Wegen Ausschreitungen im Amazonasgebiet vor über fünf Jahren stehen in Peru mehr als 50 Menschen vor Gericht. Aber was ist mit den Regierungsfunktionären, die der Bereitschaftspolizei den Befehl gegeben hatten, die Demonstranten anzugreifen? Was mit den Polizisten selbst? Welche Rolle spielt die US-Regierung, die hatte verlauten lassen, dass die mangelnde Bereitschaft der peruanischen Regierung, gewaltsam einzuschreiten, Auswirkungen auf das kürzlich realisierte Außenhandelsabkommen (FTA) haben könnte?
Der Konflikt brach im Norden von Peru aus, nachdem hauptsächlich indigene Awajúns und Wampis friedlich gegen eine Reihe von neuen Gesetzen demonstriert hatten, die angeblich im Zusammenhang mit dem Handelsabkommen zwischen Peru und den USA erlassen werden sollten. Diese Gesetze sollten es unter anderem der Rohstoffindustrie erleichtern, die natürlichen Ressourcen in ihren Territorien zu nutzen. Nach der Blockade einer Autobahn in der Nähe von Bagua und einer am Tag zuvor getroffenen Vereinbarung, dass die Demonstranten abziehen würden, begann die Polizei am Morgen des 5. Juni plötzlich zu schießen. Während der darauf folgenden Kämpfe wurden 10 Polizisten, fünf Indigene und fünf nicht-einheimische Zivilisten getötet. Es gab mehr als 200 Verletzte – mindestens 80 von ihnen waren angeschossen. Außerdem wurden in der Region Bagua elf Polizeibeamte als Geiseln genommen und anschließend getötet.
In einer Erklärung anlässlich des 5. Jahrestages dieser Auseinandersetzungen stellte Amnesty International fest, dass bislang nur Demonstranten vor Gericht gestellt wurden. Menschenrechtsanwälten zufolge gebe es keinerlei Beweise für die schwerwiegenden Anschuldigungen wie Mord und Rebellion, die den Angeklagten zur Last gelegt werden. Es seien bisher kaum Anstalten gemacht worden, die Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem seien immer noch keine Ermittlungen in Richtung der politischen Behörden getätigt worden, die den Startschuss für diese Polizeiaktion gegeben hatten.
Peru hat nun ein Gesetz erlassen, das man schon fast als „Lizenz zum Töten“ betrachten kann. Die in Dublin ansässige NGO „Front Line Defenders“ bestätigt:
… Mitglieder der Streitkräfte und der nationalen Polizei sind von strafrechtlicher Verantwortung befreit, wenn sie während der Dienstzeit Verletzungen oder Tod verursachen, auch wenn dies durch den Gebrauch von Schuss- oder anderen Waffen geschieht. Menschenrechtsgruppen, sowohl national als auch international, der Ombudsmann für Menschenrechte (Defensoria del Pueblo) sowie die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte äußern tiefe Besorgnis über das Gesetz. In den Worten des in Lima ansässigen Instituto Libertad y Democracia [IDL], entspricht das Gesetz in der Praxis einer „Lizenz zum Töten“.
Das Gesetz Nr. 30151 ist gemäß IDL eine Modifzierung der bestehenden Gesetzgebung der Vorgängerregierung, durch Ersetzen der Worte „in Übereinstimmung mit den Vorschriften“ durch „oder andere Mittel der Verteidigung“. Dies bedeute, dass jeder Soldat oder Polizist jetzt Zivilisten töten oder verletzen könne, ohne seine Waffe „in Übereinstimmung mit den Vorschriften“ zu nutzen, auch mit etwas anderem als mit seiner Waffe. Dieses Gesetz stelle eine Bedrohung aller dar. Es würde nIcht nur bei Demonstrationen greifen, sondern auch, wenn im Kampf gegen den Drogenterrorismus versehentlich Zivilisten getötet würden. Es ermögliche den Einsatz von Waffen durch Zuwiderhandlung gegen geltendes Recht und internationale Parameter wie die Prinzipien der Vereinten Nationen. Es gebe Soldaten und Polizisten einen Freibrief zur Verübung von Verbrechen.
Das umstrittene Gesetz wurde in diesem Monat von „Front Line Defenders“ veröffentlicht unter dem Titel „Umweltschützer in Peru in Gefahr“. Der Bericht macht deutlich, dass Peruaner, die öffentlich ihre Besorgnis über die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Bergbaus äußern, Folgendes zu erwarten haben: Todesdrohungen, Vergewaltigung, Bedrohungen, physische und elektronische Überwachung und Stigmatisierung durch nationale Mainstream-Medien, Polizei als „private Security“ für Bergbauunternehmen, Beschlagnahmung oder Diebstahl von Geräten, „exzessiven Einsatz von Gewalt durch die Polizei“ während der Proteste, Festnahme oder Inhaftierung und Strafverfolgung wegen „Aufruhr, Terrorismus, Gewalt, Usurpation, Hausfriedensbruch, Ungehorsam oder Widerstand gegen eine behördliche Anordnung, Behinderung von Beamten, Entführung, Sachbeschädigung, Verletzungen, Nötigung, Störung der öffentlichen Ordnung usw. Und jetzt auch noch den Tod.
Einem Polizisten dagegen, der in seiner Dienstzeit einen friedlichen Demonstranten erschießt, droht womöglich nicht einmal ein Ermittlungsverfahren.
Quelle: Peru Now Has a „Licence to Kill“ Environmental Protesters
Netzfrau Andrea Wlazik
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