Leute verhalten sich ihrer Meinung nach ähnlich wie jene, die sich weigern, ihre Kinder impfen zu lassen, oder die leugnen, dass sich durch menschliche Aktivitäten das Klima der Erde verändert.

Doch die Leidenschaft der Grassroots bei diesem Thema – angetrieben durch Gerüchte aus dem Internet, anti-liberalen Korporatismus und durch um ihre Kinder besorgte Mütter – lässt sich nicht leugnen. Mehr als eine Million Menschen haben eine Petition an die „Food and Drug Administration“ unterzeichnet mit der Aufforderung, GVOs zu kennzeichnen – der Höchststand aller Petitionen in der Geschichte dieser Behörde. „Mitglieder des Kongresses werden von ihren Wählern aufgefordert, Stellung zu diesem Thema zu beziehen“, sagt Colin O’Neil, Direktor für Regierungsangelegenheiten und zuständig für das „Pro-Kennzeichnungszentrum“ in der Lebensmittelsicherheit, Washington, DC.

Im Zuge der Anstrengungen von Vermont und anderen Staaten reagiert die Lebensmittelindustrie, deren Gewinne jetzt von GVO-Bestandteilen abhängen, ganz klar panisch auf Grund des Potenzials eines 50-Staaten-Flickenteppichs von widersprüchlichen Kennzeichnungsvorschriften, der die Hersteller zwingen könnte, bei der Verpackung – beispielweise von Kartoffel-Chips – von einem Staat zum anderen Unterschiede zu machen. (Schätzungsweise 60 bis 70 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel enthalten GVO.)

„Wir hatten (schon) viele Male in der Geschichte der Vereinigten Staaten Menschen, die Lebensmittelskandale erschufen, welche der wissenschaftlichen Grundlage entbehren.“

Die Industrie schlug mit einem Gesetzesentwurf im Kongress zurück, demgemäß die Kennzeichnung von „Biotechnologie“ – die Lebensmittelindustrie bevorzugt diesen Euphemismus für GVO – allein in den Händen der FDA liegen und es den Staaten verboten sein sollte, diese einfordern zu können. Diese die Industrie stärkende Gesetzesvorlage hat schlechte Chancen in einem festgefahrenen Kongress. Ihre Einführung im letzten Monat war vor allem ein symbolischer Akt von GVO-Befürwortern in der Hoffnung, dem Elan der anderen Seite etwas entgegensetzen zu können.

Der Hauptsponsor dieser Gesetzesvorlage, der Republikaner Mike Pompeo aus Kansas, klang verärgert, als ich ihn über die Begeisterung rund um die Kennzeichnung befragte. „Es gab auch [Begeisterung] um Alar herum, nicht wahr?“, sagte er und bezog sich dabei auf das Apfel-Spray, das in den 1980er Jahren vom Markt genommen wurde, nach einer laut Erzeuger panikmachenden Kampagne von Umweltschützern. „Wir hatten schon viele Male in der Geschichte der Vereinigten Staaten Menschen, die Lebensmittelskandale erschufen, welche der wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Dies ist kein neues Phänomen.“ Ich sprach mit Pompeo an dem Tag, nach dem er die Gesetzesvorlage eingebracht hatte. Er schätzte, dass er bereits 500 Telefonanrufe erhalten hätte – überwiegend von Gegnern.

Seit der ersten Zulassung vor zwei Jahrzehnten durch die Regulierungsbehörden haben Befürworter von Natural-Food versucht, den Anstieg von GVO in Amerika zu bremsen. Im Jahr 2002 scheiterte in Oregon eine Wählerinitiative für die Etikettierungspflicht von GVO. Der neuerliche Ruck wurde ausgelöst, als 2012 Aktivisten in Kalifornien – dem Staat, in dem scheinbar jedes Thema auf dem Wahlzettel landet – eine Initiative starteten mit der Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für im Staat verkaufte GVO-Produkte.

bell-pepper-173194_1280„Ich. Das war ich.“, erzählt mir Pamm Larry, Großmutter, ehemalige Hebamme und Kräuterbäuerin aus Chico lachend. „Ich habe die Initiative gestartet.“ Sie übertreibt nicht: Die Idee für eine Wählerinitiative kam ihr im Traum, in einer Nacht 2011 – um genau zu sein am 21. Januar 2011. „Es kam mir, dass es an der Zeit sei, dass die Menschen in Kalifornien wählen“, sagt sie.

Viele nationale Anti-GVO-Aktivisten waren gegen ihren Schachzug. Sie dachten, die Zeit sei noch nicht reif und waren besorgt, dass eine Niederlage einen Rückschlag bedeuten könnte, von dem sich die Bewegung womöglich nicht mehr erholen würde. Larry, die ihren Mangel an politischer Kompetenz fröhlich zugibt, ließ sich nicht beirren. Sie rekrutierte gleichgesinnte Aktivisten auf Facebook, in Bio-Läden und auf Bauernmärkten und durchquerte den Staat in ihrem 1998 Toyota Camry mit „GMO-OMG“-Kennzeichen. Im Februar 2012 verbreiteten die Freiwilligen eine Petition und sammelten innerhalb von 10 Wochen fast eine Million Unterschriften.

Bis die Wahlen in Kalifornien vorbei waren, hatten die Gegner der Initiative 46 Millionen US $ für ihre Kampagne ausgegeben – Monsanto alleine 8 Millionen US$.

Rückblickend mag der triumphale Erfolg beim Sammeln der Unterschriften der Höhepunkt der Kampagne gewesen sein. „Proposition 37“, wie die Initiative schließlich genannt wurde, wurde unterstützt von der „California Democratic Party“ und der „Green Party“. Dennoch lief sie sofort vor eine Mauer aus verwirrenden und teuren Anzeigen, bezahlt von Monsanto, dem in Missouri ansässigen Biotech-Giganten, und anderen Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Monsantos finanzielle Interessen sind offensichtlich: Sein genmanipuliertes Saatgut macht 80% des Getreides und 93 % der Sojabohnen aus, die in den USA wachsen.

Bis die Wahlen in Kalifornien vorbei waren, hatten die Gegner der Initiative 46 Millionen US $ für ihre Kampagne ausgegeben. Alleine 8 Millionen US $ investierte Monsanto neben weiteren Beteiligungen in Milliardenhöhe von DuPont, PepsiCo, Kraft Foods und anderen Lebensmittelgiganten. Dem entgegen standen 9 Millionen US $ von den Befürwortern der Initiative. Die öffentliche Unterstützung sank jäh ab, als Anzeigen geschaltet wurden mit der Behauptung, die Kennzeichnung der GVO-Produkte würde zu höheren Lebensmittelpreisen führen. Die Initiative scheiterte mit 51 zu 49 %.

„Proposition 37“ mag verloren haben, aber für Larry ist ein moralischer Sieg bereits erreicht. Die Initiative entfesselte eine wahre Flut von angestautem nationalem Interesse für GVOs und deren Kennzeichnung. Überrascht und verärgert über die Niederlage der Initiative, nahmen sich Aktivisten in anderen Staaten des Themas an und brachten die heute beeindruckende Masse an Gesetzesvorschlägen und Volksentscheiden hervor.

Copyright: Simone Hug

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Dennoch ist der Kampf in Kalifornien, wo Landesgesetzgeber in zwei Staatssenat-Kommittees vor Kurzem widerwillig über einen Kennzeichnungsentwurf abgestimmt haben, nicht vorbei. „Wir haben schon viel gewonnen,“ sagt Larry. „Viel mehr Menschen sind auf dieses Thema aufmerksam geworden.“

Es ist immer noch nicht klar, ob die Befürworter der Kennzeichnung die klugen Köpfe der Finanzierung und der Politik zusammenbringen können, um an der Wahlurne zu gewinnen. Die Geschichte von „Proposition 37“ spielte sich auf fast genau die gleiche Weise im folgenden Jahr im Staat Washington ab. Wieder einmal wurde eine Volksinitiative von einem einzelnen Aktivisten durchgeführt, der das Internet und die landesweiten Netzwerke von Naturkostläden, Bio-Lebensmittelgeschäften, Bauernmärkten und Naturkost-Aktivisten nutzte, um Verbündete zu finden. Die Maßnahme, bekannt als Initiative 522, wurde im November 2013 zur Abstimmung vorgelegt. Die Bedingungen waren alles andere als ideal: Der Zeitpunkt zum Jahresende stellte sicher, dass die Wahlbeteiligung extrem niedrig sein würde. Wieder einmal wurde eine Flut von Anzeigen, gesponsert durch Pro-GVO-industrielle Interessen losgelassen, schnell verlagerte sich der Strom der öffentlichen Unterstützung und die Maßnahme wurde knapp verloren.

„Monsanto schrieb Millionen-Dollar-Schecks am laufenden Band“, erinnert sich Trudy Bialic, Direktorin für öffentliche Angelegenheiten einer in Seattle ansässigen Natural-Foods Co-Op-Kette, die bei der Ausarbeitung der Initiative geholfen hatte. Die Grocery Manufacturers Association, die Lobby für die Hersteller von verarbeiteten Lebensmitteln, gab 11 Millionen US $ aus.

„Boom, boom, boom, Millionen über Nacht. Es war ein Tod durch tausend Stiche – sie [die Gegner] verwirrten Menschen, aber sie haben nie die zentrale Frage nach den Rechten der Verbraucher gestellt. Und wir haben dennoch fast gewonnen.“

GVO-Befürworter werden Ihnen sagen, dass dieses Bild von einer Bewegung der zusammengewürfelten Aktivisten gegen das bedrohliche Ungetüm Big Food nicht ganz zutreffend ist. Die Kennzeichnung wird durch deren eigene spezielle Interessen unterstützt, vor allem die Lebensmittel-Industrie für Bio- und natürliche Produkte, die vermutlich sehen würde, wie sich ihr Marktanteil erhöht, sähen sich die Verbraucher plötzlich mit GVO-Etiketten in Regalen ihrer Lebensmittelgeschäfte konfrontiert. Die wichtigsten Geldgeber der Kennzeichnung sind biologische Lebensmittel-Hersteller wie Amy’s Kitchen and Nature’s Path, der Hersteller von organischer Seife Dr. Bronner und der Nahrungsergänzungsmittel-Vermarkter und Impf-Kritiker Joseph Mercola. Die Kampagne für die Kennzeichnung wird nicht nur von Aktivisten angetrieben, sie ist eine koordinierte nationale Anstrengung auf Seiten von Gruppen wie des Center for Food Safety und Just Label It, einem Projekt der Environmental Working Group. Die nationalen Gruppen unterstützen lokale Aktivisten mit Ressourcen und Strategien.

Aber diese Interessen werden durch die Größenordnung der Stärke und der Schlagkraft der Agrarindustrie auf der anderen Seite in den Schatten gestellt. Es gibt keinen Zweifel daran, wer der kleine Grassroot-David und wer der Big-Business-Goliath in diesem Kampf ist.

Die zunehmende Unterstützung für die Kennzeichnungspflicht ist ernsthaft und beeindruckend. Im vergangenen Jahr zogen Hunderte von Aktivisten durch Städte der USA zu einem einen „March against Monsanto“, um gegen GVO zu protestieren, der Hunderttausende von Demonstranten anlockte. Eine weitere Demonstration ist für Ende dieses Monats [Mai 2014] geplant.

MF2-A006Als Henne Kristi Marsh im Jahr 2006 mit der Behandlung von Brustkrebs begann, retteten giftige Chemikalien – die Chemotherapie – ihr das Leben. Aber die Vollzeit-Mutter aus einem der Vororte von Boston erlebte ein Erwachen hinsichtlich der Giftstoffe, die sie plötzlich überall um sich herum entdeckte und die langsam aber sicher und leise ihren Körper und die ihrer drei kleinen Kinder vergiften.

Marsh beschloss, die Kontrolle zurückzugewinnen. Sie begann mit der Beseitigung besorgniserregender Stoffe aus ihrem Haushalt, beginnend mit Kosmetik- und Reinigungsprodukten, dann fortfahrend mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln. „Ich ging von einem Leben des Mainstream-Konsums mit einer bewussten Entscheidung zu einem über, in dem Gesundheit an erster Stelle steht und erlaube mir, alle meine Entscheidungen danach auszurichten“, so erklärte es Marsh mir. „Ich habe gerade mein ganzes Leben und mein Haus komplett umgekrempelt.“

In ihren Buch-Clubs und unter ihren Nachbarn wurde Marsh ständig um die Beantwortung von Fragen ihrer mitstreitenden Mütter gebeten. Zuerst erschien die Idee, dass sie eine Expertin sein könnte, lächerlich. „Ich gebe zu, ich bin keine Wissenschaftlerin. Ich weiß nicht, wie ich das, was da draußen los ist, beantworten kann. „, sagt sie. Aber als sie Menschen fragte, die scheinbar über Fachwissen verfügen sollten – Wissenschaftler und Gesetzgeber sowie Menschen mit Elite-Abschluss – schienen diese auch nichts zu wissen. „Schlussendlich fühle ich, dass niemand die volle Antwort weiß“, sagt sie. „Was ich Frauen sagen kann, ist, dass es nicht ihre Schuld ist. Der springende Punkt ist, dass es eine riesige Unbekannte gibt, wir aber genug wissen, um etwas dagegen zu tun. Das bin nicht nur ich – die ganze Welt versucht, etwas heraus zu finden.“

Ein Großteil des Aktivismus gegen GVO ist durch Menschen wie Marsh entstanden: leidenschaftliche, nicht besonders politisch orientierte Bürgerinnen und Bürger, oft Frauen, die sich gegenseitig über das Internet finden. Die erfolgreiche Kampagne der in Connecticut gestarteten Gesetzesvorlage zur Kennzeichnungspflicht in diesem Jahr wurde von einer, wie sie sich selbst beschreibt, „Mutter auf einer Mission„, Tara Koch-Littman, geführt, die nun folgend einen Nutzen daraus ziehen möchte, indem sie für den Landtag als Demokratin kandidiert. Das Vorhaben der 37 Aktivistinnen wird von den Medien als eine „Armee der Mütter“ betitelt. Viele halten sich selbst für die Erben der Pure-Food-Bewegung aus den 1870er Jahren, die von Frauengruppen angeführt wurde und zu Amerikas ersten Verordnungen für Schlachthöfe führte.

„Der springende Punkt ist, dass das eine riesige Unbekannte ist, wir aber genug wissen, um etwas dagegen zu tun.“

Marsh hatte schon immer eine Leidenschaft für öffentliches Reden, und sie begann, Rhetorikkurse zu belegen und Gesprächsrunden über Alltagsgifte zu organisieren. Bald darauf zog sie große Menschenmassen an und kontaktierte wichtige Zielgruppen: die Krankenschwestern und Ärzte des renommierten Bostoner „Brigham and Womens“-Krankenhauses, eine Frauengruppe, die sich an der Purdue-Universität zum Mittag trifft, die lokalen Handelskammern, die 65 000 Teilnehmer der „Natural Products Expo“ in Anaheim, Kalifornien. Von ihrem selbst veröffentlichten Buch über ihre Reise, „Little Journeys“, wurden Tausende von Kopien in die ganze Welt verkauft, sagt sie.

Marsh und ich unterhalten uns in einem Café in der Innenstadt von D.C., wo sie für ein Treffen mit Senatoren hingekommen ist, um über die Reform der „Toxic Substances Control Act“ zu reden (Gesetz zur Kontrolle von giftigen Substanzen). Sie öffnet eine aktuelle Kopie des „The Atlantic“ und weist auf eine Anzeige für das jährliche Ideenfestival in Aspen hin, mitfinanziert von „The Atlantic“ und dem Aspen-Institut. Einer der Unterstützer ist Monsanto. Aus diesem Grund, sagt sie ernst, hatte sie Angst, sich mit mir zu treffen. (Sponsoren und Inserenten sind nicht an redaktionellen Entscheidungen des „The Atlantic“ beteiligt und ich war mir dieser Geschäftsbeziehung nicht bewusst, bis Marsh mich darauf aufmerksam gemacht hat.)

eat-66811_640Marsh bleibt unbeirrt trotz der Vorwürfe von Kritikern, dass sie und ihre Mitstreiterinnen keiner Wissenschaft folgen würden. „Das ist in Ordnung – das können sie denken“, sagt sie. „Was ich weiß, ist, dass Ernährung und Gesundheit meiner Meinung nach eins sind. Was in den letzten 20 Jahren passiert ist, ist einfach nur verrückt. Bei Personen, die meine Nahrung verschmutzen, ohne dass ich je ein Mitspracherecht in der Sache gehabt habe, bevor ich damit meine Kinder ernährt habe – da ist das Vertrauen genau dort dann weg.“

Marsh hat angerufen und sich mit ihren staatlichen und lokalen Gesetzgebern getroffen, getarnt als Arbeitsessen bei der FDA, und marschierte zum Abgeordnetenhaus in Boston. (Ein Gesetz zur Kennzeichnungspflicht – eines von fünf in dieser Legislaturperiode geplanten in Massachusetts in diesem Jahr – wurde vor kurzem dem Ausschuss vorgelegt.) Sie sei aber keine politische Person, sagt sie, und sie habe keine Zielsetzung bei dem, was sie gerne in Bezug auf GVO-Politik sehen wollen würde. „Was ich tue, ist, Frauen miteinander zu verbinden und diese wissen zu lassen, dass es in Ordnung ist, der Anwalt ihres eigenen Körpers zu sein“, erzählt sie mir. „Es existiert in ihnen. Ich wecke sie einfach nur auf,  diese kleine Stimme, die seit Jahrzehnten durch Marketing unterdrückt worden ist und die sagt, das ist es, was Du kaufen solltest, dies ist es, wie Du handeln solltest.“

Die Rückmeldung aus den Gemeinden im ganzen Land und von ihren treuen Online-Lesern ist zu einer sich ausbreitenden Stimmung geworden. „Wenn die Politiker gerade erst anfangen, etwas darüber zu hören, dann nicht, weil es gerade erst passiert“, sagt Marsh. „Es existiert. Es ist leidenschaftlich. Es ist mächtig. Die Menschen wollen verstehen, was sie auf ihren Tisch packen, und es ist nur die Frage, wie lange sie noch weiter gegen uns ankämpfen wollen.“

Die GVO-Debatte hat eine frustrierende Qualität: Auf der einen Seite prangert sie große Konzerne an, uns zu täuschen, und auf der anderen Seite zeigt sie mit dem Finger auf unwissenschaftliche Panikmacher. Beide Seiten können soweit richtig sein; was die Debatte kaputt macht, ist die Politik .

Obwohl die Gegner von GVO ihre Wurzeln in der liberalen Umweltbewegung haben, hat sich eine zunehmende Anzahl von Umwelt-Schriftstellern und -Denkern auf die Seite der Industrie geschlagen – auf einen überwältigenden wissenschaftlichen Konsens hinweisend – basierend auf Hunderten von unabhängigen und nicht von der Industrie finanzierten peer-reviewed Langzeitstudien – dass GVO sicher sei. Die gruseligste aktuelle Studie, die behauptet, GVO verursache Tumoren bei Ratten, sei das Werk eines betrügerischen Labors in Frankreich, dessen Ergebnisse weitgehend entlarvt wurden. [Siehe hierzu unsere Anmerkung am Ende des Artikels] Die National Academy of Sciences, die American Medical Association, die World Health Organization, die U.K.’s Royal Society, die European Commission, und das Center for Science in the Public Interest [Zentrum für Wissenschaft im öffentlichen Interesse] haben sich alle bemüht, die angeblichen Risiken von GVO abzuwägen und festgestellt, dass es keine Beweise gibt, dass sie gefährlich seien.

Und doch sind GVOs Gegenstand weit verbreiteter Angst und Feindschaft. Labore von Universitäten, denen (nicht immer zutreffend) vorgeworfen wurde, bezahlte GVO-Forschung für Monsanto durchzuführen, wurden in der Vergangenheit von Ökoterroristen niedergebrannt. Diese Art von Sabotage kam in den vergangenen zehn Jahren selten vor, aber es gab ein Comeback: Im vergangenen Jahr wurde ein Areal der GVO-Zuckerrüben in Oregon von Vandalen zerstört. Wissenschaftler und Journalisten, die Pro-GVO-Meinungen äußern, werden als Industrie-Lockvögel persönlich verunglimpft und erhalten sogar Morddrohungen. Schlagzeilen auf Lebensmittel-Blogs warnen vor „mutierten GVO-Lebensmitteln„. Im Kreis D. C. fuhr ein Auto mit einem riesigen halben Fisch und einer halben Tomate – der „fishy tomato“ – durch die Straßen; auf der Motorhaube konnte man lesen „Kennzeichnet GVO-Lebensmittel“. In der populären Phantasie sind GVO beängstigend.

Befürworter einer Kennzeichnung bestreiten den Gedanken, dass sie einen wissenschaftlichen Konsens mit einem Konsens über die globale Erwärmung oder die Sicherheit von Impfstoffen in Verbindung bringen. „Ich kenne Dutzende von Wissenschaftlern persönlich, aus allen Bereichen – von Neurobiologen über Systematikern, von Ökologen zu Entomologen – die ernste Fragen über die [GVO] Technologie haben“, sagte mir Doug Gurian-Sherman, leitender Wissenschaftler der Union of Concerned Scientists, vor kurzem. Gurian-Sherman räumte ein, seine Bedenken seien vor allem darüber, „wie die Technologie entwickelt und geregelt wird“ und sie drehen sich um die Sorgen um die Umwelt und die angeblichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Er und andere Umweltschützer lehnen hauptsächlich die langfristige fehlende Nachhaltigkeit des industriellen Nahrungsmittelsystems, von dem GVO lediglich ein Teil ist, ab.

Viele der heutigen aggressiven Befürworter der GVO-Wissenschaft waren gestern die Leugner der globalen Erwärmung.

Aber die Wirkung von GVO auf die Umwelt ist umstritten. GVO sind ein untrennbarer Bestandteil des landwirtschaftlichen Groß-Systems, beklagen Umweltschützer – das bedeutet aber nicht, dass GVO daran schuld sind. Nathanael Johnson, ein Reporter von Grist, untersuchte Umweltauswirkungen von GVO und stellte fest, dass sie die Verwendung von toxischen Insektiziden verringern und den Einsatz von Herbiziden erhöhen. Die häufigste genetisch veränderte Kultur in Amerika, Monsantos „Roundup Ready“-Mais, ist immun gegen das Herbizid Glyphosat. Wie Mark Bittman von der New York Times letzte Woche schrieb: „Wenn Anti-GVO-Aktivisten mit dem Verbot von GVO erfolgreich wären, hätten wir immer noch die industrielle Landwirtschaft, zusammen mit ihrem Massenabsatz, der Umweltzerstörung und Umweltverschmutzung, dem Missbrauch von Arbeitskräften und die Überproduktion von Inhaltsstoffen für die Junk-Food-Diät.“

Die Befürworter von GVO – die tendenziell pro-Industrie geneigten Konservativen – beklagen mangelnde Bereitschaft der Medien, die Biotechnologie-Debatte zu kontrollieren, ebenso wie Umweltschützer einmal für falsche Gleichwertigkeit in der Berichterstattung des Klimawandels protestierten. „Wir sollten nicht zulassen, dass Menschen herumgehen und Behauptungen anstellen und Medien über diese Forderungen berichten wie: ‚Nun, manche sagen ja und manche sagen, nein‘ – wenn die Behauptungen völlig falsch sind“, beklagt Pompeo, der republikanische Kongressabgeordnete. „Das ist keine Berichterstattung.“ Der Präsident des American Farm Bureau, Bob beunruhigte mich in einem Interview auf der Jahrestagung des Büros in diesem Jahr: „Leider ist unsere Gesellschaft wissenschaftlich nicht mehr so gebildet. Es ist eine traurige Tatsache: Sie glauben, was sie im Internet lesen.“

Aber wenn GVO-Befürworter ein Glaubwürdigkeitsproblem haben, ist es größtenteils selbstverschuldet. Viele der heutigen aggressiven Befürworter der GVO-Wissenschaft waren gestern Leugner der globalen Erwärmung. Stallmans Farm Bureau verbrachte Jahre damit, heftig die Klimaforschung anzufechten, einschließlich einer Grundsatz-Sitzung im Jahr 2010 mit dem Titel „Global Warming: A Red Hot Lie?“ Industrie-finanzierte Ideenschmieden wie das Heartland Institute und die Competitive Enterprise Institute, die beide seit langem für ihre Klima-Skepsis bekannt sind, haben beide vor kurzem GVOs beworben. (Pompeo für seinen Teil glaubt zwar, dass die Erwärmung stattfindet, aber dass diese nicht unbedingt von Menschen verursacht wird, so ein Sprecher). Dem Kennzeichnungs-Referendum von Kalifornien 2012 entgegengesetzte Briefwerbung und TV-Spots kennzeichnen einen Wissenschaftler, der dem konservativen Hoover Institut angegliedert ist, das kürzlich noch abgestritten hatte, dass es einen Zusammenhang zwischen Zigaretten und Krebs gibt.

Und so gibt es viel Heuchelei und Arglist, wenn es um Wissenschaft geht. „Die emotional aufgeladene, politisierte Debatte über GVO versinkt in der Art fiebrigem Sumpf, der die Klimawissenschaft bis zur Unkenntlichkeit besudelt hat“, schrieb Umwelt-Schriftsteller Keith Kloor in einem Artikel, der GVO-Gegner als „Klimaskeptiker von Links“ betitelt. Mark Lynas, ein ehemaliger Anti-GVO-Aktivist, der GVO-Ängste mittlerweile für eine „Verschwörungstheorie“ hält, stellt fest, dass GVO-Gegner die gleichen rhetorischen Taktiken nutzen, die auch bei Klima-Leugnern beliebt sind: selektive Beweise, das Hervorheben widersprüchlicher „Expertenmeinungen“ zum wissenschaftlichen Konsens und der Versuch, die öffentlich-politische Agenda zu erobern und zu kontrollieren, um lang gehegte Vorurteile zu bestärken.

hummelGVOUm dieser irreführenden Debatte zu entgehen, haben die Kennzeichnungsbefürworter behauptet, dass es ihnen nicht darum geht, was man im allgemeinen über GV-Food denkt. Stattdessen sagen sie, es gehe um Wahlfreiheit der Verbraucher und um das Recht der Öffentlichkeit auf Aufklärung. „Ich glaube fest daran, dass die Amerikaner das Recht haben zu wissen, was in ihrem Essen ist“, sagt Vermont Shumlin mir und fügte hinzu, dass er „nicht urteilt“.

Peter DeFazio, ein demokratischer Kongressabgeordneter aus Oregon, der eine bundesweite Kennzeichnungspflicht eingeführt hat, fügt hinzu: „Das Thema hat mehrere Seiten, aber der Punkt ist, dass die Verbraucher des Endprodukts vollständig aufgeklärt werden.“

„Die Leute verfangen sich in Argumenten über Wissenschaft, aber bei der Kennzeichnung geht es nicht um Nahrungswissenschaft“, sagt Bialic, eine Aktivistin aus Seattle. „Bei der Lebensmittelkennzeichnung in diesem Land ging es nie um Wissenschaft. Es geht um Dinge, die von wesentlichem Interesse für den Verbraucher sind.“ In den 1980er-Jahren, erzählt sie, ordnete das FDA die Kennzeichnung von bestrahlten Lebensmitteln an – nicht weil diese als unsicher angesehen wurden, sondern weil Tausende Verbraucher das forderten. Die Industrie kämpfte auf ähnliche Weise auch gegen Verfügungen für die Offenlegung von Zutaten und die Auszeichnung von natürlichen und künstlichen Farb- und Aromastoffen, aber deren Einführung scheint die Verbraucher nicht von verarbeiteten Lebensmitteln abgeschreckt zu haben. Das Auszeichnen von Fleisch nach seinem Herkunftsland hat den Verbraucherwunsch nach Aufklärung ebenfalls zufriedengestellt, obwohl er nicht durch Sicherheitsbedenken ausgelöst wurde. „Der Verbraucher möchte aufgeklärt sein.“ sagt Bialic. „All die Argumente über Wissenschaft sind beabsichtigte Irreführungen.“

Eine Umfrage der New York Times aus dem letzten Juli ergab, dass 93% aller Amerikaner eine Kennzeichnung von GMO wollen.

Vor allem Politiker fahren diese Linie gerne, weil sie sich so der Situation entziehen können, in der GVO-Debatte einen Standpunkt einnehmen zu müssen. Und es ist eine geschickte Doppelaussage: Verbraucher verdienen zu wissen, weil Verbraucher wissen wollen.

Aber die Ansichten zur Kennzeichnung sind nicht so ohne weiteres von der größeren GVO-Debatte zu trennen. Für die Befürworter ist die Kennzeichnung nur der erste Schritt dazu, die Verbreitung von GVO einzuschränken. Für Saatgutproduzenten und Hersteller von verarbeiteten Lebensmitteln ist es ein direkter Angriff auf ihr Geschäft. Wenn keine der beiden Seiten denken würde, dass eine Kennzeichnung Auswirkungen auf die Dynamiken des Lebensmittelsystems hätte, würden sie nicht so hart kämpfen.

Weil GVOs und deren Sicherheit wenig verstanden werden, haben die Gegner der Kennzeichnung Angst, dass Verbraucher grundlos von Biotech-Food abgeschreckt werden. Das Argument der Agrarindustrie ist: „Wir unterstützen aufrichtiges und wahrheitsgemäßes Labelling, das den Menschen Informationen gibt, die sie nutzen können,“ sagt Natalie Rosenbloom, Monsantos Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit. „Die Sache bei einer Pflichtkennzeichnung ist, dass diese nicht wirklich mit der Sicherheit der Lebensmittel zusammenhängt.“ Monsanto hält sich selbst für schulidg an einigen der Widersprüchen zu GVOs. Rosenbloom sagt, der Mangel an Engagement und Transparenz, den das Unternehmen in der Vergangenheit an den Tag gelegt habe, hätte zur Verbreitung von „Fehlinformationen“ geführt.

Im Jahr 2007 machte eine Kampagne des damaligen Senators Barack Obama das vage Versprechen, „die Leute zu informieren, ob ihre Lebensmittel gentechnisch verändert sind“. Aber die Einstellung der Obama-Administration zur Kennzeichnung lag eher auf der Linie der Lebensmittelindustrie (Wie Jason Zengerle kürzlich in The New Republic erwähnte, ist die Kennzeichnung eine von vielen Fronten, an denen sich die Lebensmittel-Aktivisten von der Regierung Obama im Stich gelassen fühlen)

Landwirtschaftsminister Tom Vilsack sagte mir kürzlich in einem Interview: „Wenn wir ein Etikett auf irgendwas benötigen, warnen wir entweder vor einem potentiellen Sicherheitsproblem oder wir geben Ernährungsinformationen. GVO–Kennzeichnung passt dazu nicht. Es geht nicht um Fragen der Sicherheit und es hat keinen Einfluss auf die Ernährung – es geht um den Herstellungsprozess eines Lebensmittels.“ Er sagt, die Forderung nach einer Kennzeichnung berge die Gefahr, die absichtliche oder unabsichtliche Nachricht zu übermitteln, dass es nicht sicher sei oder dass es irgendein Problem gebe.

straw-165106_1280Wenn Sie wirklich glauben, dass GVO harmlos sind, ist es schwer, eine Begründung von Ihnen zu verlangen, warum sie gekennzeichnet sein sollen. Aber unter den Dutzenden von Kennzeichnungs-Befürwortern, mit denen ich gesprochen habe, muss ich noch den einen finden, der nicht auf einer bestimmten Ebene Zweifel hat, dass GVO wirklich so sicher sind.

Die öffentliche Meinung ist mit überwältigender Mehrheit für eine Offenlegung. Eine Umfrage der New York Times im Juli letzten Jahres ergab, dass 93 Prozent der Amerikaner eine Kennzeichnung der GVO wollen. In Vermont fanden mehrere Umfragen zum Kennzeichnungs-Gesetzesentwurf die öffentliche Unterstützung von mehr als 70 Prozent. GVO-Befürworter glauben, dass die Öffentlichkeit einfach schlecht informiert ist und dass die Unterstützung halbherzig ist. In Kalifornien und Washington merken sie, dass die öffentliche Meinung sich ändert, wenn die Leute mehr Informationen ausgesetzt sind – in Form von Millionen von Dollar schweren erschreckenden und oft irreführenden Anzeigen-Kampagnen. Doch nach den Abstimmungen in diesen Staaten zeigten Ausgangs-Umfragen immer noch eine Mehrheit für die Kennzeichnung. Die gleiche Wählerschaft, die die Kennzeichnungs-Stimmzettel-Maßnahmen abgelehnt hat, unterstützt GVO-Kennzeichnung als Konzept.

Nach der Niederlage der Abstimmungs-Initiative im vergangenen November in Washington sah die Lebensmittelindustrie einen Anfang. Die Grocery Manufacturers Association kündigte in einer Pressemitteilung am nächsten Tag an, dass sie nach Bundesmaßnahmen suchen werde. Aber Pompeos Entwurf – die Aktion, die der Verein versprochen hatte – konnte weitere fünf Monate nicht eingeführt werden, weil die Industrielobbyisten hinter den Kulissen um Einzelheiten stritten.

„GMA wollte dies eingeführt haben, sobald die Abstimmungs-Initiative im vergangenen November in Washington State gescheitert ist, um von der Dynamik zu profitieren“, erzählte mir ein Top-Agrobusiness-Lobbyist anonym. „Aber es dauerte für alle Beteiligten viel länger als erwartet, sich auf Ausdruck und Strategie zu einigen.“ In den dazwischen liegenden Monaten verabschiedeten Connecticut und Maine ihre triggerabhängigen Kennzeichnungs-Gesetzesentwurfe und der Gesetzesentwurf in Vermont ging gerade durch. Einige Kennzeichnungsgegner sehen die Verzögerung des Pompeo Entwurfes als verpasste Chance, ein Signal an die Staaten zu senden, dass die Bundesregierung aktiv wird. Ihre Angst ist, dass sie ihre Chance verpasst haben, die gesetzgeberischen Bemühungen zu bekämpfen.

Beobachter betrachten die Aktion des Bundes als eher unwahrscheinlich in der nahen Zukunft, in beide Richtungen. Das Gesetz zur Kennzeichnungspflicht von DeFazio, das gemeinsam mit der Demokratin Barbara Boxer in den Senat von Kalifornien gebracht wurde, verschwand im Nirgendwo. Im Januar, kurz nachdem Cheerios angekündigt hatte, GVO-frei zu werden, trafen sich vier demokratische Gesetzgeber mit Grün-und Bio-Industrie-Gruppen zur Unterzeichnung eines Briefs an Präsident Obama mit der dringenden Bitte, die Kennzeichnung zu unterstützen. Aber die Regierung steckt in einer Haltung fest, die keiner Seite gefällt: gegen die Kennzeichnung, aber auch viel langsamer darin, neue Gentech-Pflanzen zu genehmigen, als dies die Agrarindustrie möchte.

„Ich spreche mit Leuten von der Tea Party, mit Leuten von Occupy, von Kirchen, mit jedem. Wo auch immer ich hinkomme, wollen die Menschen die Kennzeichnung.“

Auch Kennzeichnungsgegner erwarten keine Bundesaktion. Für Pompeos Gesetz wird eine Anhörung im Parlament für den nächsten Monat erwartet, aber er rüstet sich für einen langen Kampf. Neben der Vermeidung, dass die Staaten eine GVO-Kennzeichnung einfordern könnten, würde der Gesetzentwurf vorsehen, dass jede beabsichtigte Biotech-Nahrung durch die FDA überprüft werden müsste – eine Maßnahme, die er als Erhöhung der GVO-Regulierungsaufsicht bewertet und als eine, die, wie er sagt, GVO-Gegner zufrieden stellen sollte. Derzeit ist diese Befugnis zwischen der Umweltschutzbehörde und dem US-Landwirtschaftsministerium aufgeteilt. „Wir werden solange am Ball bleiben, bis wir da sind“, sagte Pompeo zu mir, und fügte hinzu, dass er Unterstützung für seine Gesetzesvorlage von beiden Seiten des Ganges erhalten würde.

Nachdem Shumlin in der vergangenen Woche die Vermonter Vorlage zur Kennzeichnungspflicht als Gesetz unterzeichnet hatte, kündigte die Lebensmittel-Hersteller-Vereinigung („Grocery Manufacturers Association“) an, dass sie plant, „einen Prozess gegen den Staat Vermont vor dem Bundesgericht anzustreben, um das Gesetz zu kippen.“ Die mögliche Klage wird voraussichtlich ihren Fokus auf die Ansprüche konzentrieren, dass die zustandsbasierte Pflichtkennzeichnung des Staates gegen die Grundsätze der Handelsfreiheit und dem zwischenstaatlichen Handel verstößt. Shumlin sagte mir, er erwarte, dass das Gesetz Bestand haben werde unter Hinweis darauf, dass im Vorfeld eines solchen gesetzgebenden Rechtsstreits $ 1 500 000 zur Finanzierung geflossen sind, um das Gesetz vor Gericht zu verteidigen. „Wir denken, wir haben ein wirklich solides Gesetz geschrieben, welches die bestmögliche Chance hat, vor Gericht zu bestehen“, sagte mir Shumlin. Wenn dies der Fall ist, so wird die Vermonter Kennzeichnungspflicht erstmals im Jahr 2016 wirksam werden.

Inzwischen sind mehr staatliche Gesetzgeber bereit, sich dieser Angelegenheit zu widmen, und in mehreren Staaten laufen derzeit Petitionen, um dieses Thema zur Abstimmung zu bringen. Es ist ein willkürliches Durcheinander von Aktionismus.

Die Befürworter der Kennzeichnungspflicht versuchen auf nationaler Ebene strategischer zu werden. „Wir versuchen, als Koordinierungsforum für Staaten zu handeln, um miteinander zu sprechen und Informationen auszutauschen“, vor allem darüber, wie man mit den Angriffen der Opposition umgehen sollte, sagt Gary Hirshberg, Mitbegründer der Bio-Joghurt-Hersteller „Stonyfield Farm“ und Vorsitzender von „Just-Label-It“. „Es ist eindeutig eine synergetische Beziehung zwischen Landes- und Bundes-Aktivisten.“ Während die auf staatlicher Ebene agierenden Aktivisten damit übereinstimmen, dass eine föderale Lösung ideal wäre, so zeigen andere Bewegungen, Hirshberg fügt hinzu – angefangen von Frauenrechtlern bis hin zu gleichgeschlechtlicher Ehe – dass „die Staaten häufig die Führung zu übernehmen haben, wenn die Bundesregierung nicht funktioniert.“

Die Oregon-Initiative, die eng das Vermonter Gesetz widerspiegelt, wurde vom Obersten Gerichtshof des Staates in der vergangenen Woche genehmigt. Die Organisatoren haben jetzt bis zum 3. Juli Zeit, 87 000 gültige Unterschriften zu sammeln. Paige Richardson, Leiterin der Kampagne „Oregon Right to Know GMO“, sagt, sie sei zuversichtlich, dass es qualifizierter und weit besser an der Urne zugehe als dies vor 12 Jahren der Fall gewesen war. Oregon-Aktivisten haben aus früheren Fehlern und durch Beobachtung der Taktik der Kennzeichnungsgegner gelernt, sagt sie. Zwar gebe es noch keinen Weg, wie die Aktivisten finanziell in der Lage sein sollten, mit den Ressourcen von Monsanto und der Lebensmittelindustrie konkurrieren zu können, doch hoffen sie, eine klügere und besser finanzierte Kampagne zum Laufen bringen zu können. „Dieses Problem hat jeden beim Start überrascht“, sagte mir Richardson. „Es trifft den Punkt jedoch genau.“

Copyright: Andrea Carls

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Aktivisten in anderen Staaten schimpfen, weil sie keine ähnlich starke nationale Unterstützung erhalten wie die Oregon-Kampagne. In Colorado ließ der Staatsgerichtshof eine Kennzeichnungsinitiative zu und die Unterschriften-Sammel-Aktion, die bis zum 4. August laufen wird, wird von Freiwilligen betrieben, die vor „Vitamin Cottage“ Häusern und Bauernmärkten stattfinden soll.

Rick Ridder, ein politischer Berater, der diese Bemühungen berät, sagt, es sei selten, dass Volksabstimmungen in Colorado ohne bezahlte Mitarbeiter abliefen – d. h. die Kennzeichnungspflicht wird tatsächlich eine Grassrootzunahme brauchen.

In Arizona werden Unterschriften von Jared Keen gesammelt, einem Anwalt, der durch eine auf Tucson basierende „pflanzliche Ernährung“ 120 Pfund verloren hatte, nachdem er seit 2011 verarbeitete Lebensmittel weggelassen hatte. Keen sagte mir, er appelliere an nationale Gruppen wie das Zentrum für Lebensmittelsicherheit für eine Unterstützung, aber sie weigerten sich, weil sie auf Oregon ausgerichtet sind. Doch Keen denkt, dass es in Arizona soweit sei. Es gibt fünf „GVO-frei“ Aktivisten-Gruppen überall im Staat, die dabei helfen, die notwendigen 173 000 Unterschriften zum 3. Juli zu sammeln.

„Wir haben kein Geld“, sagte mir Keen. „Das sind alles Freiwillige.“ Aber es gab eine breite Welle des Protests, wie er aus seinen Gesundheitsgesprächen im gesamten Staat mitbekommen hat. „Ich spreche mit Tea-Party-Leuten, mit Occupy-Menschen, mit Kirchen, mit allen,“ sagt er. „Überall, wo ich hinkomme, in allen Teilen des Staates, da wollen die Menschen die Kennzeichnungspflicht. Es gibt sehr wenige Menschen, die kein Mitspracherecht in dieser Frage haben wollen. Sobald wir die Unterschriften haben, weiß ich, ob es klappen wird.“

Trotz Keens Optimismus würde es nicht überraschen, wenn seine Leistung in der Realität – unterfinanziert und ohne nationale Unterstützung – kleiner ausfallen würde. Aber die größere Bewegung, von der er ein Teil zu sein scheint, gewinnt an Dynamik. Vorherige Verluste bestärken nur die Aktivisten, so wie die Niederlage der „Proposition 37“ in Kalifornien der Stammvater der heute Dutzenden von Kennzeichnungsinitiativen ist. Der Kampf um die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel hat nicht die Wissenschaft auf seiner Seite, aber innerhalb der politischen Arena wird er schnell an Boden gewinnen.

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Wie wir Netzfrauen zum Thema GVO/GMO stehen, haben wir bereits mehrfach deutlich gemacht. Wir haben Ihnen diesen Artikel übersetzt, weil er einen relativ neutralen Überblick über die Situation in den USA gibt.

Eines möchten wir allerdings noch anmerken: Mit der oben genannten Studie eines „Betrügerlabors“ in Frankreich ist vermutlich die Studie von Prof. Gilles Seralini gemeint, die in Fachkreisen als „methodisch unzureichend“ kritisiert wurde. Schade, dass hier nicht erwähnt wird, dass seine Studien mittlerweile von anderer Seite bestätigt wurden. Tatsächlich gibt es mittlerweile einige weitere Studien, die belegen, dass der Verzehr von GVO-haltigen Lebensmitteln gesundheitsschädlich ist. Eine Auswahl verlinken wir Ihnen unter diesem Artikel.

Wir hier in Deutschland verlassen uns nur zu gerne auf unsere Behörden. Wir denken, dass das, was auf unsere Teller kommt, tatsächlich kontrolliert und zugelassen ist. Was kaum jemand weiß: In den Europäischen Kontrollbehörden sitzen viele Menschen, die vor ihrer Arbeit für die Behörden, für Monsanto oder anderen GVO-Unternehmen gearbeitet haben.

Die Studien, die für die Zulassung herangezogen werden, wurden nicht etwa von unabhängigen Stellen in Auftrag gegeben. Unternehmen, die eine Zulassung beantragen, entscheiden selbst, welche Berichte sie einreichen. Vergleichende Studien seitens der Behörden werden nicht vorgenommen! Was meinen Sie? Denken Sie tatsächlich, jemand, der Milliarden mit genmanipulierten Saaten verdient, würde freiwillig eine Studie einreichen, die einer Zulassung entgegenspräche?

Wenn Sie das Thema interessiert, finden Sie einige sehr aufschlussreiche Informationen auch im Video „Monsanto mit Gift und Genen“, einer Dokumentation, die wir in unserem Artikel „Monsanto mit Gift und Genen – Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben“ zugänglich machen.

Was die Kennzeichnungspflicht betrifft, stehen wir selbstverständlich auf der Seite der amerikanischen Aktivisten. Denn ganz unabhängig davon, was man über GVO denken mag: Nur wer weiß, ob es in einem Produkt enthalten ist, kann sich bewusst entscheiden, es zu verzehren oder nicht.

Netzfrau Kerstin Hördemann
Netzfrau Andrea Carls
Netzfrau Andrea Wlazik

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