Sanktionen Augenwischerei? Freihandelsabkommen mit der Ukraine besiegelt!
Nach dem Abschuss eines Passagierflugzeuges MH17 über der umkämpften Ostukraine erwägen die europäischen Regierungen die Sanktionen gegen Russland drastisch auszuweiten.
Auf der anderen Seite freuen sich die im Westen des Landes produzierenden deutschen Unternehmen, die trotz der Unruhen im Osten der Ukraine ihr Geschäft und die Produktion fortführen, über den Verfall der ukrainischen Währung. Der daraus resultierende Rückgang der Lohnkosten in Euro beschert den Exportierenden zusätzliche Gewinne.
Die USA haben bereits am 16. Juli neue Sanktionen gegen russische Unternehmen eingeführt, gekoppelt mit dem Wunsch, dass auch Europa nachziehen wird. US-Präsident Obama sagte, dass jetzt gezielt russischen Branchen Sanktionen auferlegt werden sollen. Washington hat entschieden, die staatlichen Unternehmen Rosneft Novatek und die beiden Banken Gazprombank und VEB vom US-Finanzmarkt auszuschließen. Die EU hat sich derweil dazu entschieden, juristische Personen mit Strafmaßnahmen zu belegen, wenn diese dazu beigetragen haben, „die Integrität und Unabhängigkeit der Ukraine zu untergraben und bedrohen“. Die EU nannte derweil keine Namen. Wer von den Strafmaßnahmen betroffen sein wird, solle bis Ende des Monats entschieden werden.
Jetzt fragen wir uns, wie will man diese Sanktionen gegen Rosneft umsetzen?
- Rosneft will die drittgrößte Ölfirma TNK-BP zukaufen. Damit wird Rosneft der weltgrößte Ölkonzern. Die Firma ist zwar schon der größte Ölproduzent in Russland, fördert zusammen mit TNK-BP dann aber mehr Öl und Gas als der US-Multi Exxon. Rosneft schloss die Übernahme im Gesamtwert von rund 40 Milliarden Euro Ende März ab.
- Der Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft hatte im Mai 2014 die Zusammenarbeit mit dem US-Privatunternehmen ExxonMobil bei der Erforschung und Entwicklung der Vorkommen Anisinsko-Nowosibirski und Ust-Olekenski am Festlandsockel der Laptewsee gebilligt, steht in der Meldung des Konzerns.
- Putins Ölkonzern kooperiert mit BP und Exxon Mobil, hieß es noch am 26.Juni 2014 im Spiegel. Der Ukraine-Konflikt belastet die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, aber nicht das Geschäft mit Erdöl: Der russische Konzern Rosneft rückt enger mit BP zusammen – und in Russland engagiert sich der US-Konzern ExxonMobil.
- Aktuell will Rosneft mit dem BP Schieferöl-Vorkommen erschließen – obwohl dessen Chef auf der Liste der US-Sanktionen gegen Moskau steht. Doch in Zeiten um das kostbare Gas oder Öl, was interessieren da schon Konzerne Sanktionen? Lesen Sie hier: Peak Oil – „Blut für Öl”
Gazprom und das Gas
Die wegen der eskalierenden Ukraine-Krise verhängten US-Sanktionen gegen Russland sollten ins Herz der russischen Finanzwirtschaft treffen. Der Geldhahn aus den USA dürfte für die russische Energiewirtschaft daher womöglich bald versiegt sein. Als erstes denken wir an das Unternehmen Gazprom. Noch verfügt die russische Wirtschaft über reichlich Devisen, die über die Geschäfte mit der EU auch weiter üppig sprudeln.
Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtete sich 1970, also schon vor den Ölkrisen von 1973 und 1979, zur Anlage einer Bundesrohölreserve, um einen Mindestvorrat an Roherdöl zu speichern. Zu diesem Zweck wurde in Etzel 1971 der Kavernenbetrieb durch die IVG Industrieverwaltungsgesellschaft mbH aufgenommen. Ausschlaggebend für die Anlage des Kavernenspeichers in Etzel war neben den geologischen Voraussetzungen auch die Nähe zum deutschlandweit größten Ölimporthafen Wilhelmshaven.
E.ON beschreibt es auf ihrer Homepage: Kooperation der Firmen E.ON Gas Storage, Statoil Deutschland Storage und Total Etzel-Gaslager. Laut E.ON:
„Mit der Beteiligung an der Etzel Kavernenbetriebsgesellschaft mbH & Co. KG und an der Bunde-Etzel-Pipelinegesellschaft mbH & Co. KG ist GAZPROM Germania an der Entwicklung eines Kavernenspeichers in Norddeutschland beteiligt.”
Gemeinsam mit den Partnern BP Europe SE und Dong Energy hat GAZPROM Germania den Speicher am 8. Mai 2013 offiziell in Betrieb genommen. Also arbeitet man auch hier munter weiter.
Der Betreiber der Kaverne IVG ist mittlerweile pleite. Die Hedgefond Cerberus Capital Management ist ein Investmentfondsmanagementunternehmen mit Firmensitz in New York City und neuer Eigentümer der Kaverne. Wie will man uns nun erklären, dass eine Zusammenarbeit durch die verhängten Sanktionen möglich ist? [Siehe hierzu auch: Nach Ölkatastrophe vor der Nordsee- Gasaustritt durch defekte Förderleitung?– „Gefährliche Gaskavernen?”] Da stellt sich uns doch die Frage: Wie will eine US-Hedgefond-Gesellschaft nicht mit Gazprom arbeiten, obwohl die dort alle in der Kaverne zusammen arbeiten?
Bereits im Mai machten wir darauf aufmerksam, dass man schon eine andere Lösung für Russlands Gas sucht. Die Gespräche um das Freihandelsabkommen gehen weiter. In diesem Beitrag geht es um die Erdgaslieferung aus den USA. [Lesen Sie hierzu: Energiehunger in der Ukraine-Krise: TTIP schneller als erwartet? Fracking, Teersand, Iran und Türkei]
Freihandelsabkommen mit der Ukraine
Bereits Ende Juni 2014 unterzeichnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Brüssel den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine – so werden völkerrechtliche Verträge bezeichnet, bei denen sich der Vertragspartner an eine zwischennationale oder supranationale Gemeinschaft bindet, jedoch nicht (Voll-) Mitglied der Gemeinschaft wird. Dem assoziierten Partner werden dabei Rechte und Pflichten eingeräumt. – Der politische Teil wurde bereits im März unterschrieben. Das rund 1200 Seiten lange Abkommen sehen Sie hier: https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Recht-Zoll/Zoll/Produkte/_eu_customs_trade_news,did=1023076.html)
Die Vereinbarungen sehen unter anderem eine Zusammenarbeit in Bereichen wie Handel und Energie vor. Zudem soll die Kooperation in der Außenpolitik, eine unabhängige Justiz sowie der Kampf gegen Korruption gefördert werden. Das Spektrum reicht von Urheberrechten über Beschaffungsvorschriften und Wettbewerbsgesetzen bis hin zu Vorschriften über den Finanzmarkt oder den Verkehr. In der Ukraine sind momentan ungefähr 400 deutsche Unternehmen aktiv.
Das juristische Korrekturlesen des Textes des Abkommens über die vertiefte und umfassende Freihandelszone ist abgeschlossen. Die technische Paraphierung fand am 19. Juli in Brüssel statt.
The show must go on! So lesen wir, dass der Verfall der ukrainischen Währung und der daraus resultierende Rückgang der Lohnkosten in Euro den exportorientierten Betrieben zusätzliche Gewinne beschert.
Assoziierungsabkommen soll für Ukraine zum Reformmotor werden
- Verordnung (EU) Nr. 783/2014 des Rates vom 18. Juli 2014 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen; ABl. L 214 vom 19.7.2014, S. 2.
Anmerkung:
Umsetzung des Ratsbeschlusses 2014/475/GASP vom 18.07.2014 in Unionsrecht durch Aufnahme der geänderten Kriterien in die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates (ABl. L 78 vom 17.03.2014, S. 6).
Für Anhang I der genannten Verordnung gilt wie für den Anhang des Ratsbeschlusses, dass bisher nur Personen gelistet sind. Die Benennung möglicher betroffener Organisationen und Einrichtungen steht noch aus.
Die Änderungen sind am 19.07.2014 in Kraft getreten. - Beschluss 2014/475/GASP des Rates vom 18. Juli 2014 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen; ABl. L 214 vom 19.07.2014, S. 28.
Anmerkung:
Angesichts der sehr ernsten Lage in der Ukraine werden mit Wirkung vom 19. 07. 2014 die Bedingungen für das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen ausgeweitet und gegen juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen gerichtet werden, die materiell und finanziell Handlungen unterstützen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Mit der Änderung der Kriterien wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen, die materiell oder finanziell Maßnahmen unterstützen, die die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, in die Liste aufgenommen werden können.
Betroffen von der Maßnahme sind die im Anhang des Beschlusses 2014/14/GASP des Rates vom 17.03.2014 und den seither ergangenen Änderungsbeschlüssen gelisteten Personen. Im Anhang sind bisher keine von den Maßnahmen betroffenen Organisationen und Einrichtungen gelistet.
Ergänzend etwas aus der Finanzwirtschaft
Hinter der Alfa Bank stehen die russischen Milliardäre Michail Fridman, German Khan und Alexej Kuzmichev, hinter der Delta Bank der ukrainische Milliardär Mykola Lagun.
Fridmans Vermögen wird auf 16 Milliarden Dollar (11,80 Mrd. Euro) geschätzt. Engagiert sei er unter anderem auch beim Telekombetreiber Vimpelcom und der Supermarktkette X5. Lagun besitze neben der Delta Bank auch noch die ukrainische Kreditprombank und habe die Ukraine-Töchter der schwedischen Swedbank und der griechischen Alpha-Bank gekauft. Die Alpha-Bank ist die zweitgrößte griechische Bank. Ihr Firmensitz befindet sich in Athen. Sie hat in Griechenland 426 Filialen, 120 in Bulgarien, 26 in Albanien sowie Auslandsniederlassungen in Zypern (Alpha Bank Cyprus LTD), Rumänien (Alpha Bank Romania), Serbien (Alpha Bank Srbija A.D.), Ukraine (OJSC Astra Bank), Mazedonien (Alpha Bank A.D. Skopje) und Großbritannien (Alpha Bank London Ltd). [Siehe: Zockerparadies Griechenland – und die Zeche bezahlen…]
Sanktionen Augenwischerei?
Wie sollen wir unseren Kindern und Enkelkindern die Menschenrechte erklären, wenn mit dem Kampf um Erdgas, Rohstoffe und Agrarland Weltpolitik betrieben wird? Wie sollen wir später erklären, dass die Staatsoberhäupter nicht in der Lage waren, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, um endlich weitere Tote zu verhindern? Aber der „Rubel” rollt trotzdem weiter…
© Netzfrau Doro Schreier
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