Bei Aldi, Lidl & Co. kann man inzwischen „frisch gebackenes“ Brot aus dem Automaten holen. Kaum jemand wird sich der Illusion hingeben, dass hinter dem Automaten Menschen den Teig gerade frisch kneten, und jeden Tag schließt in Deutschland eine Bäckerei.
Abgepacktes Brot, das bis zu acht Wochen lang frisch bleibt: Besondere Enzyme können das Altern des Brots verhindern. Die Konsumenten erschaudern, die Industrie frohlockt. Doch acht Wochen haltbares Brot ist nur ein Extrem einer Branche, die sich in den letzten Jahren radikal verändert hat.
Aber auch Back-Shops und Bäckerei-Ketten haben ihre Backstube längst für eine Tiefkühltruhe eingetauscht. Meist halb gebacken und tiefgefroren werden die so-genannten Teiglinge per LKW geliefert. Produziert werden sie in riesigen Fabriken in ganz Europa, oft in Niedriglohn-Ländern wie Polen. Knusprig und frisch duftend liegen Brezel und Brötchen in der Auslage nur dank spezialisierter Aufback-Öfen.
Unser täglich Brot gib uns heute
Seit vielen tausend Jahren ist Brot eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Menschen. In Österreich gibt es ca. 150 Brot- und Gebäcksorten in Deutschland angeblich 643, weltweit: nicht eruierbar! Unsere wichtigsten Brotgetreide sind Weizen und Roggen. In Afrika wird viel Brot mit Hirse gebacken, in Mexiko mit Mais.
Vor vielen tausend Jahren wurde das erste Brot noch aus zwischen flachen Steinen zerriebenen Getreide gebacken. Das dünne Fladenbrot war zäh und hart. Die Ägypter entdeckten durch Zufall den Sauerteig, der das Brot luftig und locker machte. Die Römer schließlich perfektionierten die Brotherstellung.
Durch rasch ansteigende Bevölkerungszahlen wurde das Brot bald gewerblich hergestellt.
Der Stoff, aus dem unser Brot ist
Der wichtigste Stoff fürs Brot ist und bleibt: hochwertiges Mehl, am besten Bio direkt von der Mühle (was zugegebenermaßen immer schwieriger wird, weil die meisten Mühlen in den letzten Jahren geschlossen wurden). Die verschiedenen Getreidearten, die als Mehl weiterverarbeitet werden sind Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Mais und Reis. Dazu gibt es noch die alte Kulturpflanze Amaranth (auch bekannt als Korn der Inka), die jedoch kein Getreide ist, sondern eine getreideähnliche Pflanze, die ebenso zu den Fuchsschwanzgewächsen (Amaranthaceae) gehört wie Quinoa.
Die senfkorngroßen Samen haben eine getreideähnliche Zusammensetzung. Trotzdem wird Quinoa ebenso wie Amarantt als glutenfreies “Pseudogetreide” bezeichnet. Der Gehalt an Eiweiß und einiger Mineralien (besonders Magnesium und Eisen) übertrifft sogar den gängiger Getreidearten. Es enthält sehr wenig Fett und über 50% ungesättigte Fettsäuren.
Im Vergleich zu einheimischen Getreidearten wie zum Beispiel Weizen oder Hafer enthält die Körnerfrucht der Amaranth-Pflanze einen höheren Proteinanteil mit besserer Proteinqualität und der Anteil an essentiellen Aminosäuren macht Amaranth zum wichtigen Eiweißlieferanten. Ebenso weist der Fettanteil eine hochwertige Zusammensetzung auf. Das in den Samen enthaltene Öl besteht zu 70 Prozent aus ungesättigten Fettsäuren. Darüber hinaus besitzt Amaranth einen hohen Mineralstoffgehalt (vor allem Kalzium, Magnesium, Eisen und Zink) und ist bestens für Menschen geeignet, die unter Getreideunverträglichkeit (Zöliakie) leiden, da die Samenkörner glutenfrei sind. (Gluten sind bestimmte Eiweißstoffe, die in den meisten Getreidearten vorkommen und auf die Menschen mit Glutenunverträglichkeit allergisch reagieren).
Ein Mehl namens Typ 405
Eines ist allen genannten Pflanzenarten gemein: Sie liefern lebenswichtige Nähr- und Wirkstoffe, vor allem die Vitamine der B-Gruppe. Zudem stecken Mineralstoffe und Ballaststoffe in Hülle und Fülle im ganzen Getreidekorn. Produkte aus dem vollen Korn sind für die Ernährung wertvoll, weniger aber Auszugsmehle wie Weizenmehl Type 405, bei dem Randschichten und Keimling entfernt sind. Der größte Teil des Getreides wird bei uns allerdings in Form von weißen Auszugsmehlen verzehrt.
Die Mehltypen geben den mittleren Mineralstoffgehalt in Milligramm pro 100 Gramm Mehl als Trockenmasse an. Die Mehltype 405 hat also einen mittleren Mineralstoffgehalt von 405 Milligramm pro 100 Gramm Mehl. Die Mehltypenbezeichnung ist gesetzlich vorgeschrieben. Je höher die Typenzahl beim Mehl, desto mehr vom ganzen Korn steckt in ihm. Vollkornmehle bestehen immer aus allen Bestandteilen des Korns und haben keine Typennummer.
Billig-Brote fressen Bäcker auf
Jeden Tag schließt in Deutschland eine Bäckerei. Man kann das als Tragödie sehen oder als ein Symptom einer Branche im Wandel der Zeiten. Tatsache ist jedoch, dass mit den Bäckereien eine Handwerkstradition ausstirbt, die beinahe so alt ist wie die menschliche Zivilisation. Brot gilt als eine der großen Errungenschaften auf dem Weg zur modernen Gesellschaft. Haltbar, nahrhaft und vielseitig kombinierbar – diese Eigenschaften vereint kaum ein anderes Grundnahrungsmittel. Die Zeiten, in denen gelernte Meister der Backkunst unser Brot in Handarbeit herstellten, scheinen jedoch gezählt. Längst regieren Industriekonzerne die Branche. Ihr großer Vorteil: das Tiefkühlfach.
Der Kunde merkt von all dem relativ wenig. Enzyme, Tiefkühlreisen quer durch Europa und das aussterbende Handwerk bleiben an der Theke eines Backshops unsichtbar. Wer dem Ende einer Jahrhunderte alten Tradition entgegenwirken und frisch zubereitetes Backwerk will, muss Filialen meiden, etwas tiefer in die Tasche greifen und bisweilen geduldig suchen. Echte Bäcker muss man heute erst einmal finden, zu viele von ihnen haben vor dem Preiskampf kapituliert und bereits die Pforten geschlossen.
Wenn Sie das Glück haben, noch einen Bäcker der alten Schule in Ihrer Nähe zu finden, dann sollten Sie diesen mit Ihrem Einkauf unterstützen. Fragen Sie ruhig einmal nach, wie er seine Waren herstellt, er wird sich über das Interesse freuen.
Quantität vor Qualität
Eine Lebensmittelproduktion, die darauf ausgerichtet ist, den Wert eines Produktes über den Preis zu kommunizieren, basiert zwangsläufig auf niedrigen Herstellungskosten. Um diese so gering wie möglich zu halten, wird die menschliche Arbeit, die zur Herstellung eines Produktes nötig ist, auf ein Minimum reduziert. Fabriken mit Laufbändern sind nicht geeignet für den gewöhnlichen Brot-Teig. Er würde Zahnräder verkleben und so die Produktion lahm legen. Die Industrie bedient sich deshalb genetisch modifizierter Enzyme, die den Teig weniger klebrig, länger haltbar und rundum optimaler machen. Das hat mit Natürlichkeit nur noch wenig zu tun. In Zutatenlisten müssen die Enzyme nicht deklariert werden, angeblich zerfallen sie beim Backvorgang und sind für den Verbraucher nicht schädlich. Groß angelegte Studien gibt es darüber jedoch noch keine und die Branche gibt sich extrem verschwiegen.
Ebenso werden die einzelnen Rezepturbestandteile und der Rohstoffeinkauf durch den Preis statt durch die Qualität bestimmt. Dieses Prinzip der niedrigen Preise für Lebensmittel kann dahin führen, dass die Preiserwartung der Kunden die Herstellung bestimmter Produkte für die Bäcker unwirtschaftlich werden lässt. Auf diesem Wege haben industriell gefertigte Vormischungen und fertige Backwaren ihren Absatz in die Bäckereien gefunden.
Die Branche lässt sich ungern in die Karten schauen.
Moderne Backwaren sind zunehmend auch Hightech-Produkte der Lebensmitteltechnik. Um den komplexen Anforderungen industrieller Massenproduktion zu genügen, muss die Branche zu raffinierten Tricks und Techniken greifen. 200 zugelassene Zusatz- und Hilfsstoffe gibt es im Backgewerbe. Sie machen den Teig geschmeidiger, das Brot haltbarer und sie stehen fast nie auf der Brötchentüte. Ein Beispiel: Dem Mehl wird seit vielen Jahren Ascorbinsäure (Vitamin C) zugesetzt, um die backtechnischen Eigenschaften gezielt zu verändern. Ohne Ascorbinsäure ist Mehl nur begrenzt lagerfähig und Ascorbinsäure festigt die Kleberstruktur, was nur die wenigsten wissen.
Schlimmer ist es, wenn helles Mehl mit Malz dunkel gefärbt wird, um es wie gesundes Vollkornmehl oder Roggenmehl aussehen zu lassen. Weiterhin finden sich Enzyme, Amylasen und Proteasen (beide werden aus Bakterien – beziehungsweise Schimmelpilzkulturen hergestellt) im Brot. Sie sorgen für bessere Gasbildung beim Backen, ein schönere Bräunung, eine besseres Aufgehen des Teiges und besseres Aroma. Auch backtechnisch wirksame Aminosäuren wie Cystein (E920) sind dem Mehl oft zugesetzt und Emulgatoren vergrößern das Gebäckvolumen und machen es fluffig.
Zurück zu den Wurzeln
Aber – es entwickelt sich eine Gegenstrategie. Viele Menschen haben erkannt, dass „unser täglich’ Brot“ einen hohen Wert hat. Durch unermüdliches Nachfragen beim Bäcker ums Eck, ob er Fertigmischungen verwendet, welche Zusatzstoffe in sein Brot und die Brötchen kommen, haben sich vor einigen Jahren die Slow Baker entwickelt.
Was Bio und Handwerk besser machen
Brötchen, die immer identisch aussehen und schmecken, kann echtes Handwerk nicht bieten – und genau darin liegt seine Stärke. Frische, ehrliche Bäckerei schmeckt und sieht man. Bio-Brot und -Brötchen bestehen darüber hinaus tatsächlich nur aus Mehl, Wasser, Gewürzen, Kernen oder Saaten und einem Triebmittel: Hefe, Backferment oder Natursauerteig. Perfektion aus dem Labor kommt nicht in den Ofen.
Netzfrauen
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