Die vergessenen Menschen von Haiti

Die Menschen in Haiti leben immer noch in Trümmern!

menschen in tümmernWir haben eine Nachricht von unserer Netzfrau Sabine aus Haiti erhalten. Sie ist Jahrgang 1962 und war 30 Jahre im wissenschaftlichen Bibliotheksbereich und Buchhandel tätig. Bis 2007 hatte sie 10 Jahre lang eine Buchhandlung erfolgreich geleitet. Dann packte Sabine zwei Koffer und lebt seitdem in Haiti, in einem Elendsviertel in Port-au-Prince.

Es ist wirklich unglaublich, wie die Regierung sich dort um den Wiederaufbau nach dem Erdbeben 2010 von Port-au-Prince kümmert, aber seine Bewohner vernachlässigt.

Hauptsache neue moderne Geschäfts- und Ministerien-Gebäude

Während Port-au-Prince auf der einen Seite neu und sehr modern wieder aufgebaut wird, fehlt es in den Elendsvierteln wirklich an allem!
Sabine berichtet:

Mehr als die Hälfte der Bewohner sind Kinder und Jugendliche

… die in Unterkünften leben, die wir als Deutsche oder Europäer kaum als solche zu bezeichnen wagen, mit keiner oder unzureichender Bildung, fast ohne Möglichkeiten einer gesundheitlichen Versorgung oder anderer sozialer Betreuung, ohne Hoffnung auf Arbeit und somit keine Gelegenheit, die persönliche Lebenssituation zum Positiven zu verändern, Lebensumstände zu sichern oder dahingehend zu verbessern, dass man dieses eine Leben als würdevoll bezeichnen und erleben könnte.

Nachbarschaftshilfe 4C2PZ braucht Unterstützung

Marc Ronald Pierre (Jahrgang 66 und selber Vater von 5 Kindern) ist Haitianer und gründete vor 20 Jahren am 03.Dezember 1994 die Nachbarschaftshilfe 4C2PZ (Conseil des Citoyens Concernés pour le Changement, le Progrés et pour la Propretè de la Zone) – aus Sorge um die Kinder in seiner Straße und bemüht sich, die Lebenssituation der Kinder zu erleichtern und ihnen zur Seite zu stehen.

Marc baute 1994 eine Brücke über den Fluss, damit die Kinder die Schulen trockenen Fußes erreichen können und verbesserte somit gleichzeitig die soziale Struktur des Umfeldes und die hygienischen Bedingungen. Er hilft bei familiären Sorgen und Problemen, vermittelt bei Konflikten – seine Hilfe wird anerkannt und wird mit großem Respekt akzeptiert. Marc organisierte gesellschaftliche Veranstaltungen und Zusammenkünfte, um die Gemeinschaft zu stärken, zu festigen, Selbstinitiativen zu fördern und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, zu wecken.

Erdbeben 2010

Bei dem Erdbeben 2010 wurde sein damals 2½-jähriger Sohn verschüttet und nach 3 Tagen verletzt geborgen. Marc rettete vielen Menschen das Leben, weil er sie zu Fuß aus den Trümmern zu dem 8 km entfernten Lazarett auf UN-Gelände brachte, jeden Tag, immer wieder, ohne Unterlass!

Nach 8 Tagen erst gab es Nahrung für 13 000 Menschen

Menschen in HaitiEr wandte sich mit seinem Vereinsdokument direkt an Vertreter von World Vision im UN-Hauptquartier und nach 8(!) Tagen vergeblichen Anklopfens öffnete ein Inder die Tür und bewilligte zunächst Nahrung für 13 000 Menschen, später für insgesamt 25 000 Menschen. Marc hatte einen sicheren und abschließbaren Lagerplatz und erarbeitete in den folgenden Nächten bei Kerzenschein namentliche Listen für eine gerechte Verteilung.

Mittlerweile hatte Marc Ronald Pierre die Verantwortung für die umliegenden Obdachlosencamps übernommen.

Er verteilte die Essenrationen gerecht und kostenlos (was nicht selbstverständlich ist) unter Einbeziehung der Bevölkerung und unter Ausschluss von bewaffneten UN-Soldaten. Marc behielt eine kleine Reserve für Notfälle und für die Menschen, die nachts an seine Tür klopften, weil sie sich schämten, nicht selbst für ihre Familien sorgen zu können.

THW brachte täglich 10 000 l Trinkwasser

Vom deutschen THW erhielt er fast täglich 10 000 l Trinkwasser, dessen kostenlose Verteilung unter Einbezug der Bevölkerung organisiert wurde. Mehr als 700 Patienten, meist Frauen und Kinder, wurden von Ärzten eines mobilen Hospitals behandelt und Patienten mit akuten Erkrankungen oder Verletzungen wurden mit einem bereitstehenden Fahrzeug direkt in die Klinik gefahren.

Marc Ronald Pierre organisierte Termine zwischen amputierten Kindern und Ärzten, um ihnen zu Prothesen und den vorbereitenden therapeutischen Maßnahmen zu verhelfen.

Ausbruch von Cholera in den Elendsvierteln

Nach Ausbruch der Cholera organisierte er die Plastikflaschen mit Wasser gefüllt, die noch 24 Stunden zur Desinfektion in der Sonne liegen mussten und dann mit oral hydations salt (ors) versehen, direkt an die wartenden Patienten verteilt wurden, um die Überlebenschancen der in langen Reihen wartenden Schwersterkrankter zu vergrößern, bis sie von medizinischem Personal versorgt wurden.

Eine Kinderküche entstand

feed_a_childEr räumte mit einer Schubkarre ein von Trümmern übersätes Gelände und errichtete unter einfachsten Umstanden eine Kinderküche. Hier wurden mehr als einhundert Kinder, Schwangere und stillende Mütter, kranke und alte Menschen, täglich mit einer warmen, nahrhaften Mahlzeit bestehend aus Reis/Mais, Bohnen, frischem Gemüse und einem frisch gepressten Fruchtsaft aus dem regionalen Angebot(!) versorgt. Zwei Frauen kochen und sorgen für die hygienischen Bedingungen – und haben somit eine bezahlte Tätigkeit. Mit der Schubkarre werden noch immer die Nahrungsmittel, Kohle und Wasser herangeschafft.

Marc arbeitet in einem Kinderheim mit angeschlossenem Hospital und angeschöpssener Schule und verwendet seinen Lohn für die notdürftige Aufrechterhaltung der Kinderküche.

Um kleine Wünsche wahr werden lassen …

hat die Gründung einer weiteren Nachbarschaftshilfe mit nur älteren Mitbürgen in einem anderen Stadtteil von Port-au-Prince angeregt, um deren handwerkliche Erfahrungen zu nutzen und Jugendlichen eine Art berufliche Fortbildung zu gewährleisten, Interesse zu wecken, Talente und Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern – Mut machen, Hoffnung vermitteln, Selbstvertrauen stärken, kleine Wünsche wahr werden lassen.

Von deutschen „Hilfsorganisationen”, Stiftungen und anderen karitativen Einrichtungen als nicht unterstützungswürdig eingeschätzt worden

Liebe Netzfrauen, was ich Ihnen bisher nur auszugsweise beschrieben habe, wurde von deutschen „Hilfsorganisationen”, Stiftungen und anderen caritativen Einrichtungen als nicht unterstützungswürdig eingeschätzt.

Haitianer mit Eigeninitiative sind suspekt. Haitianer, die ihre Verantwortung nicht in fremde Hände legen und als „Projekte” oder „Programme” bezeichnen lassen wollen, sind nicht förderungswürdig.

Unerfüllbare Voraussetzungen machen finanzielle Unterstützungen unerreichbar.

Nach internationalem Standard ausgearbeitete „Fund raising – requests” in englischer Sprache verhallen im Nirgendwo.

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Lieben Dank Sabine für deinen ergreifenden Bericht. Unter solchen Umständen sollte keiner leben müssen, besonders nicht, wenn die Regierung erst mal ganz moderne neue Geschäftsgebäude und Ministerien baut, anstatt den mittellosen Bewohnern wieder eine Zukunft zugeben.

Ich finde das wirklich traurig, dass der enorme Einsatz von Marc Ronald Pierre so wenig Unterstützung bekommt und die großen Hilfsorganisatoren sich so zurückhalten und sich hinter ihren Voraussetzungen verstecken, anstatt den Bewohnern der Elendsviertel zu helfen und die Arbeit von Marc zu unterstützen.

Wir appellieren an den Präsidenten von Haiti, Michel Martelly, den Direktor der staatlichen Agentur für den Bau öffentlicher Gebäude(Haiti) Harry Adam und alle Hilfsorganisationen: Lasst die Menschen in den Elendsvierteln von Port-au-Prince nicht länger vergessen sein!

Netzfrauen Sabine und Mo Scheer

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