Einem im Mai veröffentlichten Bericht der kanadischen Polizei (RCMP) zufolge werden seit 1952 1200 eingeborene Frauen und Mädchen vermisst, sind totgeglaubt oder tatsächlich ermordet worden. Die Mordrate stelle den nationalen Durchschnitt in den Schatten.
Der lang erwartete Bericht der Royal Canadian Mounted Police, der Daten von Polizeidienststellen aus ganz Kanada enthält, gibt eine umfassende Bilanz über die bis heute ermordeten und vermissten Ureinwohnerinnen.
Die offiziellen Angaben
Dem Bericht zufolge machen eingeborene Frauen 16% der weiblichen Mordopfer aus und 11,3% der im Land vermissten Frauen. Das ist zwei bis drei Mal mehr als der Anteil der eingeborenen Frauen an der kanadischen Bevölkerung. Dieser liegt bei 4,3 % (1,5 Millionen).
RCMP Deputy Commissioner Janice Armstrong sieht in dem Bericht mehr als nur ein Zahlenwerk. Er habe wichtige Faktoren sowohl zur Angreifbarkeit der Opfer und auch zu den Tätern offenbart. Mit diesen Zusatzinformationen könnten sich die Polizei und deren Partner besser auf Präventionsmaßnahmen in diesen Hochrisikogruppen kümmern, was zur Reduzierung von Gewalt gegen eingeborene Frauen und Mädchen beitragen könnte.
Der Bericht geht von 1181 ermordeten oder vermissten Ureinwohnerinnen seit 1952 aus. Von diesen Fällen blieben 120 Morde und 105 Vermisstenfälle ungelöst.
Mit einer Erfolgsquote von fast 90% sei die Aufklärung von Fällen, die eingeborene Frauen betreffen, nahezu identisch mit der Aufklärungsrate bei nicht-indigenen Frauen. Lediglich in Fällen von Frauen, die als Prostituierte arbeiten, liege die Rate bei 60% zu 65 %. Nur 12 % der Opfer waren überhaupt Prostituierte – weit weniger als gedacht.
In den meisten Fällen kannten die Opfer die Täter.
89% der Verdächtigen waren männlich, das Durchschnittsalter lag bei 35 Jahren und 63% von ihnen hatten vor dem Angriff Drogen oder Alkohol konsumiert.
Indigene Gruppen fordern von der kanadischen Regierung eine offizielle Untersuchung der Verbrechen.
(Quelle)
Rassismus?
Wie uns unser Kontakt in Kanada berichtet, ist das Verschwinden und Morden von Ureinwohnerinnen ein heißes Eisen in Kanada. Die Polizei habe sich oft nicht darum gekümmert, eine Untersuchung anzustrengen, weil es „nur“ arme Eingeborene gewesen seien, manchmal Prostituierte. Mit der Bewegung Idle no More, die sich für eine friedliche Revolution im Sinne der Souveränität indigener Völker und für den Schutz von Land und Wasser einsetzt, sei die Sache an die Öffentlichkeit gelangt. Viele Stämme forderten eine ausführliche Untersuchung und mittlerweile habe die Bewegung immer mehr Unterstützer – auch bei der nicht-indigenen Bevölkerung. Die Menschen seien geschockt und forderten ebenfalls eine großangelegte Untersuchung. Die konservative Regierung unter Stephen Harper wolle die Angelegenheit möglichst unter den Teppich kehren in der Hoffnung, dass die Menschen sich beruhigen und die Sache vergessen. Ganz sicher hätte es in entsprechenden Fällen sofort Untersuchungen gegeben, hätte es sich um weiße Frauen gehandelt. Und er zieht das Fazit: „So darf es im Kanada von 2014 nicht sein!“
Menschenrechte von Ureinwohnern insgesamt ein großes Thema in Kanada
UN-Berichterstatter James Anaya zeigt sich bestürzt darüber, dass eingeborene Frauen überdurchschnittlich häufig Opfer von Gewaltverbrechen werden. Auch er fordert umfassende Untersuchungen.
Anayas Bericht basiert auf einer Untersuchung, die im letzten Jahr im Oktober anlässlich seines Kanadabesuchs und des Treffens mit Vertretern der kanadischen Regierung und der First Nations stattgefunden hatte. Obwohl er einige Verbesserungen aufzeigt, kommt er doch zu einem eher ernüchternden Ergebnis in Bezug auf die Ureinwohner Kanadas. Er ist der Ansicht, dass deren Menschenrechtsproblematik kritische Ausmaße angenommen habe und die Regierung sich viel mehr einbringen müsse. Die Bemühungen sowohl der Bundes- als auch der Landesregierungen hätten sich als unzureichend erwiesen und solten an allen staatlichen Stellen höhere Priorität erlangen.
Als Beispiel nannte er die Bildung. Eingeborene lägen diesbezüglich weit hinter dem Rest der Bevölkerung. Die Regierung müsse an einer Optimierung der Bildungsmöglichkeiten arbeiten.
Er bemängelt auch die Unterkünfte der Gemeinschaften von Inuit und First Nations, die überfüllt seien und größerer Reparaturarbeiten inklusive Sanitärbereiche und Elektrik bedürften. Desweiteren sei die Wasserqualität in den Reservaten mangelhaft und berge bei mehr als der Hälfte der Wassernetze ein mittleres und oder hohes Gesundheitsrisiko.
Die Gesundheit der First Nations, Inuit und Métis in Kanada wiesen trotz aller Verbesserungen in den letzten Jahren erhebliche Lücken im Vergleich zu nicht-indigenen Kanadiern auf im Hinblick auf Maßnahmen zu Lebenserwartung, Kindersterblichkeit und Selbstmord.
Es bestehe ein dramatischer Widerspruch zwischen den katastrophalen Verhältnissen, in denen die Ureinwohner leben und dem in ihren Territorien vorhandenen Reichtum an natürlichen Ressourcen. Verhandlungen über Landrechte verliefen zäh, einige über Jahrzehnte ohne absehbares Ende. Viele der Eingeborenen hätten bereits aufgehört, für ihre Rechte zu kämpfen.
Dieses Problem würde noch verstärkt durch die Haltung der Regierung, dass die Interessen der Ureinwohner wider dem Besten für die Kanadier seien.
(Quelle)
Netzfrau Andrea Wlazik
Lesen Sie außerdem:
Kanadas Ureinwohner klagen sauberes Trinkwasser ein – Aboriginals to sue for water quality
Marsch für den Amazonas – in Gummistiefeln, ausgelatschten Sandalen oder barfuß
Pipeline durchs Paradies, dort wo Wale singen
Peru: „Lizenz zum Töten“ für Polizei und Militär?
Von der harten Regierungsbank “DIREKT” auf die weiche Lobbycouch
The Dark Side of World Cup 14 – Die dunkle Seite der WM 14
Öl aus dem Amazonas!? China und Ecuador – des einen Freud, des anderen Leid
Brasilien stoppt Anbau Bayer Gen-Mais und Mexiko verbietet Monsanto Gen-Soja