Bei vielen Dingen, die unser aller Zukunft betreffen, erhalte ich von manchen Mitmenschen nur leere Blicke. „TTIP? Fracking? Keine Ahnung, wovon Du redest.“
Schlimm daran ist, dass dieses Nichtwissen nicht vor den Konsequenzen schützen wird.
Nicht vor dem Aufknacken des europäischen Marktes durch amerikanische Anwälte und nicht vor der irreversiblen Verseuchung unseres Trinkwassers. Ähnlich ist es mit den Bienen…
Wir haben ja schon häufig darüber berichtet, dass die Bienen auf dramatische Weise massenhaft sterben. Nun las ich kürzlich einen Bericht über Imker in den USA, der mir mit seinen Zahlen und persönlichen Geschichten noch einmal besonders deutlich machte, wie fatal die Situation jetzt schon ist.
Warum ist die Honigbiene so wichtig für unsere Nahrungsversorgung? Ein Drittel der angebauten Pflanzen werden durch sie bestäubt. In den vergangenen Jahrzehnten hat dieser Anteil noch zugenommen, während in den USA die Anzahl der zur Bestäubung verfügbaren Bienenvölker auf die Hälfte zurück gegangen ist. Steve Ellis und Jeff Anderson, die beiden Imker, über die der Originalartikel berichtet, verlieren jeden Winter zwischen 50 und 65 % ihrer Bienen.
Aber was macht die Honigbiene so besonders? Durch die vielen gemeinsamen Jahre mit dem Menschen hat sie sich zu einem Nutztier mit einem unvergleichlichen Orientierungssinn und einem präzisen Kommunikationssystem entwickelt. Kein anderes Bestäubungsinsekt fliegt solche Strecken zwischen Nest und Blüten – bis zu 8 km! Außerdem ist es möglich, Bienenstöcke über weite Strecken zu transportieren und Bienen zielgenau dort sammeln zu lassen, wo es Feldfrüchte zu bestäuben gibt. Wildbienen sammeln dort, wo sie sind. Wo der Mensch gerne seine Ernte gesichert hätte, ist ihnen egal.
Wie inzwischen bekannt ist, leiden die Bienen an einer Kombination aus Futtermangel, Pestiziden und Krankheiten durch Parasiten.
Ein Bienenvolk braucht 150 Millionen Blüten, um genug Honig für den Winter zu haben. Noch im letzten Jahrhundert konnten die Bienen Minnesotas im Frühling in Blüten von Löwenzahn, Wildblumen, Alfalfa und Süßklee schwelgen, auch weil die Farmer früher die beiden letzteren Pflanzen als Eiweißfutter anbauten. Dadurch wurde Minnesota eine Art Honigmekka, das auch heute noch unter den fünf Staaten ist, die den meisten Honig produzieren. Heute gibt es in Minnesota größtenteils Soja- oder Maismonokulturen, in denen dank der Agrochemie nichts anderes wächst oder gar blüht.
Die in Verruf geratenen Neonikotinoide sollen laut Bayer in den Pflanzen in einer Konzentration vorliegen, die für Bienen und andere bestäubende Insekten ungefährlich ist. Dummerweise wird das Saatgut mit diesen Substanzen beschichtet. Damit die Körner nicht klumpen und die Saatmaschinen verstopfen, wird ein pulverförmiges Trennmittel zugegeben. Bei der Aussaat staubt dieses Pulver heraus und wird mit dem Wind als giftige Wolke verteilt. Diese Beschichtung mit Pestiziden betrifft in den USA 90% des Saatguts, wobei die Bauern beim Einkauf auch ökonomisch wenig Handlungsspielraum haben.
In Minnesota, wo Ellis hauptsächlich lebt, ist die Aussaat von Soja und Mais im Mai – also leider genau zu der Zeit, in der seine Bienen besonders intensiv Pollen und Nektar sammeln. So manche Biene kommt dann nur noch zum Stock zurück, um dort jämmerlich zu verenden.
Die Verantwortlichen bei Bayer beteuern zwar, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun wollten, um den Bienen zu helfen, halten allerdings die Fälle, in denen Bienen direkt an Neonikotinoiden sterben, für selten. Die Sterberaten seien nicht so dramatisch, als dass sich die Bienenvölker nicht wieder erholen könnten.
Die Zahlen, auf die sich Bayer stützt, hängen auch damit zusammen, dass sich kaum ein Imker traut, sich zu beschweren. Vor zwei Jahren legte Ellis vor dem Landwirtschaftsministerium Minnesotas Beschwerde ein. Angeblich konnten die Ermittler nichts feststellen, forderten ihn aber zur Zahlung einer Strafe von 5000 $ für die unsachgemäße Anwendung eines Parasitenbekämpfungsmittels auf. Nachdem er dagegen Einspruch einlegte, bekam er zwar Recht, blieb aber auf 15 000 $ Anwaltskosten sitzen.
Zur Zeit führt die US EPA (US Umweltschutzbehörde) eine weitere ausführliche Übersichtsstudie durch, die bis 2018 Ergebnisse liefern soll. Trotzdem sind Neonikotinoide in den Fokus eines nationalen Kampfes um das Schicksal der Bienen geraten, hauptsächlich weil eine wachsende Reihe neuer Untersuchungen zeigt, dass selbst bei niedrigen Konzentrationen diese Stoffe sogenannte „sublethale Effekte“ haben können. Das bedeutet, die Bienen sterben nicht direkt daran, aber sie werden stark davon beeinträchtigt.
Eine Folge ist, dass die Bienen wie betrunken wirken, sich nicht mehr orientieren können und daher schlicht den Weg nach Hause nicht mehr finden. Obendrein schädigen Neonikotinoide das Immunsystem von Bienen und machen sie anfälliger für Krankheiten, wie sie zum Beispiel die Varroamilbe überträgt.
Vor kurzem reagierte sogar das Weiße Haus und versprach 50 Millionen Dollar an Forschungsgeldern zu investieren, weil die Bedrohung für die nationale Nahrungsmittelproduktion erkannt wurde.
Auch wenn die Honigpreise durch das geringere Angebot steigen, reicht die Imkerei an sich für Anderson und Ellis zum Lebensunterhalt nicht mehr aus, auch weil ihre Kosten auf das Doppelte gestiegen sind, weil sie inzwischen Zuckerwasser und künstliches Eiweiß zufüttern müssen. Inzwischen kostet eine Bienenkönigin 20 $ oder mehr, doppelt so viel wie vor zehn Jahren.
Diese finanzielle Lücke müssen Imker in den USA schließen, indem sie als Wanderarbeiter durch die USA ziehen und ihre Bienen Mandeln in Kalifornien, Melonen in Texas, Blaubeeren in Michigan und Maine, Kirschen und Äpfel in Oregon und Washington bestäuben lassen. In diesem Jahr haben sich 1300 Imker an dieser Art, das Einkommen aufzubessern, beteiligt.
In den USA gibt es weniger als zwei Millionen zur Bestäubung geeignete Honigbienenvölker. Diese werden alle dringend für die 340 000 ha Mandelplantagen im Central Valley Kaliforniens gebraucht, wo 80% der Weltmarktproduktion an Mandeln geerntet werden. Diese Ernte hat einen Wert von 5 Millionen $, was erklärt, warum die Mandelbauern immer stärker bei Bienenvermittlungsagenturen um die begehrten Tiere kämpfen.
Um die Bienen zu schonen, sind die Bauern angehalten, Fungizide und andere Sprühmittel nachts auszubringen. Das bedeutet natürlich lange Arbeitstage und nicht alle halten sich daran. Nach der Mandelblüte in diesem März waren 80 000 Bienenvölker tot. Anderson liefert seine Bienen nur noch an Bauern, die sich verpflichten, finanziell für tote Bienen zu haften. Als er hörte, wie viele Bienen anderer Imker zugrunde gegangen waren, brach es ihm das Herz und er musste buchstäblich weinen.
Die Bestäubung in Obstplantagen macht er wegen der Pestizidbelastung nicht mehr mit, er und Ellis schicken die Bienen nach der Mandelblüte zum Entgiften in die Berge oberhalb des San Joaquin Valley und im Herbst zur Erholung in die Wüste nach Südkalifornien. Trotzdem sterben auch ihre Bienen immer weiter.
Nach der Mandelbestäubung dieses Jahres hat Anderson einen Teil seiner Bienen zunächst in Kalifornien gelassen, statt sie in die, wie er sagt, „Killerfelder“ seiner Heimat mitzunehmen. Das bedeutet zwar, dass er im Sommer weniger Honig und damit weniger Profit erhält, aber seine Bienen liegen ihm mehr am Herzen.
Die beiden Imker aus diesem Bericht, denen ihre Tiere wichtiger sind als der Profit, haben mich sehr beeindruckt. Daran gemessen, wie überlebenswichtig die Honigbienen für uns sind, kann ich weder die Untätigkeit der Regierungen noch das Desinteresse und die Lethargie von Privatleuten verstehen. Eines Tages werden wir uns noch einmal alle umgucken, was wir da total verschlafen haben. Oder schaffen wir es doch noch, das Ruder gerade rechtzeitig herum zu reißen?
Jeder von uns kann sich aktiv für den Schutz der Bienen einsetzen:
Wir können auf den Einsatz von Neonicotinoiden verzichten und unsere Familie, Freunde und Nachbarn auf die Beteiligung von Neonicotinoiden am Bienensterben aufmerksam machen. Denn obwohl für viele entsprechende Produkte ein vorübergehendes Verbot und/oder eine Anwendungsbeschränkung erlassen wurde, werden oft noch Restbestände verbraucht oder die Produkte aus dubiosen Quellen aus dem Ausland bezogen. [Weitere Informationen finden Sie hier.]
Wir können unsere Gärten, Terrassen und Balkons bienenfreundlich gestalten, mit einer Vielfalt an Blühpflanzen. Achten Sie darauf, dass Sie Saatgut aus unbedenklichen Quellen kaufen, bei denen Sie davon ausgehen können, dass es nicht mit Neonicotinoiden behandelt wurde. [Weitere Informationen in unserem Artikel „Informationsreihe „Saatgut”: Alles Monsanto oder was?!“
Wenn wir unsere Pflanzen gießen, sollten wir nicht vergessen, eine frei zugängliche Schale mit Wasser zu füllen und als Anflughilfe ein paar Zweige oder etwas Rinde hineinzulegen.
Wir können auch Stadtverwaltungen, Bürgerinitiativen, Schulen, Kindergärten und Vereine dazu animieren, auf ihren Grünflächen ein Blühpflanzenangebot und eine Bienentränke (sofern diese regelmäßig nachgefüllt werden kann) zu installieren.
Wir können ein Insektenhotel bauen – Anleitungen für verschiedene Größen und Varianten finden sich im Netz, wie z.B. hier. Ein toller Zeitvertreib auch mit Kindern!
Schwärmt am 16.08.2014 mit uns aus zur Rettung der Bienen!
Netzfrau Angela Carstensen
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