Reyhaneh Jabbari: Sieben Jahre warten auf ein Wunder

ReyhanehEr wollte sie vergewaltigen, sie erstach ihn in Notwehr. Dafür wurde Reyhaneh Jabbari zum Tode verurteilt. Wir berichteten bereits mehrfach über die junge Studentin, deren Leben ganz plötzlich eine so dramatische Wende nahm.

Unsere Netzfrau Sharareh hat Kontakt aufgenommen zur Mutter der jungen Frau und berichtet aus einer völlig neuen Perspektive.

Die Tragödie

Wir berichteten bereits im April 2014 über die junge Studentin Reyhaneh Jabbari und ihr Schicksaal. Vor 7 Jahren schlug ein schreckliches Ereignis unweigerlich ein neues, grauenhaftes Kapitel im Leben der jungen Frau auf. Der Arzt Morteza Abdolali Sarbandi hatte versucht, sie in seiner Praxis zu vergewaltigen. In Panik erstach die junge Frau den deutlich älteren Iraner mit einem Messer. Anschließend alarmierte sie einen Krankenwagen. Als die Sanitäter eintrafen, war ihr Peiniger schon verblutet.

Es wurde noch schlimmer

Reyhaneh wurde unter fragwürdigen Umständen zum Tode verurteilt. Das Gericht hatte „eminent wichtige“ Beweismittel bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt und die junge Frau am Ende zum Tode verurteilt. Somit wurde sie in zweifacher Hinsicht zum Opfer – einmal durch den Angreifer und dann durch das Justizsystem, welches Opfer eigentlich schützen soll gegen sexuelle und körperliche Gewalt. Der Termin ihrer Hinrichtung war im April 2014, jedoch hat das Gericht angesichts des internationalen Drucks die Entscheidung auf unbestimmte Zeit verschoben.

Gerechtigkeit und neue Hoffnungen

Mohammadali Jedari Forughi ist der neue Rechtsanwalt, der sich für Reyhaneh stark machen wird. Er ist seit 40 Jahren in seinem Beruf tätig und hat sich fest vorgenommen, ihre Unschuld zu beweisen und sie ins Leben zurückzuholen.

Laut Jedari Forughis ersten Recherchen seien Reyhanehs früheren Verteidigern in den letzten sieben Jahren viele Prozessfehler unterlaufen. Er möchte die Verteidigungsstrategie neu aufbauen und auf Freispruch plädieren, denn gemäß § 156 des islamischen Strafgesetzes hat sie aus Notwehr gehandelt. Diese Tatsache wird durch viele Indizien, die die Polizei am Tatort sichern konnte, untermauert.

„In der Praxis des Getöteten hatte im Jahre 2007 die Polizei ein Getränkeglas mit Betäubungsmitteln und Kondome sichergestellt. Beide Seiten kannten sich vorher nicht. Reyhaneh hatte den Täter nur ein einziges Mal in den Rücken gestochen. Es gibt sogar Gerüchte über eine dritte Person, die anscheinend auch in die Sache verwickelt gewesen sein soll.“

Jedari Forughi betont: „In meinem 40-jährigen Berufsleben habe ich viele Mandanten betreut und viele Fälle bearbeitet. Für Gerechtigkeit lohnt es sich immer zu kämpfen, besonders wenn es dabei um Menschenleben geht.“

Facebook-Eintragungen von Reyhanehs Mutter Shole Pakravan

# Reyhaneh teilt seit einer Woche ihre Zelle mit 8 anderen Frauen in Haft. Als wäre das nicht schlimm genug, nein dazu kommt es, dass sie alle schwer krank sind. Eine leidet unter Hepatitis, eine andere hat Krebs und all die anderen leiden auch an schweren Krankheiten. Ich wünsche ihnen Gesundheit und Frieden. Aber ich frage mich: Warum sollen diese schwer kranken Menschen die letzten Tage ihres Lebens unter solchen Bedingungen im Gefängnis verbringen? Ihre entzündeten Wunden bluten, sie beklagen sich über ihre unerträglichen Schmerzen und sind die ganze Nacht wach.

# Es ist so traurig. Wofür soll das gut sein? Warum hat man meine Tochter in diese Zelle verlegt? Was sollte das denn für einen Sinn haben? Sie kann es hier nicht aushalten und findet keine Ruhe. Sie bevorzugt es, nachts lieber im Gefängnisgang auf dem Boden zu schlafen, als in dieser Zelle mit den kranken Leidensgenossen. Sie kann nicht schlafen und die Umstände werden immer unerträglicher.

# Wir haben einen Antrag auf ihre Verlegung in eine andere Zelle gestellt. Der Antrag wurde freundlicherweise genehmigt, aber sie darf immer noch nicht umziehen. Ich habe mich im Gefängnis umgehört, es hieß: Von oben kam der Befehl, abzuwarten. Ich wünsche mir, dass bald eine menschliche und vernünftige Lösung für das Problem gefunden wird. Reyhaneh hat seit fast einer Woche nicht geschlafen und dementsprechend liegen ihre Nerven blank.

# Ich habe mich mit meiner geliebten Tochter solidarisiert und in den letzten Nächten auch nicht mehr geschlafen.

Die Gedanken einer verzweifelten Mutter

„Schlaflose Nächte, Licht und Dunkelheit, Wahrheit und Lüge, ich kann keinen einzigen Gedanken in meinem Kopf festhalten … alle Grenzen sind verwischt. Jeden Tag, ohne Pause… der Vorhang wird erst dann fallen, wenn der Tod sich nähert.“

Jedari Forughi: Facebook-Eintragungen

# 24. Juni 2014: Morgen werde ich Reyhaneh im Gefängnis besuchen.

# 25. Juni 2014: Gegen Mittag war ich im Gefängnis und habe einen schriftlichen Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis gestellt. Eine halbe Stunde später hat man mich darüber informiert, dass der zuständige Sachbearbeiter nicht da sei und ich nächste Woche nochmal vorbeigehen muss. Ich bin zum Teheraner Hauptgerichtsgebäude gegangen und habe mich über den Stand der Sache informiert. Der Antrag auf Reyhanehs Versetzung in eine andere Zelle ist immer noch nicht bearbeitet. Es ist lange her, dass ich mit ihr gesprochen habe. Ich bete zu Gott, dass alles in Ordnung ist! Das Ganze macht mir ziemliche Kopfschmerzen.

# 25. Juni 2014: Gleiches Recht für alle! Gemäß § 187 des islamischen Strafgesetzes darf ein Anwalt mit einer schriftlichen Genehmigung des zuständigen Richters seinen Mandanten beliebig während der Gefängnisöffnungszeiten besuchen. In besonderen Fällen dürfen die vertraulichen Gespräche zwischen Anwalt und Mandant in einem separaten Besucherzimmer stattfinden.

# 25. Juni 2014: Gleiches Recht für alle! Gemäß § 116 des islamischen Strafgesetzes sind die Gefangenen, die unter psychischen, ansteckenden und schweren Krankheiten leiden, von den gesunden Gefangenen räumlich zu trennen.

Die Gebete einer Mutter

Am frühen Morgen des 26. Juni 2014  postet Shole Pakravan auf ihre FB-Seite, dass laut Information eines guten Freundes bereits zwei kranke Gefangene in ein Krankenzimmer verlegt wurden. „Ich bete für alle kranken Menschen, dass der liebe Gott ihnen die Heilung schenkt. Seelische sowie körperliche Heilung.“

Mutter und Tochter

# Warum bist du traurig?

* Ich wünschte entweder wäre ich tot oder zu Hause. Im Gefängnis halte ich es nicht mehr aus.

# Du bist noch im Gefängnis, aber am Leben. Ich gebe mich seit Jahren mit diesem „Mittelding“ zufrieden.

* Du bist du und ich bin ich. Du bist dankbar und ich müde.

# Ich dachte: Ich bin auch müde vom Kämpfen, aber ich gebe nicht auf. Ich liebe dich, ich will dich und nur deine Freiheit wird mir Frieden bringen. Mein einziger Wunsch ist es, dich wieder zu Hause zu sehen, mit dir nochmal zu reisen. Du bist meine Tochter und ich deine Mutter. Eine Mutter kann einfach nicht den leeren Platz ihres Kindes zu Hause verkraften. Ich sagte nichts, sie hat es nicht verstanden. Sie sagte und ich habe es nicht verstanden. Manchmal verliert das Leben seinen Wert wegen viel Lärm um nichts. Es ist der achte Ramadan, den sie nicht zu Hause erleben kann. Ich wünsche mir ihre Freiheit.

Die Stunden der Angst

Reyhaneh wurde vor einer Woche ganz plötzlich in eine andere Zelle verlegt. Ihr Anwalt durfte sie nicht besuchen. Ihre Mutter hat seit ein paar Tagen keine Informationen über den Aufenthaltsort ihrer Tochter. Sie wurden lediglich darüber informiert, dass diese aktuell eine Zelle mit acht weiteren Gefangenen, deren Gesundheitszustand sehr kritisch ist, teilt. Sie ist besorgt um ihre Tochter. Sie befürchtet, dies könne ein Vorwand sein und Reyhaneh findet womöglich doch ihr Ende in dieser Todeszelle. Der Anwalt hatte die gleichen Befürchtungen, traute sich jedoch nicht, diesen Gedanken zu Ende zu denken, geschweige denn, ihn auszusprechen.

Menschen setzen sich für Reyhaneh ein

Im April 2014 hatte sich der Sonderbotschafter der UN-Menschenrechtskommission Ahmed Shaheed in Reyhaneh Fall eingeschaltet: Er forderte eine Annullierung der Todesstrafe, eine Neuauflage des Prozesses und erklärte mit Verweis auf „zuverlässige Quellen“, die Verurteilte habe aus Notwehr gehandelt. Im Internet findet Reyhaneh ebenso weitere Unterstützung.

Mehr als 185 565 Menschen haben bis heute eine Online-Petition bei Avaaz unterschrieben, in der sie die Rettung der 26-Jährigen fordern.

Knapp 12 752 Personen unterstützen die Facebook-Gruppe „Save Reyhaneh“.

Bitte unterstützen auch Sie Reyhaneh Jabbari

In unseren letzten Artikeln baten wir Sie, sich an der Urgent Action von Amnesty International zu beteiligen. Leider fordert Amnesty darin nur die Aufhebung der Todesstrafe. Wir fordern die Annullierung von Reyhanehs Todesstrafe und die gleichzeitige Neuauflage ihres Prozesses, denn sie ist unschuldig. Aus diesem Grunde schreiben Sie bitte folgende Nachricht als Luftpostbrief, per Twitter oder als eMail:

Nach ihren eigenen Angaben handelte Reyhaneh Jabbari gemäß § 156 dem islamischen Strafgesetz aus Notwehr. Ich bitte Sie eindringlich, das Todesurteil zu annullieren und ihr in einem neuen Prozess die Gelegenheit zu geben, ihre Unschuld zu beweisen.

Desweiteren bitte ich darum, dass – sofern noch nicht geschehen – die genehmigte Verlegung von Reyhaneh Jabbari in eine andere Zelle zeitnah erfolgt. Gemäß § 116 des islamischen Strafgesetzes sind die Gefangenen, die unter psychischen, ansteckenden und schweren Krankheiten leiden, von den gesunden Gefangenen räumlich zu trennen.

Bitte gewährleisten Sie außerdem, dass Reyhaneh Jabbari ihren Rechtsbeistand sehen kann. Gemäß § 187 des islamischen Strafgesetzes darf ein Anwalt mit einer schriftlichen Genehmigung des zuständigen Richters seinen Mandanten beliebig während der Gefängnisöffnungszeiten besuchen.

Empfänger

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed ‚Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid
Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: @khamenei_ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office
Number 4, 2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
(Betreffzeile: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street, Pasteur Square
Tehran, IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch) und
@Rouhani_ir (Persisch)
E-Mail: media@rouhani.ir

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Appell

In der letzten Zeit hat sich gezeigt, dass viele Menschen mit Reyhaneh mitfühlen und sie gerne unterstützen möchten. In den sozialen Medien haben sich leider viele Menschen allgemein über die politische Lage im Iran beschwert, Politiker übel beschimpft und die Seite „Save Reyhaneh“ als Plattform für ihre politische Propaganda missbraucht und ihre Frust dort abgelassen. Dies hatte leider negative Auswirkungen auf Reyhanehs Fall. Ihre Mutter bittet auf ihrer Facebook-Seite, dies strengstens zu unterlassen, sonst werde sie die Seite abschalten, weil solche Aktionen das Leben ihrer Tochter in Gefahr bringen und ein schlechtes Licht auf ihr Verfahren werfen. Sie schreibt, ihr einziger Wunsch ist es, ihre Tochter wieder zurückzubekommen.

Gerechtigkeit

Reyhaneh wartet seit 7 Jahren unter schlimmsten Bedingungen im Gefängnis auf die Gerechtigkeit, die bisher auf sich warten ließ. Wir fordern die Annullierung von Reyhanehs Todesstrafe und die gleichzeitige Neuauflage ihres Prozesses, denn sie ist unschuldig. Wir solidarisieren uns mit Reyhaneh, ihrer Familie und lassen zum Schluss Saadi, den berühmten persischen Dichter für uns sprechen. „Dieses berühmte Gedicht aus Saadis Buch „Golestan“ ziert das Portal der Vereinten Nationen in New York“:

Die Menschenkinder sind ja alle Brüder
Aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder;
Hat Krankheit nur einzig Glied erfasst,
so bleibt anderen weder Ruh und Rast.
Wenn anderer Schmerz dir nicht im Herzen brennt,
verdienst du nicht, dass man noch Mensch dich nennt!

Netzfrau Sharareh Fekri

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