Reyhaneh und Sahar: Zwei junge Frauen, zwei Gefangene – eine Zelle, ein Schicksal

SaharReyhaneh und Sahar – eine Freundschaft
in der Todeszelle

Die wahre Geschichte zweier junger Menschen, deren Wege sich durch traurige Ereignisse ihres Lebens gekreuzt haben. Sie verlangen nicht viel vom Leben. Ihr einziger Wunsch ist es, leben zu dürfen.

Die grausame Schlange, die jede Nacht in ihren Alpträumen versucht, sich um ihren Hals zu drehen, soll aus ihren Gedanken verschwinden.

Vorgeschichte

Wir berichteten bereits mehrfach über Reyhaneh Jabbari, die junge Perserin, die seit sieben Jahren in einem Teheraner Gefängnis in der Todeszelle sitzt. Die junge Frau hatte in Notwehr ihren Peiniger mit einem Messer erstochen.  Er erlag noch am Tatort seinen Verletzungen. Der Richter hatte die junge unschuldige Frau zum Tod durch Erhängen verurteilt. Im April 2014 hatte sich der Sonderbotschafter der UN-Menschenrechtskommission Ahmed Shaheed in Reyhanehs Fall eingeschaltet: Er forderte eine Annullierung der Todesstrafe, eine Neuauflage des Prozesses und erklärte mit Verweis auf „zuverlässige Quellen“, die Verurteilte habe aus Notwehr gehandelt.

Der grausame Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Reyhaneh hat während ihres langen Gefängnisaufenthalts in den letzten Jahren die Bekanntschaft mit einer anderen jungen Frau namens Sahar Mohabadi Monfared gemacht, die durch den gleichen Richter zum Tode durch Erhängen verurteilt wurde. Reyhaneh sitzt seit sieben und Sahar seit sechs Jahren im Gefängnis. Beide Frauen verbindet ein grausames Schicksal. Sie geben sich gegenseitig Halt und sind füreinander da. Sie haben nichts mehr zu verlieren, ihre Herzen sind voller Schmerz und ihre Beine sind müde, die Hände leer und der Weg zu lang. Trotz allem sind sie füreinander da und kämpfen für ihre Freiheit.

Sie sind froh, wenn sie in der Woche den Mittwoch überleben. Der schwarze Mittwoch nennen sie ihn. In dem Gefängnis, in dem sie ihre Jugend, ihr Leben und ihre Träume opfern, endet an jedem Mittwoch in der Woche der lange Leidensweg eines Gefangenen mit dem Gang zum Galgen. Ein Seil am Galgen mit einer Todesschlinge und ein Henker mit seiner schwarzen Maske sind die einzigen stummen Begleiter dieser Reise. So wird an jedem Mittwoch ein Leben in diesem Gefängnis wie eine Kerze ausgepustet und erlischt. Dann sitzen beide Freundinnen und beten zu Gott für die Seele der Verstorbenen und danken ihm dafür, dass sie diesen Mittwoch auch überlebt haben!

Sahars traurige Geschichte

Sahar ist 28 Jahre alt und sitzt seit rund sechs Jahren im Gefängnis. Sie wird beschuldigt, ihren Ehemann ermordet zu haben. Sahar war vier Jahre mit ihrem verstorbenen Ehemann verheiratet. Die Ehe stand nicht unter guten Sternen und der Haussegen hing seit Langem schief. Sahars Ehemann hat seine Frau immer wieder und immer mehr unterdrückt und sie in der Öffentlichkeit erniedrigt. Er hat ihre Rechte nicht akzeptiert, und immer wenn sie sich beschwerte und sich durchsetzen wollte, gab es heftige Streitereien und Schläge. Sie fühlte sich unglücklich und hat alles daran gesetzt, ihre Ehe zu retten, aber ihr Ehemann war im Kopf bereits mit anderen Dingen beschäftigt und setzte seine Prioritäten woanders. Die körperlichen und seelischen Misshandlungen nahmen kein Ende, bis Sahar sich ein Herz fasste, ihren ganzen Mut zusammennahm und endlich die Scheidung einreichte.

Das kratzte natürlich am Ego des Mannes. Er kämpfte mit allen Mitteln, um sie umzustimmen, denn er wollte nicht der Verlassene sein. Sie versuchte immer wieder, sich friedlich mit ihm über die Scheidung zu einigen, aber vergebens. Er wurde immer brutaler und misshandelte sie immer mehr. Er bedrohte sie sogar mit dem Messer, um ihr Angst einzujagen. Sie lebten seit Langem nicht mehr zusammen. Sahar hatte Angst, er würde seine Androhungen, dass „Blut fließen“ würde, irgendwann wahr machen und aus Angst trug sie zu ihrem Schutz ein Messer in ihrer Tasche.

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Eines Abends suchte Sahar ihn in dem Teehaus auf, in dem er sich gewöhnlich mit Freunden traf, um ihn um die Herausgabe ihrer Geburtsurkunde zu bitten, die man für das Scheidungsgericht benötigt. Er fing wieder mit dem Streit an. Er verprügelte sie und bedrohte sie mit dem Messer. Als er auf sie einstechen wollte, zog sie ihre Messer aus der Tasche und traf ihn in den Brustkorb. Er fiel in ein Schaufenster, welches zerbrach. Die Zuschauer halfen ihm nicht und riefen nicht sofort einen Krankenwagen. Sahar war auch verletzt und stand unter Schock. Bis der Krankenwagen da war, war ihr Mann bereits verblutet. Die Tatwaffen – beide Messer – konnten von der Polizei nicht sichergestellt werden.

Sahars Prozess dauerte nur 15 Minuten und Richter T. – der gleiche Richter, der Reyhaneh in einem ähnlich kurzen Zeitrahmen zum Tode verurteilte  – verurteilte Sahar trotz der Gegebenheiten, der Hintergrundgeschichte und entgegen den Zeugenaussagen zum Tode. So schnell und einfach kann ein Richter Entscheidungen über Leben oder Tod eines Menschen treffen. Ob unschuldig oder nicht, zählte dabei nicht.

Die verquere Logik eines Richters

Seine Argumentation in Reyhanehs Fall: Das Opfer ist von hinten erstochen worden, das Messer steckte in seinem Rücken und es ist in seiner Praxis passiert, also Mord! Galgentod…..!

Seine Argumentation in Sahars Fall: Das Opfer ist von vorne erstochen worden, das Messer steckte in seinem Brustkorb und es passierte auf der Straße, also Mord! Galgentod…..!

Die Wörter Notwehr und Fairness scheinen in solchen Gerichtsräumen Mangelware zu sein. In der Vergangenheit wurden in den gleichen Gerichtsräumen ebenfalls durch Richter T. zwei Mädchen im Alter von 11 und 13 Jahren und eine 16-jährige Frau aus verschiedenen Gründen …zum…. Tode…. verurteilt….!

Keine Zeit mehr zum Leben

Eine Revision vom Sahars Fall wurde abgelehnt. Die unschuldige 28-jährige Frau hat bereits ihre Hoffnung aufgegeben. Sie hat Angst – Angst vor dem schwarzen Mittwoch. Jeden Tag könnte es zu spät sein.

Ihre Freundin Reyhaneh hat sie noch nicht aufgegeben. Sie hat am Besuchstag ihre Mutter gebeten, etwas für Sahar zu tun. Sie kann diese Ungerechtigkeit nicht mehr ertragen.

Telefongespräch zwischen Reyhaneh und ihrer Mutter Shole

Shole: Wie geht es Dir, Reyhaneh? Du sprichst die ganze Zeit über Sahar. Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich bin auch ein Mensch. Noch ein trauriges Schicksal, noch mehr Sorgen. Mein Gehirn hat keinen Platz mehr für noch mehr Trauer. Meine Schultern können nicht noch mehr Last ertragen. Ich werde irgendwann unter dieser Last zusammenbrechen!

Reyhaneh Jabbari

Reyhaneh Jabbari

Reyhaneh: Ich kann und werde Dich nicht verstehen. Wie kannst Du nachts schlafen, wie kannst Du als weise Frau Dich dumm stellen? Die Zeit ist knapp und ist kurz wie ein Augenzwinkern. Du kannst später schlafen, wir haben jetzt keine Zeit zu verlieren. Tue bitte etwas. Versuche mit den Schwiegereltern von Sahar zu sprechen.
(Nach dem iranischen Recht, wenn die Kläger – in diesem Falle die Schwiegereltern, die ihren Sohn verloren haben – die Angeklagte begnadigen, wird sie in solchen Fällen nicht mehr gehängt.)

Shole: Ich war doch so oft bei denen. Sie haben sich weder durch mich noch durch die Situation beeinflussen lassen und ihr Herz ist auch …..! Ich habe keine Worte mehr für sie. Wenn sie etwas an Sahar gedacht hätten, wäre die arme Frau längst zu Hause!

Reyhaneh: Bitte Mama. Im Gottes Namen gehe wieder zu ihnen und bitte sie noch einmal, Sahar zu begnadigen.

Shole: „Ich dachte mir: Wie kann ich es meiner geliebten Tochter beibringen, dass ich es bereits versucht habe und sie blockieren die ganze Zeit! Was soll ich denn tun? Wer kann uns helfen, eine junge Frau das Leben zu retten?“

Shole: Gut, meine Liebe. Ich werde es versuchen.

Reyhaneh: Am Freitagabend haben sie eine Frau aus unserem Trakt in die Einzelzelle gebracht und am Samstag früh am Morgen haben sie sie aufg….. Sie ist tot! Bitte Mama …ich habe Angst um Sahar.

Shole: Und ich habe Angst um Dich und Sahar!

Rettet Sahar …. rettet Reyhaneh

Reyhaneh kämpft für ihre Freundin, obwohl sie selbst auch in der Todeszelle sitzt. Sie hat Courage und ein sehr großes Herz. Am 4. September rief sie ihren Anwalt, Herrn Jedari Foroughi aus dem Gefängnis an und bat ihn, Sahar zu retten.

Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen (Konfuzius)

Lassen Sie uns zum hellen Licht für Reyhaneh und Sahar zu werden, damit aus Dunkelheit in ihrem Leben, in ihren Herzen und in ihren Gedanken ein warmes hoffnungsvolles Licht wird.

Netzfrau Sharareh Fekri

Wir Netzfrauen werden uns mit Sahars Geschichte an Amnesty International, den UN-Menschenrechtsrat und andere Institutionen wenden und Sie auf dem Laufenden halten. Derweil bitten wir Sie, sich an der folgenden Aktion zu beteiligen.

Bitte schreiben Sie Mails und/oder Twitter- oder Faxnachrichten mit folgendem Text:

Betrifft: Todesstrafe Sahar Mohabadi Monfared

„Ich bitte Sie eindringlich, Sahar Mohabadi Monfared nicht hinrichten zu lassen. Sorgen Sie bitte zudem dafür, dass ihr Fall unmittelbar gerichtlich überprüft wird mit dem Ziel, das Todesurteil aufzuheben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass nach Artikel 6(4) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den der Iran unterzeichnet hat, jede zum Tode verurteilte Person das Recht hat, um Gnade oder Umwandlung des Urteils nachzusuchen. Ich möchte Sie hiermit daran erinnern, dass die Todesstrafe laut den Bestimmungen des Völkerrechts nur für „schlimmste Verbrechen“, also „vorsätzliche Verbrechen mit Todesfolge“, verhängt werden darf und die Gerichtsverfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen müssen.“

Hochachtungsvoll
(Ihr Name)

An diese Personen sollte die Nachricht geschickt werden:

Religionsführer
Your Excellency/Exzellenz
Ayatollah Sayed ‘Ali Khamenei
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: @khamenei_ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office, Number 4
Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani
E-Mail: info@dadiran.ir
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

Kopie an:

The Presidency/Präsident
Hassan Rouhani
Twitter: @HassanRouhani (Englisch)
E-Mail: media@rouhani.ir

Botschaft der islamischen Republik Iran
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sie können auch die automatisierte Mailfunktion nutzen.

Das Leben von Sahar ist in akuter Gefahr. Daher schreiben Sie bitte möglichst sofort, in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder Deutsch. Sie können natürlich auch einen persönlichen Text verfassen. Bitte wahren Sie dabei die Regeln der Höflichkeit. Unsachlichkeiten, Anschuldigungen oder Beschimpfungen sind unbedingt zu unterlassen, da sie den Angeklagten schaden könnten.

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