Wie genau funktioniert dieses System? Wo liegen die Probleme? Und was muss getan werden?
Weltweit leiden heute 850 Millionen Menschen unter Hunger. Gleichzeitig werden 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel jährlich verschwendet. Wie passt das zusammen?
Nach den weltweiten Hungerunruhen 2007 und 2008 ist das globale Welternährungssytem wieder in den Fokus der internationalen Gemeinschaft gerückt. Obwohl weltweit genug Nahrungsmittel produziert werden, um die Weltbevölkerung satt zu bekommen, hat jeder achte Mensch zu wenig zu essen.
Kleinbauern in der Verschuldungsspirale
In Nicaragua, Honduras, Guatemala und El Salvador herrscht eine Dürre. Ohne ausreichenden Regen verringern sich die Erträge. Kleinbauern sind hilflos, nicht nur, weil ihre Grundnahrungsmittel Bohnen, Mais und Reis verloren gehen und sie ihre Familien nicht mehr ernähren können. Ein weiteres Problem stellt der Kauf von Saatgut dar, das zumeist auf Kredit einkauft wurde, die mit den Erträgen der Ernte zurückgezahlt werden sollten.
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Ein Kreislauf: Um Saatgut zu kaufen, leihen sich viele Kleinbauern Geld. Und um diese Schulden zurückzahlen zu können, müssen sie oft ihre Erzeugnisse direkt nach der Ernte verkaufen. Hinzu kommt, dass gerade in der Erntezeit die Preise auf den Märkten extrem niedrig sind und daher auch ein niedriger Gewinn erzielt wird. Nach einigen Monaten müssen die Bauern wieder Lebensmittel oder Saatgut zukaufen – jetzt zu gestiegenen Preisen und oftmals verbunden mit neuen Schulden. Preisschwankungen sind also extrem schädlich für arme kleinbäuerliche Produzenten, welche oft nicht die geringsten (Geld)-Reserven haben, um solchen Schwankungen entgegen zu treten. Die Konsequenzen sind dramatisch: In den Familien gibt es nur noch eine Mahlzeit am Tag und viele Kinder bekommen Minirationen – durch diese Mangelernährung sind sie für ihr Leben geschädigt.
Welternährung in 5 Minuten erklärt
Wussten Sie, dass die Vergabe von Nahrungsmittelhilfe in der Vergangenheit durch agrarpolitische Interessen bestimmt war?
Sojaanbau nur für Großunternehmen rentabel
Von dem Geschäft profitieren fast ausschließlich Großunternehmen. Während der Sojaanbau vor Ort oft vom lokalen Agrobusiness und so-genannten Sojakönigen betrieben wird, kontrollieren internationale Großkonzerne den Großteil des Geschäfts. Die Konzerne, die (genmanipuliertes) Saatgut verkaufen, sind häufig die selben, die auch die für den erfolgreichen Anbau der Monokulturen erforderlichen Pestizide und Herbizide anbieten. Dazu zählen vor allem die US-amerikanische Biotechfirma Monsanto und der Konzern Syngenta. An der Versprühung von giftigen Pestiziden und Herbiziden verdienen mit Bayer und BASF auch deutsche Firmen mit. Der Handel von Soja auf dem internationalen Markt wird von Agrar-Großkonzernen wie ADM (Archer Daniels Midland), Cargill und Bunge kontrolliert.
Das UN World Food Programme (WFP) ist die größte humanitäre Organisation der Welt. Partner ist u. a. das Unternehmen Cargill, das in dem Videobeitrag erwähnt wurde. Hier macht man den Bock zum Gärtner: Cargill hat zum Beispiel Lieferungen für die Hungerhilfe im Juni und Juli getätigt.
Juni |
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Name des Anbieters | Produkte / Service | Ausschreibungsreferenz | Gesamtauftragswert | Ziel |
Cargill | Weizen | HQ14WHE08 | US $ 2.850.000,00 | Dschibuti |
Juli |
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Cargill | Sorgum | HQ14SOR02 | USD 1.445.500,00 | Kenia |
Weitere Lieferanten finden Sie hier: http://www.wfp.org/procurement/food-tender-awards/2014
Es ist ein Kreislauf: Wenn nur wenige Saatgutkonzerne den Markt beherrschen, dann entscheiden diese auch über den Preis. Höhere Preise betreffen WFP auf zweifache Weise: Es kostet mehr, Nahrungsmittel für die Hungernden zu beschaffen. Gleichzeitig benötigen zusätzliche Menschen Ernährungshilfe. Steigen die Nahrungsmittelpreise für WFP-Hilfsgüter nur um 10 Prozent, benötigt WFP rund 200 Millionen US-Dollar mehr, um weiterhin die rund 100 Millionen am schlimmsten hungernden Menschen weltweit unterstützen zu können. Diesen Kreislauf heißt es zu durchbrechen.
Früher war es Usus, Nahrungshilfen aus den Industriestaaten zu importieren! Wussten Sie zum Beispiel, dass die Vergabe von Nahrungsmittelhilfe in der Vergangenheit durch agrarpolitische Interessen bestimmt war? Die Lieferungen dienten einigen Geber-Ländern zum Abbau der Agrar-Überschüsse. Weizen aus Frankreich oder Mais aus den USA wurden auf den Märkten der Empfängerländer verkauft. Mit den Erlösen konnten die Regierungen der Empfängerländer ihre Haushaltseinnahmen verbessern. Vor allem in den USA sind auch nichtstaatliche Organisationen an dem Geschäft beteiligt. Sie erhalten von der US-Regierung Nahrungsmittelhilfe geschenkt, die sie anschließend auf den Binnenmärkten der Entwicklungsländer verkaufen. Mit dem Erlös können sie ihre eigenen Entwicklungsprojekte finanzieren. Doch die Verkäufe der Nahrungsmittelhilfen waren für die Bauern in den Entwicklungsländern oft ruinös, da sie in Konkurrenz mit den Erzeugnissen der lokalen Bauern traten. Nahrungsmittelhilfe ist zudem kaum an die Essgewohnheiten der Empfänger angepasst.
Auch hat sich die Nahrungsmittelhilfe bisher als untauglicher Krisenmechanismus erwiesen: Immer, wenn die Getreidepreise stiegen und die verfügbare Getreidemenge auf dem Weltmarkt zurückging, stand weniger Überschussgetreide für die Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung; und immer dann, wenn die Preise niedrig waren und hohe Getreidemengen produziert wurden, gab es große Mengen für die Nahrungsmittelhilfe. Quelle entwicklungspolitik.org
Noch ein paar Zahlen und Fakten:
Die große Mehrheit der Hungernden (98 Prozent) lebt in Entwicklungsländern, zirka 586 Millionen in Asien. Unterernährung trägt jährlich zum Tod von 2,6 Millionen Kindern unter fünf Jahren bei – ein Drittel aller Sterbefälle von Kindern weltweit!
Die Nachfrage nach Agrarprodukten nimmt zu und eine Marktsättigung wird es – wenn überhaupt, angesichts begrenzter natürlicher Ressourcen – in diesem Jahrhundert nicht geben. Die steigende Nachfrage nach Agrarrohstoffen ist ein Megatrend des 21. Jahrhunderts und bleibt daher für Anleger besonders interessant.
Hunger: Spekulationen mit Nahrungsgütern wie Weizen, Mais und anderen Getreidesorten wären aus unserer Sicht als Massenmord des 21. Jahrhundert zu bezeichnen.
Und wenn wir die momentane Situation auf dieser Welt betrachten, so könnten wir zu dem Fazit gelangen, dass auch im Jahre 2020 immer noch Menschen auf der Flucht sein werden, immer noch mindestens 800 Millionen Menschen hungern – eine Not, die als Wachtsumsmarkt florieren wird.
Vergleich 1995 bis heute – Was hat sich getan?
Obwohl weltweit ständig mehr Nahrungsmittel produziert werden, hungern immer noch Millionen Menschen – besonders auf dem afrikanischen Kontinent. Die Welternährungs-Organisation FAO rechnet mit einer Zunahme des Hungers in Afrika. In Asien und Lateinamerika werde sich die Lage aber bessern, sagt die Unterorganisation der Vereinten Nationen in einer veröffentlichten Studie am 03. 07. 1995 (!!) voraus. Insgesamt werde es im Jahr 2010 noch 650 Millionen Unterernährte auf der Welt geben, 150 Millionen weniger als zurzeit. Die Agrarproduktion werde mit durchschnittlich 1,8 Prozent im Jahr etwas schneller wachsen als die Weltbevölkerung mit plus 1,6 Prozent. Das Ernährungsproblem lasse sich aber nicht allein durch Umverteilung ändern, warnte die FAO 1995. Die Organisation rechnet damit, dass im Jahr 2010 rund sieben Milliarden Menschen auf der Erde leben, 1,3 Milliarden mehr als zur Zeit.
Wir fassen zusammen: 1995 gab es demnach 800 Millionen Hungernde – für 2010 wurde mit 650 Millionen gerechnet. Und tatsächlich hatten 2010 etwa 842 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Daraus können wir schließen, dass die Zahl der Hungernden sogar gestiegen ist und nicht gesunken.
Dem ärmsten Teil der Weltbevölkerung wird nach Einschätzung der FAO 1995 auch im Jahr 2010 die Kaufkraft fehlen, um die Agrarproduktion durch eine höhere Nachfrage anzuregen. Auch haben sie kein Geld, um die Agrarüberschüsse aus den reichen Ländern zu kaufen. Die FAO wolle daher in den Entwicklungsländern die Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche stärken, um Nahrung zu produzieren und Kaufkraft zu schaffen. Die FAO befürchtet, dass die Vernichtung der tropischen Regenwälder und die Bodenerosion zunehmen werden. Die Flächenausdehnung stoße damit an ihre Grenzen und Wasser werde immer knapper. Zwei Drittel der Mehrproduktion von Lebensmitteln müssten aus höheren Erträgen kommen, ohne die Umwelt weiter zu schädigen. Studie 1995 (!!)
Wir fassen zusammen: 1995 hatten schon die ärmsten der Armen kein Geld, die Agrarüberschüsse aus den reichen Ländern zu kaufen. So wurde es auch für 2010 vorhergesagt und so traf es tatsächlich ein. Doch warum wurde in der Zwischenzeit nichts geändert? Schließlich sind 20 Jahre vergangen!
Was die FAO nicht mit einplanen konnte, war die Spekulation mit den Nahrungsmitteln. Institutionell ermöglicht wurde das neue Anlegerverhalten durch die Schaffung von neuen Anlageinstrumenten im Zuge der weltweiten Liberalisierung der Finanzmärkte: Exchange Traded Commodities (ETCs, seit 2006), Exchange Trade Funds (ETFs, in USA seit 1993, in Deutschland seit 2000) und Investmentzertifikate auch auf der Basis von Rohstoffen (seit den 1990er Jahren, in Deutschland insbesondere seit 2004) – mit denen Kapital gesammelt und gezielt in Rohstoffmärkte investiert werden kann.
Behaupten die Konzerne wie Monsanto und Co. nicht sogar, dass deren genmanipulierte Getreidesorten die Ernährung der Welt sicherstellen könnten? Wo sind denn die versprochenen Resultate? Es ist schon längst bewiesen, dass mit Gentechnologie der Hunger nicht besiegt werden kann, im Gegenteil zeigen zahlreiche Studien auf, dass diese Lebensmittel sogar Krankheiten auslösen können. Siehe „Neue Studie zeigt, dass der Verzehr von Gen-Mais und Gen-Soja gesundheitsschädlich ist“.
Allein in Westafrika waren 2012 bis zu 18 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht.
Die Armen in Afrika trifft es am härtesten, wenn die Getreidepreise steigen. Nicht nur die Menschen in den Städten, auch die Kleinbauern müssen um ihr Essen bangen. Weizen und Mais haben sich bereits rasant verteuert. Der Anstieg der Getreidepreise ist das erste Warnzeichen für eine weltweite Hungerkrise. Seit Anfang Juni 2012 erhöhte sich der Weizenpreis um 32 Prozent auf 330 US-Dollar je Tonne, wie die UN-Ernährungsorganisation FAO mitteilte. Die Dürren in den USA, Russland, in der Ukraine und in Kasachstan trieben die Preise nach oben und der Welthunger-Index 2013 sagt aus, dass alle zehn Sekunden ein Kind stirbt!! Das ergab auch das Telefonat, das wir mit der Welthungerhilfe führten.
Dramatisch ist die Lage dem diesjährigen Welthunger-Index zufolge in den afrikanischen Ländern Burundi und Eritrea sowie auf den Komoren, einem Inselstaat bei Madagaskar. Diese Länder schneiden am schlechtesten ab. Auch in Syrien hungern wegen des Bürgerkriegs Millionen Menschen. Nach den neuesten Zahlen sind vier Millionen Syrer auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Jede vierte Familie habe an sieben Tagen im Monat nichts zu essen. Es gebe erste Berichte, wonach Kinder an Unterernährung gestorben seien. Welthunger-Index 2013 (PDF) – Artikel – Welthungerhilfe
Entwicklungshilfe in privater Hand
Im Juni 2012 hat eine Gruppe führender deutscher Unternehmen und Verbände in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die „Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährung in Schwellen- und Entwicklungsländern“ (DIAE) gegründet. Sie wurde im Januar 2013 in German Food Partnership (GFP) umbenannt. Die GFP ist ein Netzwerk, in dem deutsche und internationale Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie, Verbände und Stiftungen, der öffentliche Sektor sowie Unternehmen aus Schwellen- und Entwicklungsländern gemeinsam daran arbeiten, die Nahrungsmittelsicherung zu verbessern.
Die Gründungsteilnehmer der GFP seit Juni 2012 sind AGCO International GmbH, BASF, Bayer CropSience AG, BioAnalyt GmbH, DEG, GIZ, Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung e. V., K+S Kali GmbH, LEMKEN GmbH & Co KG, Mars Incorporate, METRO Group, Syngenta Agro GmbH und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Inzwischen sind weitere Teilnehmer der Initiative beigetreten.
Die GFP wird koordiniert von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und handelt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Mehr zu dem Thema: „Die Gier nach Profit macht auch nicht vor dem WELTHUNGER halt! – Wohltat mit Profit?“
WACHSTUMSMARKT WELTHUNGER
Die großen Konzerne sind keine Wohltäter, sondern es geht um Profitmaximierung. Da der Markt in den Industrienationen stabil bleibt und für manche Produkte sogar zurückgeht, müssen sie neue Märkte erschließen. Eine Milliarde Menschen leben weltweit unterhalb des Existenzminimums. Und auch hier witttern die großen Nahrungsmittelkonzerne ein großes Geschäft.
Erschreckend ist auch, dass der diesjährige World Food Prize an Pflanzenforscher Sanjaya Rajaram für seine Forschung mit genmanipuliertem Weizen geht. Letztes Jahr wurden Monsanto und Syngenta ausgezeichnet, dieses Jahr sind sie indirekt wieder beteiligt. Der Pflanzenwissenschaftler Dr. Sanjaya Rajaram wird den World Food Prize 2014 für seine Forschung erhalten, mit der er zu einer substanziellen Steigerung der Weizenernten beigetragen hat, die dadurch um mehr als 200 Millionen Tonnen stieg. Die negativen Folgen, nein, die werden nicht erwähnt. Die Grüne Revolution in Indien, die die Nahrungsmittelversorgung des Landes angeblich sicherte, aber dazu führte, dass die Kleinbauern immer weniger verdienen und inzwischen in erschreckend hohen Zahlen Selbstmord begehen. Lesen Sie hier: „World Food Prize 2014 für genmanipulierten Weizen“
Die Komplexität der Nahrungssicherheit wird hier allzu deutlich – und ebenso, dass bei auf den ersten Blick gut gemeinten Projekten immer auch Geschäftsinteressen im Hintergrund lauern.
„Die Weltlandwirtschaft könnte problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren. Das heißt, ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet“. Jean Ziegler
Netzfrau Doro Schreier
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