Sie ging gestern durch die Medien – die Pressemitteilung des BKA (Bundeskriminalamtes), in der vor einer deutlichen Zunahme der Internetkriminalität gewarnt wurde.
Richtig ist: Die Dunkelziffer nicht bekannt gewordener Fälle mag hoch sein. Richtig ist auch: Die Internetkriminellen werden immer dreister und die Methoden immer radikaler. Nur die Statistik, mit der das Bundeskriminalamt die Medien aufgewühlt hat, belegt diese Kriminalitätswelle überhaupt nicht. Hier wird wieder der typische, statistische Fehler begangen, dass man Zuwachsraten – hier die Meldefälle für Internetstraftaten – isoliert betrachtet, ohne sich anzusehen, wie sich der Bezugswert verändert.
Ein nominaler Zuwachs ist ja gegeben, aber in welcher Relation steht dieser Zuwachs? Die Zahl der Internetnutzer nimmt kontinuierlich zu, also ist per se ein Zuwachs von Straftaten zu erwarten. Mehr Nutzer ist gleichbedeutend mit mehr Potenzial für Kriminelle.
Isolierte Betrachtung der Zuwachsraten von Cybercrime von 2009 (Index=0) bis 2013
Die Kernaussage des BKA ist letztlich: „Auffällig ist außerdem die Zunahme der Delikte, bei denen das Bundeskriminalamt das Internet als Tatmittel registrierte. 2013 wurden hier 257 486 Fälle gemeldet und damit rund 12 Prozent mehr als im Vorjahr.“ Diese Aussage ist eben völlig losgelöst vom Anstieg der Internetnutzer im gleichen Zeitraum. Betrachtet man die Fallzahlen der gemeldeten Internetverbrechen laut BKA-Statistik zum Cybercrime sowie den Zuwachs von Internetnutzern im gleichen Jahr und setzt man diese in Relation zueinander, stellt sich die Situation nicht als so dramatisch dar.
Betrachtet man sich die gleichen Werte wie eben nicht in prozentualen Zuwächsen ausgehend von einem Index=0, sondern auf 100 skaliert, ist die eigentlich stattfindende Seitwärtsbewegung besser zu erkennen:
Legt man nun die Statistik der Internetbenutzer darüber, ist auch die Gleichförmigkeit der Zuwächse zu erahnen:
Was letztlich interessiert, ist die Zunahme der gemeldeten Cybercrime-Fälle in Relation zum Zuwachs der Internetbenutzer. Da erleben wir dann „optisch“ eine Überraschung:
2011 gab es tatsächlich auch mal ein Jahr, in dem die Anzahl der Internetnutzer rascher wuchs als die Anzahl gemeldeter Cybercrime-Fälle. Wenn wir ganz ehrlich mit dieser Sicht sind: Im Vergleich zum Zuwachs der Internetnutzer sinkt die Anzahl der gemeldeten Fälle sogar seit Jahren …
Diese statistischen Fehler sind allerdings kein Trost für die vielen Internetnutzer, die massiv von Erpressungen, Pishing, Ideen- und Identitätsdiebstahl betroffen sind und bedroht werden. Die Schätzungen in Milliarden Euro entstandener Schäden übertreffen sich gegenseitig. Die wahren Schadenssummen kennt keiner.
Eines kann auch die Durchleuchtung der statistischen Werte nicht zu Tage fördern: Die Dunkelziffer. Je höher die bandenmäßige Erpressung von Internetnutzern wird, desto mehr dürfte die Dunkelziffer im Hintergrund ansteigen. Es ist also völlig richtig, wenn das Bundeskriminalamt die Alarmglocken läutet und vor der Welle der Kriminalität warnt – auch wenn die Statistik der Entwicklung eher hinterher hinkt.
Links:
BKA-Statistik zum Cybercrime:
Statistik der Internetuser:
http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id?=394
BKA-Original-Pressemitteilung:
http://www.bka.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Presse2014/140827__BundeslagebildCybercrime.html?__nnn=true
Vorsorgetipps gegen Internetangriffe:
https://www.sicher-im-netz.de/
Informationsseite des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik: https://www.bsi-fuer-buerger.de/BSIFB/DE/Home/home_node.html
Tipp: Beim BSI gibt es auch einen Newsletter (Kasimir), der fortlaufend über bekannt gewordene Sicherheitslücken informiert.
Seite des Bundesverbandes für Verbraucherschutz:
http://www.vzbv.de/Digitale_Welt.htm
Seite des BITKOM-Verbandes zu Fragen der Datensicherheit:
http://www.bitkom-datenschutz.de/
Weitere Informationsquellen:
Startseite Ihres Online-Banking-Portals Ihrer Bank.
Informationen von Ihrem Antiviren-Softwarehersteller und Ihrem Firewall-Hersteller.
Aus dem „Weißen Haus”: Die Entfesselung der Kraft von ‘Big Data’ – Orson Welles „1984“
Überwachung – einfach erklärt!
Mit Seifenblasen und TTIP zur konjunkturell besseren Stimmung