Können Sie sich vorstellen, dass die Fußbälle, die beim Mega-Event FIFA 2014 in Brasilien verwendet werden sollen, alle in Pakistan hergestellt werden?
Pakistan in Brasilien FIFA 2014? Undenkbar – verrückt. Aber Sie können sich beruhigen, denn wir reden ja nicht davon, dass Pakistan an der FIFA WM 2014 in Brasilien teilnimmt. Das Land selbst befindet sich in der FIFA-Rangliste nur auf dem niedrigen Platz 159. Aber es gibt einen anderen Grund, um diesem Land Beifall zu zollen. Können Sie sich vorstellen, dass die Fußbälle, die beim Mega-Event der FIFA 2014 in Brasilien verwendet werden sollen, alle in Pakistan hergestellt werden?
Auf diese stressfreie Art hat es Pakistan geschafft, bei der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft seine Spuren durch die Bereitstellung von lokal gefertigten, haltbaren Fußbällen zu hinterlassen, die während der Spiele genutzt werden sollen. Die Fußball-WM soll planmäßig in Brasilien (12. Juni – 13. Juli 2014) stattfinden. Rund 3000 Brazuca-Bälle werden erwartet, hergestellt und geliefert von Pakistan. (Original: Did you know football at FIFA 2014 Brazil are made in Pakistan)
Kinderarbeit in Pakistan
Fallbeispiel: Assan, 11 Jahre alt, wacht mit seinen Geschwistern und seinem Freund Sagir auf. Assan hat keinen Vater mehr. Nach dem Morgengebet gibt es ein Fladenbrot. Dann beginnt der Arbeitsalltag: Assan und Sagir nähen Fußbälle zusammen. Hier, im Nordosten Pakistans, werden mit 20 Millionen Bällen pro Jahr rund drei Viertel der Weltproduktion an Fußbällen hergestellt. Kinder, die wie Assan und Sagir an der Fußballproduktion beteiligt sind, sieht man nicht in Sabrana. Sie bleiben verborgen. Dafür sorgen die Herstellerfirmen. Darunter sind bekannte Namen wie adidas, Puma oder Nike zu finden. Sie sorgen sich um ihren guten Ruf, möchten nicht, dass ihr Name mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht wird. Dennoch nähen diese Knaben 4 Bälle pro Tag. Um alle 32 Lederteile zusammen zu nähen, brauchen sie 750 Nadelstiche. Pro Ball verdienen sie weniger als einen Franken. Häufig wird ihnen aber willkürlich etwas Geld abgezogen. Mafia-Steuer nennen dies die Jungen. Doch es gibt auch Hoffnung. Assan und Sagir können an einem Schulprogramm der Internationalen Arbeitsorganisation ILO teilnehmen, welche sich an Kinder richtet, die in der Fußballproduktion tätig sind. Quelle: aktiv-gegen-kinderarbeit.de
Adidas hatte im „Express Tribune“ bestätigt, dass ein produzierendes Unternehmen in Sialkot- Pakistan den Zuschlag für die Herstellung der Fußbälle für die WM in Brasilien bekam. Der Fabrikbesitzer Khwaja Akhtar, stellt die Bälle für die deutsche Bundesliga, Französische Liga und die Champions League her und steht vor der Herausforderung, ein Teil der Fußball-WM-Geschichte zu sein, so Khwaja Akhtar.
Es dauert in der Regel sechs Monate, um so eine Produktionsmenge herzustellen, aber die Fabrik hatte nur einen Monat, da adidas, der Deutsche Sportgeräte-Hersteller, in Eile war, so Khawaja.
Arbeiter, mit denen Reuters sprach, bestätigten, dass die Bedingungen dort gut waren – das Gehalt war meist ein Mindestlohn von rund 100 Dollar im Monat. Die soziale Sicherheit, Lebensversicherungen und Transporte waren zusätzliche Vorteile. Auf dem Gelände gab es ein kleines Regierungskrankenhaus. Der monatliche. Lohn von 100 Dollar ist weniger als der Preis eines Top-Line-Brazuca Ball in Großbritannien oder USA. Warum Pakistan und nicht China?
„Jetzt steigt Chinas Lebensstandard von Tag zu Tag und auch ihre Arbeitslöhne steigen von Tag zu Tag“, sagte Mohammad Younus Sony, Leiter der Pakistan Sportartikel Hersteller & Exporters Association, in einem Interview in Sialkot. „Wir haben eine Menge billige Arbeitskräfte und unsere Produkte sind preislich gut.“
Die Anstalt – 27. Mai 2014 [HD+]
► Themen: WM 2014, FIFA
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Bisher hat Pakistan auch noch nicht an einer FIFA Fußball-Weltmeisterschaft teilgenommen, da es entweder die Qualifikation nicht geschafft hatte oder kein FIFA-Mitglied war. Das Land trat international bereits 1950 in Erscheinung, fand jedoch erst 1989 und 1991 mehr Beachtung, als es erfolgreich die SAF Games abgeschlossen hatte (South Asian Games).
Worauf wollen wir denn nun hinaus? – Es ist wie immer das Geld!
Bereits 2002 sorgte Pakistan für den entsprechenden Ball zur damaligen Fußball-Weltmeisterschaft. – Doch der eigentliche Ursprung der Fußballherstellung ist in Pakistan sehr viel älter. In Sialkot, einer Industriestadt im Nordosten Pakistans, wurden seit 1860 Sportartikel hergestellt, wie Cricket-, Polo- und Tennisschläger. Vor 1900 entstanden in dieser Stadt und um diese herum schon manufakturähnliche Großunternehmen, denn die erfahrenen Handwerker fanden dort in den Händlern und Vertretern der ehemaligen Kolonialverwaltung (Großbritannien) fleißige Abnehmer. Das britische Bodenrecht führte jedoch damals bereits zu einer hohen Verschuldung der Bauern.
In den 1970er-Jahren veränderte sich dann die Nachfrage auf dem Weltmarkt und auf Währungsschwankungen folgten Produktionseinbrüche. Trotzdem hielt die pakistanische Regierung damals daran fest, den Arbeitern und Angestellten eine verbesserte soziale Absicherung im Alter ermöglichen zu wollen sowie die Anzahl der Analphabeten zu reduzieren.
In den 1980er-Jahren veränderten sich nicht nur die technologischen Herausforderungen für Pakistan, sondern es setzte sich auch die erste Globalisierungswelle voll durch. Die Umstellung von Leder- auf Kunstlederbälle sorgte zudem dafür, dass hochwertige PU-Qualitäten [Polyurethan] nun auch noch importiert werden mussten (z. B. aus Japan, Tschechien und Großbritannien). Das Land sorgte zwar für eine umfassende Umstrukturierung aller Arbeiten, aber der wirkende Rationalisierungsdruck auf Grund der speziellen Beschaffungsstrategien der Sportartikelhersteller lassen die Menschen vor Ort bis heute nicht aus der Armut herauskommen. Es handelt sich dabei nicht nur um die bekannten großen Namen von Sportartikelherstellern.
Trotz Auslagerungen und Anwachsen von vielen kleinen Betrieben, welche die Lohnkosten (leider) gering halten, bleibt die große Abhängigkeit vom Export bestehen und der Binnenmarkt Pakistans kann einfach nicht in Schwung kommen. Alles in Allem bleibt Pakistan damit in einer sehr schwachen Position, um sich bei Verhandlungen gegenüber Großkonzernen durchsetzen zu können. Auch, weil seit den 1990er Jahren nur noch etwa 1% der lokalen Sportartikelbetriebe fast die Hälfte des Gesamtexports von Sialkot auf sich vereint.
Die Kluft wächst stetig weiter, selbst wenn Pakistans Sportbranche ihre Exporte wieder einmal verdoppelt, so werden sich die Umsätze der weltweit agierenden Konzerne garantiert wieder ver-x-fachen.
Die FIFA als Helfer
Auf den offiziellen Internet-Seiten der FIFA wird eine finanzielle Unterstützung von Pakistan erst in den Jahren ab 2002 erwähnt: im Rahmen des sogenannten „Goal Project“, welches dem Land helfen soll, eine vernünftige Infrastruktur aufbauen zu können. Die Gesamtsumme der damaligen ersten Förderung beliefen sich auf über 500 000 US$, die allerdings eine Gemeinschaftsfinanzierung war: aus zwei Fonds (Goal und FIFA-FAP) sowie Spendengeldern und „individuellen Sponsoren“. Das zweite „Goal-Projekt“ erfolgte für Pakistan im Jahr 2006 und umfasste 400 000 US$. Ob es dort nun überall mit rechten Dingen zuging, können wir von hier aus leider nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass es bereits beim 2.Goal-Projekt mächtigen Ärger gab (Nasir protests over PFF`s explanation demand: FIFA Goal Project II)
Insgesamt werden es fünf dieser Projekte werden, wie aus einem Artikel aus dem Jahr 2012 hervorgeht. Darauf hatten sich damals der FIFA-Präsident Blatter und Makhdoom Syed Faisal Saleh Hayat, seines Zeichens Präsident des PFF (Pakistanischer Fußballverband) während eines Treffens geeinigt. Hintergrund war damals der Wunsch von Hayat, dem pakistanischen Volk nach einer verheerenden Flutkatastrophe wieder auf die Beine helfen zu wollen.
Zuletzt sei noch ein guter Gönner genannt: im August 2013 schenkte Bahrain Pakistan einen neuen Nationaltrainer.
Wer weiß, wohin die Gelder der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft wieder fließen werden – eines ist so gut wie sicher: Sie kommen garantiert nur zu einem minimalen Bruchteil bei den Beschäftigten in Pakistan an.
… Aber lassen Sie sich nicht von uns beirren, denn solange das Volk mit Fußball beschäftigt ist, kann es sich wenigstens nicht über die Machenschaften zum TTIP oder mit anderen einschneidenden Veränderungen oder Gesetzen aus Brüssel beschäftigen, geschweige denn aufregen.
Es gilt wie immer: Das Runde muss ins Eckige – na dann: Prost.
Netzfrau Andrea Carls
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