Tokio: Schweres Erdbeben – Deutscher Fernsehjournalist berichtet aus Fukushima

Netzfrauen Erdbeben2Ein schweres Erdbeben hat den Großraum Tokio erschüttert. Das Zentrum des Bebens der Stärke 5,6 lag im Süden der Provinz Ibaraki in einer Tiefe von 50 Kilometern. Eine Tsunami-Gefahr gab es nicht, wie die Meteorologische Behörde am Dienstag mitteilte.

Das Erdbeben ereignete sich in der Nähe der östlichen Honshu-Region.

Am 11. März 2011 verwandelte ein Erdbeben der Stärke 9 Japan in nur ein paar Minuten in ein anderes Land. Bis heute können die Menschen nicht in die Sperrzone um das havarierte AKW zurück.

Weiter unten können Sie einen aktuellen Augenzeugenbericht von Ranga Yogeshwar lesen, der zur Zeit in Fukushima eine Dokumentation dreht.

Japan Atomic Power Co und Tokyo Electric Power Co (Tepco) berichteten, dass die drei Kernkraftwerke in Ost-Japan nach einem Erdbeben der Stärke 5,6 nördlich von Tokio am Dienstag von dem Erdbeben zwar getroffen wurden, aber es gäbe keine Unregelmäßigkeiten.

Es handelt sich um die Atomkraftwerke: Tokai Daini-AKW, Fukushima Daiichi-Kernkraftwerk, Fukushima Daini-AKW. Laut Tepco-Sprecherin gibt es keine Unregelmäßigkeiten.

Derzeit stehen sämtliche 48 kommerziellen Reaktoren in Japan still. Nach dem Super-Gau in Fukushima im März 2011 gingen diese Schritt für Schritt vom Netz. Die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe hatte bereits im April deutlich gemacht, dass sie zur Atomkraft zurückkehren will. Diese sei neben der Wasserkraft und Kohle eine wichtige Quelle zur Grunddeckung des Energiebedarfs. Damit setzt die Regierung sich über den Widerstand in der Bevölkerung hinweg.

In Japan treffen gleich vier Platten aufeinander: die pazifische, eurasische, philippinische und nordamerikanische Platte. Das Beben im März 2011 (Fast 19 000 Menschen kamen ums Leben) wurde vor allem von der Konfrontation zweier Platten ausgelöst: Die pazifische Platte schob sich unter die eurasische, dadurch wurde diese gewölbt und gestaucht.

12s06 Erdbeben Plattentektonik Käfer

Dazu auch unser Bericht: Tektonische Platten – Erdbeben: Nach San Francisco, Chile, Island, Japan, jetzt Peru

Zur Zeit befindet sich der Wissenschaftsredakteur und Fernsehmoderator Ranga Yogeshwar in Fukushima.

Er dreht dort mit seinem Team über Fukushima und schrieb am 13. September auf seiner Facebook- Seite:

„Heute möchte ich euch ein paar Details der Anlage erläutern. Wie bereits gesagt, ist das Filmen unter diesen Rahmenbedingungen alles andere als einfach und ich bin begeistert von unserem Team (Danke Rüdiger, Timo und natürlich auch Reinhard!!)

Neben der Schutzkleidung ist die Vollgesichtsmake ein echtes Problem, denn bei den Temperaturen schwitze ich und kann mir die Schweißperlen nicht abwischen. Durch den Sucher zu schauen ist eine Herausforderung und auch die Bedienung der völlig verpackten Kamera bzw. des Fotoapparates ist mühsam. In der Anlage darf man zudem einige Dinge aus Sicherheitsgründen nicht abbilden.

Manchmal erzählen Bilder versteckte Geschichten:
Entlang der Straße erkenne ich einen blauen Feuerwehrschlauch. Damit wurde versucht, den Reaktor unmittelbar nach der Havarie zu kühlen. Noch immer ist diese Kühlung nötig und in der Reaktorwarte konnte ich auch den Flussmesser ausmachen.

Auf der Anzeige erkennt man, dass über zwei Leitungen 2,05 und 2,53 m3 Wasser in der Stunde fließen, also ca. 4500 Liter pro Stunde, macht 108 Tonnen pro Tag und das nur für Block 1. Insgesamt fallen etwa 400 Tonnen Wasser an und etwa dieselbe Menge tritt über das Grundwasser in die Anlage. Auf dem Gelände fallen also etwa 800 Tonnen kontaminiertes Wasser pro Tag an. Dieses Wasser wird in große Tanks gepumpt, um dann später gereinigt zu werden. Das Gelände ist voller Wassertanks!!

Die Techniker versuchen, über eine Nuklidwaschanlage das verseuchte Wasser von den radioaktiven Isotopen zu reinigen. Die erste Versuchsanlage hatte viele Probleme, doch inzwischen sind zwei weitere Anlagen im Bau, die in wenigen Wochen ihren Betrieb aufnehmen. Die Halle wird gebaut und das ganze ist eine Fabrik.

Für diese Leistung zolle ich den japanischen Technikern Respekt, denn in diesen Dimensionen wurde das noch nie gemacht. Falls das funktioniert – und das hoffen hier alle – könnte man einen geschlossenen Kühlkreislauf bauen, sodass kein zusätzliches Wasser anfällt.

Im Kontrollraum entdeckte ich auch eine weitere aufschlussreiche Anzeige: Eine Windanzeige mit einer Reihe von Messstellen.

Als wir drehen, bläst der Wind mit 4,1 m/s Richtung Nordosten. Aufschlussreich sind die Anzeigen der Dosis-Messpunkte: MP-1, MP-2 etc. Alle zeigen Messwerte weit über dem roten Bereich. Während der Katastrophe blies der Wind einen großen Teil des radioaktiven Staubs hinaus auf den Pazifik bis auf einige Phasen, in denen die Radioaktivität Richtung Nordwesten wanderte. Bei dieser Anzeige gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Man stelle sich nur vor, der Wind hätte noch mehr radioaktive Staubteilchen ins Landesinnere transportiert – womöglich Richtung Südwest – also Richtung Tokio!!

Die Japaner hatten in gewisser Weise noch „Glück“ im Unglück.

Bei der Explosion von Block 1 wurde das Dach zerstört. In der Folgezeit hat man ein provisorisches Dach über den Reaktor gestülpt, doch für die weiteren Arbeiten möchte man das Dach öffnen, um so Zugang ins Innere zu bekommen. In der Region gibt es jedoch Proteste, denn sollte etwas schief gehen, würde erneut Radioaktivität ins Umland gelangen. Über klebrige Sprays möchte man daher zuvor den Staub im Innern binden…

Zu den vielen abstrusen Aspekten dieser Katastrophe zählt auch ein besonderer Ort: J-Village Es handelt sich um eine Fußball Ausbildungsanlage ca. 20 km südlich der Reaktoranlage Fukushima-Daichi.

Dieses Trainingscamp wurde zum Krisenzentrum umfunktioniert. Auf einem der Fußballfelder stehen die Wohncontainer – eine seltsame Kombination. Hier wird auch bei den Mitarbeitern der so-genannte Whole Body Count durchgeführt. Dabei wird die Radioaktivität im Körper genau erfasst; wichtig, denn es ist besonders gefährlich, wenn Staub etc. in den Körper gelangt und somit auch länger verbleibt.

Von hier aus starten die Arbeiter in den Schichten per Bus immer Richtung Reaktoranlage. Mit zwei besonderen Personen habe ich länger sprechen können: Herr Tadafumi ASAMURA leitet die Arbeiten am „Ice-wall“. (Durch das Vereisen des Bodens will man einen Schutzwall erreichten.) Er ist sehr sympathisch und wirkt auf mich auch sehr kompetent. Der Ingenieur hat zwei große Töchter und zu Beginn wollten sie nicht, dass ihr Vater hierher kommt. Ähnlich war es auch bei Herrn Yuji SAYO. Er ist 60 Jahre alt und koordiniert die Bohrungen Vorort. Als ich ihn Frage, ob er Angst hat, sagt er „Ja, jedoch will ich meinen Enkeln ein gutes Land überlassen“.

Ich habe große Achtung vor diesen Menschen, die oft selbstlos unter diesen sehr schweren Bedingungen arbeiten. Diese Haltung ist bewundernswert und ich frage mich, ob wir in Deutschland nicht mitunter unfair mit diesen Menschen umgehen. Ich war sowohl in Tschernobyl als auch hier und kann die Dinge daher ganz gut vergleichen. Die Japaner leisten Großartiges und trotz aller Rückschläge habe ich wirklich Respekt vor dem, was hier umgesetzt wird.

In technologischer Hinsicht sind sie hervorragend aufgestellt und die Umsetzung ist bemerkenswert. Bei vier zerstörten Reaktorblöcken und vielen Quadratkilometern kontaminierter Erde geben sie nicht auf und gehen mit großer Energie die Dinge an.

In Deutschland hört man immer nur schlechte Berichte. Vielleicht ist es an der Zeit, die Dinge etwas objektiver zu betrachten….

Heute werden wir nach Fukushima-Stadt reisen. Ich habe mich nochmals mit der Kaffeehaus-Besitzerin aus Itate Frau Miyuki ICHISAWA verabredet. Sie will mir ihr neues Zuhause zeigen und hat mir einen Kuchen versprochen….
Soweit zwischendurch.

Cheers Ranga“  (8 Fotos)

Weitere Fotos und aktuelle Berichte von Ranga können Sie auf seiner Facebook- Seite finden: https://www.facebook.com/pages/Ranga-Yogeshwar/221408874579947?fref=ts

Wir bedanken uns bei Ranga für seine Berichterstattung und freuen uns schon jetzt auf seine Dokumentation.

Netzfrau Doro Schreier

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Fukushima: Noch 9 Tage um gefährliche Überhitzung zu vermeiden – Fukushima has 9 days to prevent ‘unsafe’ overheating

Affen in Fukushima zeigen Blutanomalien durch Strahlung – Fukushima monkeys show blood abnormalities due to radiation

„Tokio sollte nicht mehr bewohnt werden“ – Japanischer Arzt warnt vor Strahlung aus Fukushima

Fukushima: Kein Ende der Hiobsbotschaften in Sicht, doch die Medien schweigen

Ein Brief an alle jungen Athleten, die davon träumen, 2020 nach Tokio zu kommen

„Tokio sollte nicht mehr bewohnt werden“ – Japanischer Arzt warnt vor Strahlung aus Fukushima

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.