„Es gibt Wichtigeres im Leben als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen“ (Ghandi)
Und eine ganz persönliche Ansicht…
Frauenquote ja – nein, Kinder ja – nein – vielleicht, Betreuung ja – nein, wir sind eine aufgeregte, medienbeeinflusste Gesellschaft (geworden?), Themen werden hochgeschrieben, um ein paar Tage später widerrufen zu werden oder ganz in der Versenkung zu verschwinden.
Es ist schwer zu differenzieren, den Weg zu erkennen, repräsentative Umfragen sind nur manchmal mehr als eine Momentaufnahme – wenn sie denn überhaupt stimmen. Was genau wollen die Familien, was sind ihre Ziele, ihre Wünsche, und wird es sie langfristig überhaupt noch geben? Man weiß es nicht!
Und wenn sie doch noch da sind, wer soll sich um ihren „Erhalt und ihre Pflege“ kümmern – Hauptamtliche, Ehrenamtliche oder vielleicht doch die Idealisten? Mütter wären da ja ganz praktisch, aber die müssen ja schon so viel anderes stemmen, wie wäre es mit einer Home- und Event-Managerin?
Ich trotze all den Kategorien, schwimme individuell emanzipiert gegen den Strom! Eigentlich müsste Alice Schwarzer beeindruckt sein, wohlwollend irgendwie – ist sie aber nicht. Denn statt des Fulltime-Karrierejobs stehe ich auf der anderen Seite des Stroms und bin in die „Karrierefalle Kind“ getappt, und was es noch schlimmer macht: Ich bin freiwillig da!
Deutschland befindet sich endlich auch im Umbruch. Frauen sind für den Arbeitsmarkt wichtig, wichtiger sogar als für die Familie!? Fakt ist: Man kann nicht auf uns verzichten und das muss vermittelt werden. Politik und Medien beeinflussen das Bild der Familie in der Öffentlichkeit massiv, aber das Bild, das Familien von sich selber haben, muss damit nicht zwangsläufig übereinstimmen.
Alles organisiert sich neu. Das ist auch gut so. Wir waren viel zu lange erstarrt, aber muss es gleich wieder dogmatisch sein? Wir leben schließlich in einer Gesellschaft mit allen möglichen Lebensmodellen: Es gibt Singles, Double-Income-No-Kids, Patchworkfamilien, Schwulen- oder Lesbenfamilien, man kann Kinder aus der ganzen Welt adoptieren, aber wenn man seine Kinder selbst erziehen will, ist man auf einmal in der Defensive… „Und was arbeitest du? – Das kann doch jeder…“ Was so sicherlich nicht stimmt. Das Zauberwort ist Zeit und was tun wir? Wir sind wie das weiße Kaninchen von „Alice im Wunderland“: keine Zeit, keine Zeit, ich bin zu spät, ich bin zu spät…
Das Familienleben sollte heute einen um so wichtigeren Stellenwert haben, da wir sozial immer mehr verarmen. Wir leben in einer individualisierten Gesellschaft und es wird sich erst im Rückblick zeigen, ob das ein guter oder sinnvoller Weg war. Was ist denn so schlimm daran, seinen Kindern, seiner Familie Zeit zu schenken? Es ist doch nur ein Lebensabschnitt von vielen und kein Dauerzustand. Wenn die Politik den Wiedereinstieg noch mehr erleichtern würde, hätten wir auch nicht das Gefühl, uns mit einem Kind ins berufliche Aus zu manövrieren. Nach einer Studie des Familienministeriums wünscht sich ein Großteil der Frauen in Deutschland Teilzeitarbeit, aha, offensichtlich ist doch die Nachfrage dafür vorhanden? Vielleicht sind wir einfach anders als die Frauen in den Nachbarländern? Schließlich haben wir ja auch eine andere Mentalität, sind weniger unbeschwert, suchen immer die absolut richtige Lösung für alles und diskutieren bis zur totalen Erschöpfung.
Wir brauchen die Emanzipation und die Gleichberechtigung weiterhin ganz dringend – aber nicht um jeden Preis. Alice Schwarzer weiß bestimmt mehr über Beides, als ich je wissen will, aber als Kind der Frauenbewegung „fühle mich selbstverständlich gleichgestellt und habe das Selbstvertrauen, mir meine Rechte individuell selbst erkämpfen zu können“, – falsch? Vielleicht, aber ich lebe, wie ich will. Das sollte doch gefallen… aber vielleicht weiß ich auch einfach zu wenig über den Feminismus? Alice Schwarzer weiß aber ganz sicher gar nichts über Kinder, sie hat nämlich keine und theoretisiert nur. Gut, es ist wichtig, dass es Theoretiker gibt. Sie haben den nötigen Abstand und können viele Dinge besser beurteilen, aber es gibt auch Erfahrungen, die man Niemandem erklären kann, der sie nicht selbst gemacht hat. Auch wenn manche Feministinnen Mutterliebe als Methode abtun, um die Frauen an ihre Kinder zu fesseln: Die Biologie spricht dagegen, da mögen wir noch so aufgeklärt sein. Aber so etwas darf man in unserer hippen Leistungsgesellschaft, in der maximale Rentabilität mehr zählt als Kooperation und Menschlichkeit, nicht sagen, sonst ist man hoffnungslos von gestern, Heimchen am Herd, steht für die drei Ks oder ist womöglich sogar ein Anhänger der CSU?
Wie will man in unserer Ego-Gesellschaft der drängenden Frage der Versorgung von Kindern und alten Leuten begegnen? Wer soll das leisten? Wir sind auf Profitmaximierung ausgerichtet, auf Gewinnstreben, Humankapital. Alle Systeme kollabieren, werden unbezahlbar. Familien gibt es seit Jahrtausenden, sie waren nie perfekt, immer im Wandel begriffen, aber sie waren funktionierende Gemeinschaften. Wir haben die mehr oder weniger gut funktionierenden Strukturen zerschlagen, ohne sie durch etwas Adäquates ersetzen zu können. Der Mensch ist von der Biologie her kein Einzelkämpfer, sondern eher ein „Rudeltier“, die Großfamilie eben (wohlgemerkt nicht die Biedermeier-Vater-Mutter-Kind-Familie!). Aber die gibt es hier immer seltener. Sie wurde in Einzelteile zerlegt, analysiert, gewichtet, Prioritäten wurden neu gesetzt und ein neues Konstrukt erschaffen. Stolz behaupten wir, dieser Weg sei es nun, Kinder und Alte sollen sich um das Berufsleben herum gruppieren, alles kein Problem! Gefühle? Wir doch nicht! Die Kleinsten werden betreut und die Alten in Heimen gepflegt, die Sorgfalt und Achtsamkeit füreinander scheint verloren gegangen. Und wo sind wir gelandet?
Wir ignorieren die frühe Prägung der Kinder, zeigen ihnen: Sie sind die Nr. 2 hinter unserer persönlichen Selbstverwirklichung. Die Alten kommen in die Pflegeheime, sind lästig. Wie werden unsere Kinder wohl sozialisiert sein? Wohin werden wir kommen, wenn wir alt und wunderlich sind? Wer wird sich verantwortlich fühlen? Wird sich trotz Mehrgenerationenhäusern und Mehrgenerationenparks überhaupt Jemand verantwortlich fühlen? Auch das weiß man nicht.
Ist die unbedingte Selbstverwirklichung wirklich höher zu gewichten als die soziale und emotionale Intelligenz? In Gruppen lernt man das Sozialverhalten, den respektvollen Umgang miteinander, kurz: Das Selbstverständliche! Lest doch einfach „Wie haben wir nur überlebt“, dann wisst ihr, was wir verloren haben. Es gibt Studien, die besagen, dass die Anzahl der Kinder in einer Gesellschaft ganz eng mit der sozialen Stellung der Frau als Mutter zusammenhängen. Je niedriger die Mutter in der gesellschaftlichen Hierarchie steht, desto weniger Kinder gibt es auch. Blöd, aber nachvollziehbar! Diese Strukturen ziehen sich von der Antike bis in die Jetzt-Zeit, in der wir gerade wieder in einem Tal angekommen zu sein scheinen.
Familie: Das ist harte Arbeit. Familien verweigern sich der Beschleunigung und Frauen, die sich in unserer heutigen Selbstverwirklichungsgesellschaft für das Abenteuer Kind(er) entscheiden… oje, das ist tollkühn, volkswirtschaftlich gesehen eine Katastrophe und gesellschaftspolitisch was?
Man weiß es nicht, aber es ist auf jeden Fall ein Abenteuer. Ich finde, Tollkühnheit tut einem gut, Familie braucht Zeit und auch ein bisschen Muße.
Beruf und Familie funktioniert meiner Ansicht nach nicht gut, jedenfalls nicht für Karrierefrauen, alles andere sei dahingestellt. Man kann nicht von morgens sieben Uhr bis abends sechs (optimistisch geschätzt) arbeiten und dann zwei intensive Stunden mit den Kindern verbringen. Die gucken dann sowieso lieber Simpsons und gegen Marge und Lucy hat man schlechte Karten…
In meinen Augen ist eine wirklich gute Lösung nach wie vor nicht in Sicht. Wir brauchen nicht das „Entweder-Oder“, wir brauchen aber genauso wenig das „Sowohl-als-auch“ mit dem Leitbild der „active woman“ und dem Rund-um-Sorglos-Paket für das Kind, weil das nur ins Burn-Out und in die Depression führt.
Was wir brauchen, ist ein Hinterfragen unserer Wertegesellschaft. Eine Gesellschaft, die sich nach menschlichen Prinzipien organisiert und in der die Sorge für Kinder und ihr Wohlergehen von öffentlichem Interesse sind, wäre nicht schlecht, aber „ohne Verlässlichkeit in der Liebe, ohne Freiheit in den Geschlechterrollen, ohne Selbstbewusstsein in der Verteidigung des Privaten und des Herzens wird es nicht gehen“ (“Die Kinderfrage, von Elisabeth Beck-Gernsheim, Beck’sche Reihe, 3.te Auflage, 1997, S.182″). Vielleicht hätten Kinder dann tatsächlich die Chance darauf, dass sich die Wirtschaft um die Familie herum gruppiert, dass nicht der maximale Profit in einer immer globalisierteren Welt im Vordergrund steht, sondern der Erhalt der Familie und der Gesellschaft.
Netzfrau Jutta P. Klatt
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