Wir berichteten bereits mehrfach, dass neonicotinoide Pestizide zu einem weltweiten Massenbienensterben beitragen. Nun wurde ein Biopestizid gefunden, das diese Pestizidgruppe ablösen könnte, ohne das Leben der Bienen zu bedrohen. Ironischerweise handelt es sich um ein Gift, das für den Menschen tödlich ist…
Frei übersetzt aus: Spider venom: A biopesticide to save the bees?
Es könnte Ihnen vorkommen wie ein Déjà-vu, wenn Sie die Geschichte der Neonicotinoide lesen. Und das nicht nur, weil dieser Sammelbegriff so ähnlich wie Nikotin klingt, was kein Zufall ist. Das Waffenarsenal der großen Chemieunternehmen: Die Rhetorik, die Transparenz oder die Lobbyarbeit „hinter den Kulissen“, legale Machenschaften, gesponserte Forschung, im eigenen Haus durchgeführte Produktsicherheitstests, kleine und unbedeutende Warnungen, all das erinnert an die große Tabak-Industrie.
Der spektakuläre Rückgang der Bienenpopulationen in Europa steht direkt mit neonicotinoiden Pestiziden in Verbindung. Jetzt stellt ein potenzielles Biopestizid, basierend auf Spinnengift, eine neue Hoffnung für die weltweit sterbenden Bienen dar.
Ist die Biene vom Angesicht der Erde verschwunden, bleiben dem Menschen nur noch vier Jahr zu leben.
Eventuell hat Albert Einstein diese Worte niemals gesagt, aber das macht sie nicht weniger wahr. Unsere Landwirtschaft und unser gesamtes Nahrungsmittelsystem hängen von der Bestäubungsarbeit der Honigbienen ab.
Was sind Neonicotinoide?
Das neue Jahrtausend begann mit dem Aufmarsch der neonicotinoiden Pestizide wie Imidacloprid oder Thiamethoxam. Chemie-Riesen wie Shell und Bayer waren die Flaggschiffe unter den Pestizid-Herstellern. Bis zum Jahr 2008 machte diese neue Generation der weitreichenden systemischen Pestizide 80 Prozent des Umsatzes für Saatgutbehandlung aus. Der Gehalt an Toxinen macht diese Pflanzenschutzmittel für Säugetiere weniger gefährlich, ist aber besonders wirksam gegen saugende Insekten. Das Problem ist, dass die Bienen auch saugende Insekten sind.
Ein weiterer Fehlgriff gegen die Natur.
Im Jahr 2006 läuteten die Totenglocken für die Bienen und die neuen Pflanzenschutzmittel standen unter Verdacht (die tödlichen Auswirkungen auf die Honigbienen waren in den USA seit 2003 bekannt). Etwas Neues musste hinter dem aktuellen weltweiten Massenbienensterben stehen. Bis 2013 waren die Neonicotinoide die Hauptverdächtigen für den raschen Rückgang der Bienenpopulation in Europa, vor allem in Großbritannien.
Unzulängliche Studien, die die Neonicotinoide zu diskreditieren versuchten, wurden abgelehnt. Es sieht so aus, als sei der Streit beendet. Als vorsorgenden Ansatz hat die EU die Verwendung von drei neonicotinoiden Pestiziden ab dem 01. Dezember 2014 für zwei Jahre beschränkt. Seltsamerweise war das am stärksten betroffene Land, Großbritannien, gegen diese Regelung. [Siehe auch unser Artikel „Summ mir das Lied vom Tod“.]
Warum sind die Bienen auf so verheerende Weise von den neuen Pestiziden betroffen?
Neonicotinoide werden von Pflanzen über die Saatgutbehandlung aufgenommen, die wasserlöslichen Pestizide sind im Nektar, in den Pollen, auch in den Wasserausstoßungen (Blattsaft). Sie können über Staub auch in die Luft gelangen und erreichen andere Pflanzen – außerhalb der behandelten Kulturen. Talkum-Beschichtungen, die das verhindern sollen, verstärken ihre Toxizität. Sie bauen sich langsam ab, die Präsenz von Neonicotinoiden ist noch nach zwei Jahren nachzuweisen.
Die jüngsten Experimente bestätigten, dass Neonicotinoide für die sogenannten Colony Collapse Disorder (CCD) verantwortlich sind, nur nicht in der bisher angenommenen Art und Weise. Die schnellen Hauptkiller der Bienenvölker sind nicht die Parasiten oder ansteckende Krankheiten (und die Pestizide, die diese durch das Schwächen des Immunsystems verursachen), sondern die direkten Schäden, die Neonicotinoide an dem Nervensystem der Bienen verursachen, vor allem an den Geruchsnerven und dem Gedächtnis. Bienen, die mit diesen Pestizide in Berührung kamen, verhalten sich unberechenbar. Sie finden ihren Weg zurück in den Bienenstock nicht mehr oder kommunizieren nicht mehr mit anderen Honigsammlern. Ohne funktionierende Arbeiter hört der Bienenstock auf zu existieren.
Bevor es zu spät ist
Biopestizide können eine langfristige Lösung für den Ersatz der Neonicotinoide und anderer Pestizide sein, auch wenn sie sich noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung befinden. Spinnengift-basierte Pestizide können immer noch tödlich für deren „Hauptzielgruppe“ sein. Bienen, die in Kontakt mit ihnen kommen, zeigen jedoch nicht die negativen Auswirkungen der Neonicotinoide. Das Mittel stammt von der giftigen Blue Mountains Trichternetzspinne aus Australien. Das Spinnengift wurde mit einem Trägerprotein gemischt und den Bienen mit einer Saccharose-Lösungen injiziert.
Diese direkte und hohe Exposition mit Pestiziden ist unter natürlichen Umständen nicht zu erwarten. Während des Experiments starb etwa jede sechste Biene innerhalb von 48 Stunden, die anderen aber blieben völlig „funktional“. Dieser Start ist beruhigend, aber die Forscher müssen noch herausfinden, wie Hummeln oder Wespen auf die gleiche Substanz reagieren.
Netzfrau Kerstin Hördemann
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