Kuhmilch-Protein-Allergie – Und was nun?

KMPA

„Das Land, wo Milch und Honig fließen“, so wurde der Garten Eden beschrieben.

Milch besteht zu knapp 90% aus Wasser mit einem variierenden Fettgehalt zwischen 1,5% und 3.8% und liefert viele Vitamine, Eiweiß und Calcium.

Kuhmilch-Protein-Allergie ist keine Laktose-Intoleranz

Heute wird eine steigende Anzahl Menschen von einer Kuhmilchallergie (KMPA) geplagt. Diese ist grundsätzlich von einer Laktoseintoleranz (Milchzucker-Unverträglichkeit) zu unterscheiden. Es handelt sich hierbei um eine echte Allergie gegen verschiedene Eiweiße der Kuhmilch.

Symptome und Diagnose

Die Symptome sind vielfältig und können sowohl den Verdauungstrakt als auch die Haut oder die Atmung betreffen. Ebenso kann es zeitverzögert zu psychischen Reaktionen wie Unruhe oder Schlafstörungen kommen. Im Erwachsenenalter tritt diese Allergie relativ selten auf, nur etwa drei Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Man geht jedoch davon aus, dass 2 von 100 Kindern unter einem Jahr diese Allergie entwickeln. Eine Heilung von Lebensmittelallergien bzw. -unverträglichkeiten ist zur Zeit nicht möglich, die »Therapie« heißt Vermeidung.

Kuhmilch enthält über 50 potentiell allergene Eiweiße. Als häufigste Auslöser einer Allergie gelten das Protein Casein sowie die beiden Molkeneiweiße α-Laktalbumin und β-Laktoglobulin. Casein ist hitzestabil und nicht artspezifisch, sodass bei einer nachgewiesenen Allergie gegen Casein auch die Milch anderer Tiere nicht vertragen wird. Die beiden Molkenproteine sind streng kuhmilchspezifisch und unterschiedlich hitzelabil, sodass erhitzte Milch möglicherweise vertragen werden kann. Das β-Laktoglobulin kommt auch im Muskel vor, weswegen sich bei einer Allergie gegen dieses Protein auch eine Unverträglichkeit gegenüber Rindfleisch ergeben kann.

Da die Symptome der KMPA vielfältig sein können, ist die korrekte Diagnose nicht ganz einfach und gerade bei Säuglingen und Kleinkindern wird nur bei ca. zehn Prozent der Kinder auf Anhieb die richtige Diagnose gestellt. Bei Bauchkoliken, Durchfällen, Hautausschlägen, Neurodermitis, allergischem Schnupfen oder Asthmaanfällen kann die Ursache möglicherweise eine Allergie gegen die Proteine der Kuhmilch sein.

Diagnose und Behandlung

Bereits im Jahr 2009 wurde ein Positionspapier veröffentlicht, das den Kinderärzten die einheitliche Diagnostik und Therapie der KMPA ermöglichen und somit den betroffenen Kindern und ihren Eltern das Leben erleichtern soll (Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie – Monatsschrift Kinderheilkunde 2009 – 157; 687-691). Auf Nachfrage bei der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. wurde uns bestätigt, dass die erwähnte Empfehlung zum Vorgehen bei Verdacht auf Kuhmilch-Protein-Allergie weiterhin aktuell ist.

Nicht auf eigene Faust (be)handeln

Bei Verdacht auf KMPA gehört das Kind in die Hände eines allergologisch spezialisierten Kinderarztes. Dieser erstellt die Anamnese und führt gegebenenfalls die entsprechenden Haut- bzw. Bluttests durch. Gleichzeitig wird die Kuhmilch für eine gewisse Zeit komplett aus der Ernährung des Säuglings gestrichen (diagnostische Eliminationsdiät). Wenn die Mutter voll stillt, sollte sie in dieser Zeit auf Kuhmilchprodukte und eventuell auch auf Rindfleisch verzichten.

Wird das Kind mit Flaschennahrung gefüttert, muss auf eine hypoallergene Säuglingsnahrung umgestellt werden. Beides wird der Kinderarzt anordnen, der auch die Therapie begleiten muss. Nur bei einer eindeutigen Diagnose sollte die Ernährung langfristig umgestellt und zusätzlich von einer speziell geschulten Ernährungsberatung begleitet werden. Diese Diät sollte zunächst für ein bis zwei Jahre eingehalten werden. Danach muss die KMPA erneut überprüft werden, denn, wie Untersuchungen gezeigt haben, wird ein Großteil der Kinder im Laufe der Zeit tolerant gegenüber Milch und kann sich dann weitgehend normal ernähren.

Ab dem 7. Lebensmonat kann mit der schrittweisen Einführung der Beikost begonnen werden, ab dem ersten Lebensjahr kann das Kind dann immer mehr von der „milchfreien Familienkost“ mitessen. Aber auch hier muss man sich immer wieder von dem Kinderarzt und Ernährungsexperten beraten lassen, damit das Kind ausreichend mit den verschiedenen Nährstoffen versorgt wird.

Alternativen zur Kuhmilch

Ziegen- und Schafsmilch, Sojamilch, Getreidemilch, jeweils mit und ohne Calcium zu haben. Für Eltern betroffener Kinder ist es nicht leicht, sich zurechtzufinden. Experten gibt es viele und Expertenmeinungen noch viel mehr. Wem soll man da glauben?

Ziegen-, Schafs- und Sojamilch

Bei Ziegen- und Schafsmilch ist es relativ einfach. Liegt eine Allergie gegen Casein vor, sind sie sowieso tabu, da dieses Protein in allen tierischen Milchsorten gleich ist. Generell stellen bei KMPA andere Säugetiermilcharten ein relativ großes Risiko für eine Kreuzallergie dar und sollten Kindern unter einem Jahr nicht angeboten werden. 

Ähnliches gilt für Sojamilch, deren Verwendung für Kinder unter sechs Monaten umstritten ist. Mineralstoffe und Spurenelemente werden wegen des hohen Phytatgehaltes von Sojamilch aus der Nahrung schlecht aufgenommen. Gegen Ende des ersten Lebensjahres kann eine Gabe von Sojamilch zusätzlich zur Beikost in Erwägung gezogen werden.

Getreide- und Kokosmilch

Die verschiedenen Getreidemilchprodukte wie Hafermilch, Reismilch, Mandelmilch oder Kokosmilch entsprechen in ihrer Nährstoffzusammensetzung nicht den Bedürfnissen von Säuglingen und sollten aus dem Grund erst ab einem Jahr angeboten werden, dann bevorzugt mit zugesetztem Calcium. Sie können wie Kuhmilch zum Kochen und Backen verwendet werden, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass sie, anders als Kuhmilch, nicht den Nährstoffbedarf des Kindes decken.

Bereits 1939 schrieb Eduard Glanzmann in dem Buch „Einführung in die Kinderheilkunde“:

„Wegen des Mangels an unentbehrlichen Aminosäuren sehen wir in der Regel bei diesen Pflanzenmilchen, dass die Säuglinge früher oder später trotz hinreichender Kalorienzufuhr ihr Wachstum einstellen.“

Vegane Ernährung als Alternative?

Eine vegane Ernährung von Säuglingen ohne spezielle Nährstoffsupplementierung sieht die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) mit hohen Risiken für Nährstoffdefizite verbunden, insbesondere dem Risiko eines Vitamin B12 Mangels mit schwerer irreversibler neurologischer Schädigung. Eine lakto-vegetarische Ernährung von Säuglingen wird zwar als möglich angesehen, erfordert aber wegen des Risikos einer marginalen Eisenversorgung eine sehr sorgfältige Lebensmittelauswahl.

Wie bei vielen Sachen üblich gibt es hierzu kontroverse Standpunkte und es bleibt – ebenfalls wie üblich – jedem selbst überlassen, die verschiedenen Informationen und Studien zu gewichten und eine Entscheidung zu treffen. Eine Masterarbeit (2013) an der Technischen Universität Dortmund beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Thema der veganen Ernährung bei Säuglingen und Kindern. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle aber, dass die offizielle Empfehlung der DGKJ sich gegen eine vegane Ernährung von Säuglingen ausspricht.

Genuss trotz KMPA

Wenn eine KMPA diagnostiziert worden ist, hat man das Schlimmste schon hinter sich. Endlich gibt es eine Ursache für die verschiedenen Beschwerden und man kann, unterstützt vom Kinderarzt und einer Ernährungsberatung, einen Weg finden, damit umzugehen und außerdem eine Mangelernährung seines Kindes zu verhindern. Klärungsbedarf besteht allerdings immer – im täglichen Leben, in Kitas, in der Schule, bei Freunden oder auch im Ferienlager.

Je älter das Kind wird, desto einfacher wird es auch. Dann ist es ähnlich wie bei Erwachsenen, die diese Allergie haben. So kann man in ganz vielen Rezepten die Kuhmilch ganz einfach durch Soja- oder Hafermilch ersetzen. Pfannkuchen mit Sojamilch zum Beispiel, oder Lasagne mit Sojamilch in der Béchamelsauce, oder Quiche Lorraine mit Sojasahne. Das schmeckt wunderbar, man muss es nur ausprobieren.

Meine eigenen Erfahrungen…

»Kochen ist eine Sache der Ernährungswissenschaft, aber auch Abenteuer, Kunst und

Vergnügen.« (Sydney Gordon)

»Sie sehen, es ist alles keine Hexerei!« Die Ernährungsberaterin lächelte mich freundlich an und entließ mich mit einem Stapel Kochrezepte. Leicht benommen las ich mir die ersten durch. Was um Himmels willen war Hafersahne und wo gab es so etwas?

Die Theorie stand zunächst bestimmt im Vordergrund, ich hatte liebgewonnene Familienrezepte eingetauscht gegen eine ewig lange Liste von Sachen, die ich nicht mehr essen durfte, ergänzt durch Gerichte, deren Zutaten mir größtenteils unbekannt waren! Und ich hatte eine Familie, die der notwendigen Essensumstellung bestenfalls skeptisch, wahrscheinlich aber eher ablehnend gegenüberstehen würde, das wusste ich genau!

Ich las alles über Milcheiweiß-Allergie und Laktose-Intoleranz, kochte neue Gerichte und behielt die Sehnsucht nach dem, was ich früher so gerne gegessen hatte. Na ja, und dann kam das Abenteuer ins Spiel … Es war im Grunde genommen wie im Labor. Ich probierte Rezepte aus, schüttete Sachen zusammen, rührte sie durch und hoffte, dass das Ergebnis reproduzierbar war – nur dass man mit den Ergebnissen der Laborküche die Leute gelegentlich vergiftete, was in der »Koch-Küche« weniger erwünscht ist! Obwohl – wenn ich mich an das entgeisterte Gesicht meines Sohnes erinnere, als er Waffeln mit Sojamilch statt mit Kuhmilch serviert bekam, bin ich mir diesbezüglich nicht mehr so sicher!

Wie auch immer, wir mussten uns umstellen, die unbequemen Änderungen waren auf der einen Seite der Waagschale, und auf der anderen Seite war die vage Aussicht auf den Gewinn von Lebensqualität.

Langsam und endlich kam die Lust am Kochen schließlich wieder zurück. Wir hatten nicht umsonst fünf Jahre in Frankreich gelebt! Für uns war Essen Genuss, etwas, das Spaß machen sollte und nicht nur der Nahrungsaufnahme dient. Die Kunst und das Vergnügen hielten wieder Einzug in meine Küche, bereichert durch viele neue Geschmackserlebnisse, die meistens sogar »normalen« Leuten gefallen.

Ich bin davon überzeugt, dass Einschränkungen, die mit dieser Diagnose auf der einen Seite nun mal akzeptiert werden müssen, auf der anderen Seite ganz sicher durch den Genuss wieder ausgeglichen werden können und auch sollen. Und manchmal erlebe ich auch das pure »Lustgefühl«, wenn ein vermeintlich spaßfreier, vegetarischer Meerrettich-Brotaufstrich überraschend genauso schmeckt wie der Meerrettich-Frischkäse, der nicht mehr erlaubt ist.

Und somit ist Kochen nun wieder nicht nur Ernährungswissenschaft, Kunst, Vergnügen und Abenteuer, sondern auch – in Anlehnung an Auguste Escoffier – »das Fundament allen Glücks«.

Netzfrau Jutta P. Klatt

Links:

  • Vegane Ernährung: Nährstoffversorgung und Gesundheitsrisiken im Säuglings- und Kindesalter:

http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=print&sid=1130

Weitere Beiträge der Netzfrauen

Rohmilch – gefährlich oder nicht?

Chinas Durst auf Milch – Nestlé ist weltgrößtes Milchunternehmen

6 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.