Fracking in der kanadischen Arktis
Das Dröhnen der Bohrer ist immer häufiger zu hören in der kanadischen Arktis. Unternehmen konkurrieren um die 2-3 Milliarden Barrels Schieferöl in den nordwestlichen Territorien, deren Regierung die Forderung von indigenen Nationen und Wissenschaftlern nach einem Moratorium bis zur abgeschlossenen Überprüfung der Auswirkungen von Fracking ignoriert.
Es besteht echte Angst um das Grundwasser, um die Gesundheit und die Sicherheit der in der Region lebenden Menschen und Sorge darüber, wie das Fracking zu den globalen Treibhausgasemissionen beitragen wird.
Der Natla und der Keele – zwei Flüsse von malerischer Schönheit und kultureller Bedeutung. Sie sind besonders wichtig für das Volk der Dene in der Region Sahtu, die sich um den Polarkreis der nordwestlichen Territorien spannt. Die beiden Flüsse fließen kristallklar aus den Mackenzie Mountains entlang des Yukon-Territoriums/der nordwestterritorischen Grenze, bevor sie am Ende im Mackenzie River zusammenfließen.
Seit Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von Jahren reisten die in den Bergen lebenden Dene flussaufwärts zu den Salzlecken, die im frühen Herbst Karibus, Elche und Bergschafe aus den höheren Lagen anzogen – eine günstigste Gelegenheit, um sich mit Wild, Fisch und Beeren für den langen Winter zu bevorraten.
Fracking auf dem Weg zum Polarkreis
Viele der im Sahtu lebenden Dene sind besorgt, dass diese Zeiten nun, da Energiekonzerne die Erlaubnis zum horizontalen Fracking in einer Region südlich des Polarkreises haben, bald vorbei sind.
Conoco-Phillips führte bereits Probefracks an zwei Quellen in der Sahtu durch und plant für die Zukunft noch einige mehr. Auch einige weitere Unternehmen, stehen mit eigenen Plänen bereit.
Bisher weiß niemand genau, wie viel Schieferöl und Gas es im Yukon-Territorium, den Nordwest-Territorien und dem Nunavut-Terrotorium gibt. Aber die Regierung der Northwest-Territorien schätzt, dass die unterirdische Schiefer-Lagerstätte Canol Shale, die sich von den Bergen entlang der Grenze Yukons mehrere hundert Meilen östlich in Richtung Colville und Great Bear Seen erstreckt, 2-3 Milliarden Liter förderbares Öl enthält, genau so viel oder vielleicht mehr als die hochproduktive Bakken-Formation in North Dakota.
Derart potenzielle Reserven sorgten für großes Interesse. Und dafür, dass sich hydraulisches oder konventionelles Fracking zur Erschließung von Öl- und Gasquellen in Kanada unaufhaltsam weiter in Richtung Polarkreis bewegt.
Ökosysteme in Gefahr
Fracking kann das Grundwasser verschmutzen, Gas kann freigesetzt und seismische Aktivitäten können ausgelöst werden. Wissenschaftler sagen, dass viele sensible Ökosysteme von Nord-Kanada inklusive der Tundra, Moore, Sümpfe und Dauerfrostgebiete besonders anfällig für die umfangreichen Störungen sein können, die in Gebieten mit hoher Fracking-Aktivität auftreten können
Außerdem bestehen Bedenken bezüglich notwendiger Reinigungsarbeiten nach Verschmutzungen durch Öl oder Chemikalien in den vielen Feuchtgebieten der Region. Ein weiterer Kritikpunkt ist der sogenannte „Boomtown-Effekt“, der durch zu rasche Entwicklung in abgelegenen und unbewohnten Gebieten entsteht – ein Phänomen, das Teile von North Dakota, Pennsylvania und anderen von „unkonventionellen“ Bohrungen nach Öl und Gas betroffene US-Staaten stark veränderte.
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Bewohner des Yukon- und des Norwest-Territoriums fürchten, dass diese abgelegenen und dünn besiedelten Gebiete weder die Kompetenz noch die staatliche Infrastruktur haben, Fracking einzuschätzen oder mit den Konsequenzen umzugehen – wie eine aktuelle Studie zeigt, In der Region Sahtu leben weniger als 1500 Menschen.
Bereits lizenziert – 1,35 Millionen Hektar Wildnis
Jim Tredger, ein ehemaliger Hochschuldirektor, der vornehmlich die indigene Gemeinschaft der Mayo-Tatchun der Yukon-Legislative vertritt, hat sich gemeinsam mit anderen erfolgreich für ein Moratorium für Oberflächenfracking im Yukon eingesetzt, sodass eine vollständige öffentliche Überprüfung der gesundheitlichen und ökologischen Risiken erfolgen konnte. Die Nordwest-Territorien haben es deutlich eiliger, Fracking zuzulassen.
Konventionelles Bohren nach Öl in der Region Sahtu ist nichts Neues. Imperial Oil, die kanadische Tochtergesellschaft von ExxonMobil, fördert bereits seit fast 70 Jahren Erdöl aus dem Mackenzie River. Aber die Sondierung von Energiequellen hat sich in den letzten Jahren dramatisch beschleunigt. Dies liegt teilweise daran, dass das Fracking den Unternehmen den Zugang zu Reserven vereinfacht hat, die bislang nur schwer zu erschließen waren.
„Bislang umfassen die aktiven Lizenzen im Gebiet der Canol Schiefervorkommen 1,35 Millionen Hektar Wildnis.“
Fracking als Schlüssel zur Unabhängigkeit?
John Hogg, Vizepräsident für Forschung und Betrieb der in Calgary ansässigen MGM Energy Corp, sagte in einer Anhörung vor einem Yukon Sonderausschuss für Fracking, dass Schieferressourcen in einer verantwortlichen Art und Weise genutzt würden, vorausgesetzt, die entsprechenden Umweltvorschriften seien vorhanden. Schieferöl und Gas, schlug er vor, können der Schlüssel sein, um das Yukon-Territorium in Sachen Energie autark zu machen.
Ein bereits entlang des Mackenzie Rivers vorhandener Ölkorridor könnte diese neuerschlossene Energie zukünftig Richtung Süden transportieren.
Das National Energy Board, der Hauptregulator in Kanada, hat außerdem Pläne von Trans Canada, dem Unternehmen hinter der umstrittenen Keystone-XL-Pipeline in den USA, genehmigt, eine 16 Milliarden Dollar Erdgas-Pipeline von der arktischen Küste bis nach Alberta zu bauen. Niedrige Gaspreise und erhöhte US-Produktion brachten das Projekt zum Stillstand.
Grundwasservorkommen sind nicht einmal kartografiert
Husky Energy Inc., MGM Energie und Shell Canada bauen auch in der Region Sahtu Straßen und führen Tests in den vertikalen ölreichen Schichten durch. Im Juni 2013 widerrief das Sahtu Land und Water Board frühere Entscheidungen, die eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung für Erkundungsbohrungen erforderlich gemacht hätten.
Eine der neuesten Studien über hydraulisches Fracking, veröffentlicht im letzten Jahr in der Zeitschrift Science, weist darauf hin, dass die mit Fracking verbundenen Umweltrisiken gehandhabt werden könnten – vorausgesetzt, es entwickle sich ein erhöhtes Verständnis für die Tragweite, der Transport von Schadstoffen werde verbessert und es gebe mehr langfristige Überwachung und erhöhte Transparenz.
Diese Vorschläge wären weder für die nordwestlichen Territorien noch für den Yukon so ohne weiteres umsetzbar. Im Gegensatz zu vielen Regionen im Süden sind dort Grundwasservorkommen nicht einmal kartografiert.
Widerstand im Norden Kanadas
Indigene Gruppen, Umweltorganisationen und der Ältestenrat der Nordwest-Territorien haben vor kurzem ein Moratorium für Fracking in den Nordwest-Territorien gefordert. Ausschlaggebend ist der Bericht eines Expertengremiums der kanadischen Akademien, der auf bislang nicht berücksichtigte Risiken und die unbekannten Auswirkungen dieser umstrittenen Bohrmethode hinweist.
Der Rat der Yukon First Nations hat geschworen, Fracking auf seinen Ländereien nicht zuzulassen. Angesichts des massiven Widerstands haben Conoco-Phillips und Husky eine einjährige Pause anberaumt, um sich den Anliegen und Fragen, die vorgebracht wurden, zu stellen.
Yukons überparteilicher Regierungsausschuss zu Fracking hat in den letzten 14 Monaten Ökonomen, Toxikologen, Mediziner, Erdölingenieure, Oberhäupter der First Nations, Umweltorganisationen und Industrie-Experten angehört. Die Regierung der Nordwest-Territorien allerdings machte deutlich, dass sie beabsichtigt, auf Fracking-Kurs zu bleiben.
Fracking – eine wachsende Kontroverse
Es hat sich herausgestelt, dass hydraulisches Fracking in Kanada umstrittener ist als in den Vereinigten Staaten, die in den letzten Jahren einen wahren Fracking-Boom erlebten.
„Fracking ist eine neue Technik in den Nordwest-Territorien und wir haben nicht genug Informationen über sie. Wir wissen, sie wird in vielen Orten auf der ganzen Welt wegen ähnlicher Bedenken wie unserer verboten.“
Die Regierung von Quebec hat Fracking wegen der Sorge um das Grundwasser bereits verboten. In New Brunswick wurden kürzlich Regelungen eingeführt, die die Art Wasser, die für Fracking genutzt werden darf, eingrenzt.
Beim hydraulischen Fracking wird eine Mischung aus Sand, Wasser und Chemikalien mit hohem Druck in Schieferformationen tief unter der Erde gepresst, zerschmettert den Stein, sodass auch eingeschlossene Erdgas- oder Ölressourcen freigesetzt werden. [Siehe auch: „Fracking – Nun mal Klartext, werte Herren Experten!“]
Je nach Geologie und abhängig von der Tiefe des Fracks müssen mehrere Millionen Liter Wasser verwendet werden, um ein einziges Vorkommen zu fracken. [Fracking hat dramatische Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. In vielen Fällen führen Energieunternehmen das Abwasser wieder dem Grundwasser zu.
Risiken von Fracking
Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass, wenn die Industrie nicht ausschließlich die optimalen Methoden anwendet oder die Zementverkleidung versagt, Bohrungen undicht sein können.
Eine in 2011 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie erbrachte den systematischen Nachweis von im Zusammenhang mit Schiefergasförderung auftrender Methankontaminierung der Trinkwasservorkommen im Nordosten von Pennsylvania und im New Yorker Hinterland.
Die Sorgen um die Verschmutzung des Grundwassers und der Flüsse wie den Natla und den Keele werden untermauert durch Fracking-Projekte, die kürzlich in Alberta schief liefen. [Siehe auch: Neue Ölkatastrophe an den Great Lakes]
Es kostete Canadian Natural Resources 50 Millionen $ und dauerte mehr als neun Monate, eine fortlaufende Serie von Leckagen in den Griff zu bekommen, die durch eine Fracking-Methode – Dampfinjektion in diesem Fall – im letzten Jahr an einer ihrer Quellen verursacht wurden. Mehr als 12 000 Barrel Bitumen sickerten an die Oberfläche, was als viertgrößter Überlauf in die Geschichte Albertas einging.
Frei übersetzt und zusammengefasst aus dem englischen Original: Drills away in Canada’s Arctic – 1.35 million hectares of wilderness open to fracking
Netzfrau Andrea Wlazik
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