Man läuft ein paar Meter zum nächstgelegenen Supermarkt, kauft sich einen Erdbeer-Joghurt und isst ihn zu Hause.
Ohne darüber nachzudenken, ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir keinen großen Aufwand betreiben müssen, bis wir den Joghurt in unserer Hand halten. Bis er aber erst einmal im Regal steht, hat er schon eine ganz schön weite Strecke zurückgelegt.
Etwa 18 kg Joghurt isst der Deutsche pro Jahr.
Joghurt gibt es in den unterschiedlichsten Varianten. Auf der Verpackung locken Bilder von prallen Früchten oder appetitlichen Fruchtstücken. Doch was Lebensmittelhersteller mit appetitlichen Fotos auf ihren Verpackungen von Fruchtjoghurts versprechen, ist häufig nicht mehr als schöner Schein.
Was wirklich im Joghurt drin ist, wollen wir in diesem Beitrag nicht weiter erläutern, sondern seinen langen Weg bis in Ihrem Kühlschrank. Damit sich ein Joghurt Erdbeerjoghurt nennen darf, muss auf 150 g Joghurt nur eine Erdbeere enthalten sein. Alles andere ist ein Aroma aus Holzspänen und die Farbe wird fast immer aus farbintensiven Pflanzen wie Rote Bete, Holunderbeeren oder Karotten gewonnen. 200 unterschiedliche chemische Strukturen sorgen dafür, dass Sie sagen: „Schmeckt nach Erdbeere“ und dieses Molekül, dieses Vanillin, lässt sich relativ einfach aus Holz gewinnen.
Damit die Joghurtbecher in ausreichender Zahl und zur rechten Zeit wirklich im Supermarktregal stehen, müssen viele Fabriken, Lager und Transporteure in vielen Ländern zusammenarbeiten. Die Erdbeeren werden aus Polen, die Joghurt-Kulturen aus Schleswig-Holstein und das Weizenpulver aus Amsterdam angefahren. Verpackungsteile kommen aus Hamburg, Düsseldorf und Lüneburg an den Neckar. Insgesamt bringt es das fertige Joghurt-Produkt mit allen Zulieferbestandteilen auf eine Transportstrecke von über 9000 Kilometer.
- Die Rohbakterien liefert ein Züchter aus Niebüll/Schleswig-Holstein. Von hier werden sie per Pkw zu einer ebenfalls in Niebüll ansässigen Firma gebracht, wo sie auf einer Nährsubstanz aus Tomatenmark und Milch gedeihen, bis sie nach Stuttgart transportiert werden: macht 917 Kilometer.
- Der Zucker wird aus Rüben gewonnen, die in der Region um Offenau und Heilbronn geerntet werden. Durchschnittliche Entfernung von den Anbaugebieten zur Raffinerie: 35 Kilometer; und von der Raffinerie in Offenau zur Südmilch-Zentrale in Stuttgart: 72 Kilometer, Summa summarum: 107 Kilometer.
- Die Verpackung setzt sich zusammen aus einer Pappkiste, Steige genannt, die aus Bad Rappenau bezogen wird (55 Kilometer) und deren Komponenten (Top, Welle, Kraft) aus Aalen, Köln und Obergrünburg in Österreich kommen (1042 Kilometer). Den Steigenleim aus Kunstharz liefert eine Lüneburger Firma (659 Kilometer), die den Grundstoff aus Hamburg bezieht (75 Kilometer). Zur Verpackung gehören außerdem: eine polsternde Zwischenlage aus Pappe (Herkunftsorte: Varel und Ludwigsburg, Distanz: 647 Kilometer) und eine Kunststofffolie, die aus französischem Kunststoffgranulat gezogen wird (406 Kilometer). Gesamt: 2.884 Kilometer.
- Die Erdbeeren, in polnischen Plantagen gepflückt, landen zunächst in Aachen (800 Kilometer), dort werden die Früchte zubereitet und nach Stuttgart (446 Kilometer) transportiert – insgesamt 1246 Kilometer.
- Das Glas wird in Bayern hergestellt. Die Zutaten werden teils – per Bahn, teil per Lkw – aus der Region (Altglasscherben), aus Frechen (Quarz-sand), Solingen (Soda), Huettingen (Kalk), Essen (Filterstaub) und Düsseldorf (Zinkselenit) ins bayrische Neuburg, zu einer der größten Glasverarbeitungen Deutschlands verfrachtet: 546 Lkw-Kilometer müssen gefahren werden. Von Neuburg aus geht’s wieder nach Stuttgart (260 Kilometer) – zusammen 806 Kilometer.
- Das Etikett liefert eine Firma in Kulmbach (314 Kilometer), die ihr Papier aus Uetersen bezieht (634 Kilometer). Den Etikettenleim bestehend aus Mais- und Weizenpulver aus holländischen und belgischen EG-Beständen (220 Kilometer), schickt eine Düsseldorfer Firma nach Stuttgart (419 Kilometer) – alles in allem 1.587 Kilometer.
- Die Milch kommt von 5930 Bauernhöfen in der Umgebung von Stuttgart und Heilbronn. 44 Tanklastwagen karren jeden Morgen rund 400 000 Liter in die Verarbeitungszentrale nach Stuttgart. Durchschnittliche Distanz zwischen Lieferant und Hersteller: 36 Kilometer.
- Das Aluminium für die Deckel wird im rheinischen Grevenbroich aus Bauxit und Rohaluminium hergestellt, von dort auch nach Weden bei Kulmbach geliefert (560 Kilometer), dort zu den Aludeckeln verarbeitet, die wiederum ihren Weg über 340 Kilometer nach Stuttgart nehmen. Insgesamt 864 Kilometer.
Da die Zahlen schon aus älteren Recherchen stammen, können sie von den aktuellen Zahlen abweichen. Es soll nur anhand dieses Beispiels aufgezeigt werden, welch langen Weg ein Produkt hinter sich hat, bis es bei Ihnen auf dem Küchentisch steht. Stellen Sie sich nur einen Joghurt mit Ananas oder Bananen vor, oder dass Erdbeeren sogar aus China kommen. Die Vielfalt der verschiedenen Joghurtsorten kennt keine Grenzen. Joghurt ist hinsichtlich seiner Transportintensität keineswegs ein Extremfall, sondern steht für übliche Transportvorgänge, die bei x-beliebigen anderen Konzernen auch vorzufinden sind.
Es zeigt, wie wichtig es ist, regionale Produkte einzukaufen, um den täglichen Verkehrswahnsinn zu stoppen.
Auch bei einer Jeans ist es ähnlich: Viele Labels lassen einzelne Teile in verschiedene Ländern herstellen, um die Produktionskosten niedrig zu halten, obwohl später auf dem Etikett „Made in Germany” stehen wird. Über 50 000 Kilometer legt eine Jeans zurück.
Der Wasserverbrauch für die Herstellung einer Jeans ist übrigens immens: 8000 Liter!
Siehe: „Weltenbummler Jeanshose“
Die Wege, die Lebensmittel zurücklegen, werden immer länger. Dabei haben sich die Speisepläne kaum verändert. Neu hingegen sind die vielen und langen Transportwege der Lebensmittel. Ein wesentlicher Grund sind neben der Globalisierung vor allem die stark gesunkenen Transportkosten, wodurch niedrigere Produktionskosten selbst bei weiteren Transportstrecken immer noch zu Kostenvorteilen führen.
Fisch aus Afrika, Gemüse wie Spargel aus Peru und Bohnen aus Kenia, exotische Obstsorten wie Papayas, Guaven und Mangos oder Ananas aus Afrika, täglich kommen mehr als 140 Tonnen Lebensmittel als Luftfracht ins Land.
Wir Verbraucher haben es in der Hand. Kaufen Sie bewusst ein. Erdbeeren und Spargel statt zu Weihnachten lieber im Mai und Juni genießen. Saisonal und regional einkaufen, so schonen Sie die Umwelt.
© Netzfrau Doro Schreier
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