Um der Öffentlichkeit das Thema Wildbienen nahe zu bringen, wird seit 2013 die „Wildbiene“ des Jahres gewählt – eine Wildbienenart, deren Lebensweise besonders spannend und die für Laien gut erkennbar ist.
Versuche zeigen, was Wildbienen zu leisten im Stande sind.
Wildbienen sind einer breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Seit 2013 haben der Arbeitskreis Wildbienen-Kataster am Stuttgarter Naturkundemuseum, die Landesanstalt für Bienenkunde sowie die Imkerverbände Badens und Württembergs mit der Wahl der „Wildbiene des Jahres“ stellvertretend eine Wildbiene vorgestellt, deren Lebensweise besonders spannend und die auch für Laien gut zu erkennen ist. Im vergangenen Jahr war das die Zweifarbige Schneckenhausbiene (Osmia bicolor), in diesem Jahr wurde die Gartenwollbiene (Anthidium manicatum) zur Wildbiene des Jahres gewählt.
Von den weltweit rund 25 000 Bienenarten zählen nur neun zu den Honigbienen, davon stammen acht aus Asien und eine aus Afrika. Wildbienen leben in der Regel nicht als Volk zusammen, sondern sie sind Einzelgänger (Solitärbienen). Eine Ausnahme sind die Hummeln, die kleine, einjährige Völker bilden. Wildbienen bauen keine Waben und produzieren keinen Honig, trotzdem sind sie für uns von unschätzbarem Wert. Tomaten, Äpfel, Zwetschgen, Mandeln – weltweit müssen viele Kulturpflanzen auch von wildlebenden Insekten bestäubt werden.
Eine internationale Studie unter Federführung der Leuphana Universität Lüneburg, der Universität Würzburg und der Universität Rio Negro in Argentinien untersuchte die Rolle der Honig- und Wildbienen bei der Bestäubung. Auf über 600 Anbauflächen in 19 Ländern verschiedener Kontinente wurden von den Forschern Häufigkeit und Artenvielfalt der blütenbesuchenden Insekten und der Fruchtansatz zur Ernte protokolliert.
Das Ergebnis der Studie war erstaunlich, denn die wildlebenden Insekten hatten in allen Untersuchungsflächen einen positiven Effekt auf den Fruchtansatz, wesentlich mehr Blüten wurden zu Früchten, die teilweise auch deutlich größer waren als bei alleiniger Bestäubung durch Honigbienen.
Wildbienen scheinen effizienter zu „arbeiten“. Sie sind oft kleiner – manche Arten sind nur wenige Millimeter groß – und kommen besser in die Blüten hinein, der gesammelte Pollen wird von ihnen nicht verklebt und kann deswegen leichter auf der Blütennarbe verteilt werden. Sie besuchen auch Schattenblüten, während die Honigbiene Sonnenblüten bevorzugt, sie bestäuben auch bei schlechtem Wetter oder zu anderen Tageszeiten.
Die Honigbiene scheint die Bestäubung der wildlebenden Insekten zu ergänzen. Für einen optimalen Ertrag sollte man also auf beide setzten, denn die gängige Praxis, Honigbienen gezielt in Kulturen wie Raps, Sonnenblumen, Obstplantagen oder anderen einzusetzen, sichert nach den aktuellen Ergebnissen nur einen Grundertrag. Honigbienen bestäuben auch diese Monokulturen, die für viele Wildbienen als Lebensgrundlage aber nicht ausreichen. Sie sind auf Artenvielfalt für ihre Nahrung und Nistplätze angewiesen, und beides darf auch nicht zu weit voneinander entfernt sein, denn Wildbienen bauen die Nistplätze oft in einer Entfernung von nur einigen hundert Metern von den Blütenpflanzen. Das können die heutigen Agrarlandschaften in der industriellen Landwirtschaft oftmals nicht leisten. Es ist wenig Platz für Blütenpflanzen am Rande oder im Feld, wenn jeder Zentimeter gewinnbringend genutzt werden muss. Wir brauchen den Schutz und die Schaffung naturnaher Lebensräume, blütenreicher Landschaften, Blühstreifen und Hecken und vielfältige Fruchtfolgen, um wildlebende Bestäuber zu erhalten.
Die Landwirtschaft könnte höhere und stabilere Erträge erzielen, wenn sie die Bestäubungsleistung von wildlebenden Insekten optimal nutzen würde. Ökonomen und Ökologen haben ausgerechnet, dass 2009 der globale Wert der Bestäubung durch Insekten 153 Milliarden Euro betrug. Anreiz genug, die Bedürfnisse von Wildbienen viel stärker zu fördern als bisher.
Das geschieht bereits in kleinen Feldversuchen, zum Beispiel in der Oberrheinebene in Baden-Württemberg. Wer die Oberrheinebene kennt, der weiss, dass dort Jahr für Jahr große Flächen Maismonokultur angepflanzt werden, was sich erst in den letzten Jahren änderte, da der Mais vom Maiswurzelbohrer befallen wurde. Daraufhin ordnete das Ministerium die Fruchtfolge an, d. h. Mais durfte nur noch höchstens zwei Jahre in Folge gesät werden, danach war eine andere Feldfrucht vorgeschrieben. In besagtem Projekt erklärten sich zwei Landwirte dazu bereit, auf mehreren Versuchsflächen verschiedene Blühmischungen auszusäen. Biologen untersuchten die Attraktivität dieser Flächen für Wildbienen (Hummeln und Solitärbienen). Natürlich profitiert auch die Honigbiene von diesem neuen Blütenangebot. Die Biologen konnten eine signifikante Steigerung bei den Wildbienenarten nachweisen, darunter auch Arten, die besondere Ansprüche an das Blütenangebot stellen und solche, die in ihrem Bestand gefährdet sind (Rote Liste Arten).
Der Versuch wird 2015 fortgesetzt und zeigt, dass man die Wildbienen tatsächlich gezielt fördern kann und das auch tun sollte, um eine stabile Gemeinschaft von blütenbesuchenden Insekten zu fördern.
Weiterführende Informationen: http://www.wildbienen-kataster.de/login/downloads/wb2013.pdf und http://www.wildbienen-kataster.de/login/downloads/wb2014.pdf
Netzfrau Jutta P. Klatt
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