In der schwedischen Stadt Norrköping sind alle 30 Mädchen einer Schulklasse genitalverstümmelt worden, berichtete die Zeitung Norrköpings Tidningar Ende Juni. Alle Opfer stammen aus Migrantenfamilien, 28 von ihnen aus Somalia, und wurden der dort praktizierten, schwersten Form der Verstümmelung (Entfernung der gesamten äußeren Genitalien und Vernähen der Vulva bis auf eine winzige Öffnung) unterworfen.
Aufgedeckt wurden die Verbrechen im Rahmen eines Pilotprojektes der Stadt, bei dem Ärzte seit März gezielt Mädchen untersuchen und seitdem mehr als 60 Fälle von Genitalverstümmelung feststellten.
Obwohl deutlich wird, dass die Verstümmelungen nur durch solche medizinischen Untersuchungen entdeckt werden können, sind sie in Schweden – wie in fast allen europäischen Ländern – unüblich. Mehr noch: Im Jahr 2010 war die schwedische Kommune Uppsala von einem Bundesgericht sogar zu 6000 € Schadensersatz wegen Diskriminierung verurteilt worden, nachdem ein Sozialarbeiter auf Grund des Verdachts auf Genitalverstümmelung die Untersuchung eines 10-jährigen Mädchens gegen den Willen der Eltern veranlasst hatte.
Keine Strafanzeigen – keine Verurteilung der Täter – kein Schutz für potentielle Opfer
Schweden war das erste europäische Land, das die Verstümmelung von Mädchen explizit unter Strafe stellte (1982), mit einem Strafmaß von bis zu 10 Jahren. Doch bis jetzt konnten die Täter ihre Töchter verstümmeln lassen, ohne strafrechtlich belangt zu werden. An dieser unrühmlichen „Tradition” ändern auch die jetzt nachgewiesenen 60 Fälle in Norrköping nichts:
Wie die örtliche Polizei gegenüber der TaskForce bestätigte, unterließen es die zuständigen Behörden, Anzeige zu erstatten. Ermittlungsverfahren gegen die Eltern wegen Anstiftung der Verstümmelung ihrer Töchter sind daher unmöglich.
Verantwortlich für diese Unterlassung ist zum einen der schulärztliche Dienst, der die 60 Kinder als Opfer von Genitalverstümmelung identifizierte. Laut dessen Leiterin Monika Sannebrink wurden die Fälle lediglich dem Sozialen Dienst gemeldet. Eine Erklärung, weshalb ihre Behörde nicht gleichzeitig die Polizei einschaltete, kann bzw. will Sannebrink nicht geben.
Dabei ist in Schweden die Meldepflicht bei Genitalverstümmelungen klar geregelt – zumindest auf dem Papier: „Jeder, der es unterlässt, eine verübte oder geplante Genitalverstümmelung der Polizei zu melden, macht sich nach §23 des Strafgesetzbuches strafbar”.
Eine Mitarbeiterin des schulärztlichen Dienstes, Petra Bloom Andersson, teilte der TaskForce mit, dass sich ihre Institution an den Vorgaben des Regierungsauftrages orientiere, den Bildungsminister Jan Björklund im letzten Herbst verabschiedet und Norrköping als Pilotprojekt bestimmt hatte. Nun fehlt in Björklunds Papier bezeichnenderweise jeglicher Hinweis bzw. jegliche Anweisung, die Polizei einzuschalten und ein Strafverfahren (i.d.R. gegen die Eltern) einzuleiten, wenn an Mädchen eine Genitalverstümmelung festgestellt wurde. Auf die Frage, aus welchem Grund er auf diese wichtige Obligation verzichtet hat, schweigen Björklund und sein Ministerium beharrlich.
Thomas Leijon – Leiter des Sozialen Dienstes und ebenfalls verantwortlich für die fehlenden Anzeigen bei der Polizei – hat bislang zwar nicht persönlich erörtert, weshalb er die 60 konkreten Fälle nicht meldete, dafür kennt Monika Sannebrink die Hintergründe und schreibt: „Der Soziale Dienst hat entschieden, dass alle Mädchen verstümmelt wurden, bevor sie nach Schweden kamen. Deshalb können die Taten in Schweden nicht strafrechtlich verfolgt werden.”
Davon abgesehen, dass es alleinige Aufgabe der Polizei wäre, den Zeitpunkt und sämtliche Details dieser Verbrechen zu ermitteln – und der Soziale Dienst daher missbräuchlich seine Kompetenzen überschreitet, zumal zum Vorteil der Täter – ist es durchaus möglich, die Verstümmelungen strafrechtlich zu ahnden, selbst wenn sie vor der Immigration nach Schweden verübt wurden.
Das erörterte die Norrköpinger Staatsanwältin Marie Kronqvist Berg in einem Interview mit Norrköpings Tidningar. Auch ihr fehlt das Verständnis dafür, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht umgehend eingeschaltet wurden, um die nötigen Ermittlungen für die 60 Verstümmelungsfälle einzuleiten…
Fazit:
1. Schweden verpasst in Norrköpings 60 nachgewiesenen Fällen von Genitalverstümmelung an minderjährigen Mädchen die Chance, nach über 30 Jahren endlich ernsthaft und konsequent gegen diese Verbrechen vorzugehen.
2. Obwohl das schwedische Strafrecht seit 1982 ein Strafmaß von bis zu 10 Jahren für die Verstümmelung von Mädchen vorsieht, unterließen es alle involvierten Behörden, bei der Polizei Anzeige gegen die Eltern der Opfer zu erstatten, um angemessen wegen der Anstiftung der Verstümmelung ihrer Töchter zu ermitteln.
3. Diese Unterlassung bedeutet eine massive Untergrabung des Rechtssystems und sendet die folgenschwere Botschaft an die Täter, dass sie, selbst wenn die Verstümmelung ihrer Kinder eindeutig nachgewiesen wurde, trotz explizitem Verbot, keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten müssen. Es reicht bereits die bloße Behauptung aus, sie hätten die Tat vor der Immigration nach Schweden verüben lassen: Deutlicher können die Täter kaum ermutigt werden, auch weiterhin ihre Töchter der Genitalverstümmelung zu unterwerfen.
4. Ohne die medizinischen Untersuchungen hätten diese Fälle nicht aufgedeckt werden können, d. h. genitale Unversehrtheitskontrollen gehören zu den wichtigsten Schlüsseln, um Opfer und Täter (d. h. anstiftende Eltern) zu identifizieren. Es ist naheliegend, dass die 60 Mädchen selbst in der kleinen Stadt Norrköping nur „die Spitze des Eisberges” darstellen und viele weitere Opfer – insbesondere all diejenigen, die nachweislich in Schweden geboren und aufgewachsen sind – noch unentdeckt sind. Welche tatsächliche Dimension die Gewalt der Genitalverstümmelung in größeren Städten wie Malmö, Göteborg oder Stockholm erreicht, kann derzeit nur erahnt werden, denn vergleichbare Untersuchungen gibt es dort nicht. Doch wir wissen, dass in Europa bis zu 80% der gefährdeten Mädchen – insbesondere in den Hochrisikogruppen – tatsächlich verstümmelt werden.
5. Mit der aktuellen schwedischen Politik werden nicht nur Verstümmelungstäter vor angemessener Strafverfolgung bewahrt, es ist ebenso unwahrscheinlich, dass gefährdete Mädchen künftig besser geschützt werden: Denn es ist lediglich geplant, die „Eltern darüber zu informieren, dass sie ins Gefängnis gehen können, falls ihre Töchter von einer Reise ins Heimatland verstümmelt zurückkehren”, wie Petra Blom Andersson den Medien mitteilte. Diese Maßnahme geht an der Lebenswirklichkeit vorbei, denn die Täter handeln keinesfalls aus Unwissenheit und Studien belegen, dass sie über die Strafbarkeit der Verstümmelungen bestens informiert sind. Allerdings sehen sie sich durch das Ausbleiben entsprechender Strafverfahren in ihrem Tun bestätigt, was wieder zu 1.) dieses Fazits führt…
Foto1 – In Europa werden die Genitalverstümmelungen in den Migrantenfamilien unvermindert weitergeführt: Bis zu 80% der hier lebenden Mädchen werden tatsächlich Opfer. Nur durch gezielte medizinische Kontrollen kann die Tat aufgedeckt werden. Doch wenn – wie in Schweden – die Täter-Eltern nicht bei der Polizei angezeigt und strafrechtlich belangt werden, wird das Rechtssystem untergraben und die Täter werden zusätzlich bestärkt.
Foto2 – Das Vorgehen der Behörden in Norrköping orientiert sich an einem Regierungspapier des Bildungsministers Jan Björklund. Darin fehlt jeglicher Hinweis oder Anordnung die Polizei einzuschalten, wenn Genitalverstümmelungen an Mädchen festgestellt wurden.
Foto3 – Die Staatsanwältin Marie Kronqvist Berg kann nicht verstehen, weshalb die 60 Fälle von Genitalverstümmelung nicht den Strafverfolgungsbehörden gemeldet wurden.
Fotos: (c) Trocaire, Joakim Blomqvist/Norrköpings Tidningar, PR
Netzfrau Ines Laufer
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